Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2007; letzte Änderung: November 2009)

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1. Der Begriff „Satan“

Im Alten Testament kommt das Nomen שָׂטָן śāṭān insgesamt 27-mal vor: Num 22,22.32; 1Sam 29,4; 2Sam 19,23; 1Kön 5,18; 1Kön 11,14.23.25; Sach 3,1.2; Ps 109,6; Hi 1,6.7.8.9.12; Hi 2,1.2; 1Chr 21,1 (in einigen Versen zwei Mal); außerdem SapSal 2,24; Sir 21,27. Auf menschliche Widersacher bezogen bezeichnet „Satan“ politische Gegner oder potentielle Überläufer im Kriegsfall (1Kön 5,18; 1Kön 11,14.23.25). Die Söhne Zerujas agieren als falsche Ratgeber (2Sam 19,23).

Die → Septuaginta übersetzt שָׂטָן śāṭān fast ausschließlich mit dem (zum Teil mit Artikel versehenen) Nomen διάβολος diabolos (Sach 3,1.2; Hi 1-2; 1Chr 21,1; Ps 109,6), aber auch mit διαβολή diabolē (Num 22,32) und verbal mit ἐνδιαβάλλειν endiaballein (Num 22,22). Das Nomen, auf das unser Wort „Teufel“ zurückgeht, ist wohl von dem Verb διαβάλλειν diaballein „auseinanderbringen / durcheinanderwerfen“ abzuleiten.

Die Etymologie des Nomens שָׂטָן śāṭān ist umstritten:

1) Die Volksetymologie möchte aufgrund von Hi 1,7; Hi 2,2 das Verb שׁוּט šwṭ „umherstreifen“ zugrunde legen. Dagegen spricht allerdings der Wechsel von š zu ś.

2) Wird das hebr. Nomen von einem Verb abgeleitet, kommen hierfür u.a. folgende Wurzeln in Frage, die in den semitischen Sprachen allerdings unterschiedlich gebildet werden:

  • hebr. śṭh, akk. šâṭu I, syr. sṭ’, arab. šṭṭ, äth. šṭy „umherschweifen“;
  • hebr., aram., mand. swṭ „ungerecht sein / aufbegehren / revoltieren“;
  • arab. šṭṭ „ungerecht sein“;
  • syr. swṭ, arab. šjṭ „brennen“;
  • hebr. śṭh, äth. šṭy „verfolgen“.

Gegen die Annahme eines (beschreibenden) Primärnomens mit der Wurzel śjṭ oder śwṭ (*śajṭ / śawṭ + -ān) spricht die Tatsache, dass die Abstrakta, Adjektive oder Diminutive bezeichnende Nominalendung im Hebräischen nicht -ān, sondern -ôn lauten müsste, so dass wohl eher eine Nominalbildung nach *qātāl vorliegt. Meist wird śāṭān mit dem Verb śṭn / śṭm „anfeinden / verführen / beschuldigen / verhindern“ zusammengebracht, wobei sich die Wurzel zwar in den jüngeren südsemitischen Sprachen (Targum, Mittelhebräisch, Syrisch, Mandäisch, Äthiopisch, Arabisch) nachweisen lässt, nicht jedoch im Akkadischen.

3) Görg (1996, 9-12) trennt das Verb שׂטם śṭm bzw. שׂטן śṭn etymologisch vom Nomen שָׂטָן śāṭān und leitet es aus ägypt. śdnj (Kausativ von dnj „jemanden zurückhalten“ oder „in die Schranken weisen“, aus ägypt. d wird hebr. ) her (s.u.).

Letztlich muss die Frage der Etymologie wohl offen bleiben.

2. Satan im Alten Testament

Im Alten Testament kommt (der) Satan als personifiziertes himmlisches Wesen an vier Stellen vor (Hi 1,6-12 und Hi 2,1-7; Sach 3,1-7; 1Chr 21,1; Num 22,22.32). Die Funktionen, die der Satansgestalt in der Forschung an diesen Stellen zugeschrieben werden, sind vielfältig: Der Satan kann als Verkörperung „gewisse(r) Seelenzustände, Gemüthslagen und Geistesrichtungen“ interpretiert werden (Roskoff, 1869, 189), als Dämon (Jirku, 1912, 49; Hans Duhm, 1904, 16-20; → Dämonen) oder als Gottes- und Menschenfeind, der einen legitimen Bestandteil der israelitischen Religion darstellt. Religionsgeschichtlich wird seine Funktion auf dem Hintergrund der Vorstellung vom Hof der altorientalischen Großkönige und der Angst der Vasallenfürsten vor Verleumdung gedeutet (Brock-Utne, 1935, 219-227) und so als (offizieller) Ankläger aufgefasst (Meyers / Meyers, 1987, 184; Delkurt, 2000, 148; Breytenbach / Day, 1999, 728; Köhlmoos, 1999, 91). Nach Görg (1996, 9-12) handelt es sich beim Satan um eine Art „Vorzimmeragent“, der den Zugang zum Heiligtum bewacht (vgl. Sach 3). Für Nielsen (1998; vgl. dies., 1992, 129-134) stellt der Satan im Buch Hiob einen Sohn JHWHs und neidischen Bruder Hiobs dar.

Zwar wurde immer wieder versucht, besonders Hi 1f und Sach 3 auf einer einzigen Linie zu deuten, wohingegen den Stellen 1Chr 21,1 und Num 22,22.32 meist kaum eine Bedeutung zugemessen wird. Bei der genaueren Betrachtung der Stellen zeigt sich jedoch, dass diese in der Darstellung der Funktion des Satans sehr divergent sind. Dazu kommt das Problem, dass die Lektüre der alttestamentlichen Bibelstellen meist Vorstellungen zur Voraussetzung hat, die das christliche Abendland für den Satan geprägt hat und die sich im Laufe der Zeit vor allem im Mittelalter immer mehr von den biblischen Belegstellen entfernt haben (s.u. 3.). Es muss daher auch die Frage gestellt werden, ob das, was landläufig unter dem Satan verstanden wird, Anhaltspunkte in der alttestamentlichen Überlieferung hat – das ist nur sehr bedingt der Fall (s.‎u. 2.3.).

2.1. Der Satan im Himmel

Als numinoses Wesen in der Umgebung Gottes wird הַשָּׂטָן haśśāṭān (mit Artikel) in Hi 1f und Sach 3 genannt. Aufgrund einer Verknüpfung der Rollen, die der שָׂטָן śāṭān in Sach 3,1.2 und Hi 1-2 einnimmt, wird er meist als Mitglied des himmlischen Hofstaats verstanden (→ Götterrat), wie er in 1Kön 22,19-22 geschildert wird (vgl. Ps 82,1.6; Ps 89,6-8; Ps 29,1; Gen 6,2.4; Hi 5,1; Hi 15,8.15; Hi 38,7).

2.1.1. Sach 3,1-7

Sach 3 schildert in ambivalenten Bildern die Reinigung und Einsetzung des Hohenpriesters → Jeschua. Die fiktive Szene eines hofstaatlichen himmlischen Gerichtsbildes dient der Bestätigung der göttlichen Legitimation Jeschuas für das heilige Amt. Der Satan verkörpert in der Vision einen Gegensatz zu JHWH, er personifiziert eine chaotische Gegenmacht zu Gottes Plan: Der Satan ist im konventionellen Denkschema des → Tun-Ergehen-Zusammenhangs (vgl. Am 4,6-13) verhaftet und damit den hergebrachten Regeln von Schuld und Strafe verpflichtet. Er steht somit für das (nunmehr abqualifizierte) Denken der alten Zeit, von dem sich der Vergebungs- und Erwählungswille JHWHs positiv abhebt. Als ein so denkender Ankläger kann der Satan nur stumm agieren: Er darf weder sprechen noch handeln – JHWH selbst verbietet (גער g‘r) ihm den Mund – und wird im Text später nicht mehr erwähnt. Dagegen wird JHWH als ein Gott geschildert, der die konventionellen Rahmenbedingungen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs für den Schuldigen in positiver Weise sprengt: Jeschua als der schuldige Hohepriester (Sach 3,4f; vgl. Am 4,11) wird gereinigt und gerecht gesprochen aufgrund des Heilshandelns JHWHs. So wird JHWH im Gegensatz zum stummen Ankläger Satan mit positiven Aspekten aufgeladen.

2.1.2. Hi 1,6-12; 2,1-7

In Hi 1,6-12 und Hi 2,1-7 (→ Hiob) wird der Satan deutlicher als in Sach 3 beschrieben: Mit den anderen Gottessöhnen (בְּנֵי הָאֱלֹהִים bənê hā’älohîm) gehört er zum göttlichen → Hofstaat, der als Versammlung vor JHWH geschildert wird. JHWH fragt ihn vor den anderen Gottessöhnen, ob er die Frömmigkeit seines „Knechtes Hiob“ wahrgenommen habe, was der Satan bejaht. Gleichzeitig aber stellt er in Frage, dass die Frömmigkeit Hiobs aus Eigennutz entspringt, mit der Folge, dass Gott dem Satan erlaubt, Hiob in allen Aspekten seines Lebens anzugreifen – nur umbringen darf er ihn nicht –, um zu beweisen, dass die Frömmigkeit Hiobs sich auch in der Not bewährt.

Satan 01

Die fast identisch zur ersten Szene aufgebaute zweite Himmelszene (Hi 2,1-7) erhält in v3 eine wichtige Veränderung, nämlich den Vorwurf JHWHs, der Satan hätte ihn dazu gereizt, Hiob „zu verschlingen“. Der Vers soll JHWH offensichtlich entlasten (vgl. Gen 3,9-13): Wenn Satan nicht gesprochen hätte, hätte JHWH Hiob nicht geprüft. Der Entlastungsversuch gelingt allerdings nur bedingt, denn die Entscheidung, Hiob der → Prüfung des Satans auszusetzen, liegt erstens allein bei JHWH, und zweitens wird in v3 sogar gesagt, dass es Gott ist, der Hiob angegriffen hat. Die Verantwortung JHWHs wird zusätzlich noch einmal im Epilog betont (Hi 42,11; vgl. Hi 1,21), der die erzählerische Trennung von Satan und JHWH theologisch aufhebt (Spieckermann, 1994, 435).

Der Satan steht in Hi 1 und 2 also einerseits für das personifizierte Wissen JHWHs über Hiob und andererseits wie in Sach 3 für die Überzeugung des sog. → Tun-Ergehen-Zusammenhangs, dass das Tun des Menschen sein Ergehen bestimmt. Dabei geht der Satan noch einen Schritt weiter: Umgekehrt hat auch das Ergehen des Menschen Konsequenzen für sein Tun, für sein Verhältnis zu Gott. Nur weil Gott das Böse von Hiob fernhält, kann Hiob dem Bösen fern bleiben. JHWH selbst ist also die Bedingung der Möglichkeit für Hiobs Gottesfurcht.

Demgegenüber repräsentiert JHWH ein Denken, das Tun und Ergehen radikal voneinander trennen will. Er erlaubt die Sprengung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in Bezug auf Hiob, weil er von dessen uneigennütziger Gottesfurcht überzeugt ist. Dabei steht sein Handeln gegenüber Hiob dem gegenüber Jeschua diametral entgegen: Während für den schuldigen Jeschua der Tun-Ergehen-Zusammenhang positiv aufgehoben wird, wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang für den unschuldigen Hiob in negativer Weise außer Kraft gesetzt und damit das Handeln JHWHs ambivalent.

Der Versuch, JHWH durch die Einführung des Satans von negativen Aspekten zu entlasten, gelingt im Zusammenhang von Hiob 1-2 also kaum: Erzähltechnisch gesehen steht der Satan zwar einerseits im Vordergrund der Himmelsszene, aber andererseits wird seine Rolle in theologischer Hinsicht marginalisiert und JHWH allein als Urheber von Hiobs Unglück angesehen.

2.2. Der Satan auf der Erde

In Num 22 stellt sich der Bote Gottes als Satan → Bileam in den Weg. Das Nomen bezeichnet hier die Funktion, die der → Engel für Bileam einnimmt. In 1Chr 21,1 ersetzt das Nomen Satan den in der Parallelstelle 2Sam 24,1 genannten JHWH-Namen. In beiden Fällen geht es um Aktivitäten, die der Satan als himmlisches Wesen auf der Erde ausführt.

2.2.1. Num 22,22.32

Auf dem Weg zu König → Balak von → Moab, der nach Bileam geschickt hat, damit dieser die Israeliten verflucht, stellt sich der Bote (→ Engel) JHWHs Bileam in den Weg, um ihn dazu zu bringen, JHWH und nicht Balak zu gehorchen. Das Nomen שָׂטָן śāṭān bezeichnet hier den göttlichen Auftrag des Boten, sich Bileam in den Weg zu stellen und „ihm zu Satan“ zu werden (לְשָׂטָן לוֹ ləśāṭān lô; Num 22,22.32). Es ist hier also der Bote (Engel), der personifiziert gedacht wird, nicht der oder ein Satan. Der Bote wird in der Ausführung seines Auftrags von Bileam (indirekt durch seine Eselin) als Widersacher erfahren. Gerade in der Ausübung seines Auftrags aber steht der Bote im Dienst JHWHs und keineswegs im Gegensatz zu ihm.

2.2.2. 2Sam 24,1 par. 1Chr 21,1

In 2Sam 24,1 und 1Chr 21,1 wird von der Sünde → Davids erzählt, eine → Volkszählung auszuführen, die schließlich zur Vernichtung des Volkes durch den „Vernichterengel“ (מַלְאָךְ הַמַּשְׁחִית mal’ākh hammašḥît; 2Sam 24,16; 1Chr 21,15; → Engel) führt. In beiden Texten ist es nicht David selbst, der sich von sich aus auflehnt, sondern er wird dazu angestachelt: in 2Sam 24,1 von JHWH, in 1Chr 21,1 von (einem) Satan, das Nomen שָׂטָן śāṭān steht hier ohne Artikel. Obwohl das Nomen an allen anderen Stellen, an denen es indeterminiert auftritt, menschliche Widersacher bezeichnet, scheint es sich hier um ein himmlisches Wesen zu handeln (vgl. Japhet, 2002, 347; Breytenbach / Day, 1999, 730). Allerdings scheint im Denken der → Chronik dem Satan nur eine literarisch-theologische Existenzberechtigung zuzukommen. Er dient dazu, das Verhältnis zwischen David und JHWH zu entlasten (Fabry, 2003, 285f): Es war nicht JHWH selbst, der David zum Ungehorsam anstachelte, sondern „ein Satan“.

2.3. Zusammenfassendes zur theologischen Bedeutung des Satans im Alten Testament

Die Konzepte der Satansgestalt weisen im Alten Testament keine einheitliche Linie auf. Gemeinsamkeiten zwischen Hi 1f und Sach 3,1-7 zeigen sich in der Verortung des Satans unter die Gottessöhne bzw. den himmlischen Hofstaat JHWHs. Beide Stellen konvergieren zudem in einem bestimmten Aspekt der Rolle des Satans: Durch die Trennung von Satan und JHWH werden zwei Denkrichtungen personifiziert, die der Entlastung JHWHs dienen sollen. Das gelingt allerdings nur für Sach 3. Sowohl in Hi 1f als auch in Sach 3,1-7 soll JHWH in seinen positiven Eigenschaften hervorgehoben werden und dazu dient der Satan als negative Gegenfolie. Während der Satan konventionelles Denken im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs verkörpert, sprengt JHWH diesen Zusammenhang auf. JHWH von negativen Eigenschaften zu entlasten, gelingt allerdings nur bedingt: In Sach 3,1-7 wird zwar der Tun-Ergehen-Zusammenhang in positiver Weise von JHWH zugunsten des schuldigen Jeschua außer Kraft gesetzt, in Hi 1f jedoch erlaubt JHWH die Aufhebung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs zuungunsten des unschuldigen Hiob.

Auf der Erde kann der Satan dazu dienen, das Verhältnis zwischen JHWH und David zu entlasten (1Chr 21). Während die Satansgestalt in Hi 1f und Sach 3 vor allem eine erzähltechnische Funktion als Gegenspieler JHWHs besitzt, ist ihre Einfügung in 1Chr 21,1 theologischer Natur. Dagegen ist in Num 22,22.32 der Bote JHWHs derjenige, auf den der Begriff Satan angewendet wird. Der Engel tritt „als Satan“ Bileam in den Weg, um ihn im Sinne Gottes an der Ausführung seines Auftrags zu hindern.

Als Verführer und göttlicher Widersacher tritt der Satan an keiner Stelle als ebenso mächtige Kraft wie JHWH selbst auf, lediglich 1Chr 21,1 könnte vielleicht in diesem Sinne gedeutet werden. Wirkungsgeschichtlich war allerdings gerade diese Stelle kaum relevant. Im Hiobprolog jedoch, der wirkungsgeschichtlich wohl wichtigsten alttestamentlichen Belegstelle für den Satan, erscheint der Satan als Gottes Gegenüber gerade nicht als Verführer und eigenständige negative Macht, sondern lediglich als Anstoß für JHWHs eigene hochgradig problematische Entscheidung, Hiob um einer Prüfung willen der Willkür von → Krankheit und → Leid zu überlassen.

3. Wirkungsgeschichte

3.1. Qumran

In Qumran ist die Wurzel שׂטן śṭn nur fünf Mal in fragmentarischen Texten erhalten (→ Qumranhandschriften). In 4QDibHama 1-2, IV,12 wird der śṭn im Zusammenhang mit der Völkerwallfahrt zum Zion genannt. 11QPsaPlea 15 bittet Gott um Schutz vor einem „unreinen Geist“, der parallel zu „einem Satan“ steht. Dagegen ist die Gestalt des → Belial / Beliar („Nichtsnutziger“), wie der „Engel der Finsternis“ (TestLev 19,1) auch in der zwischentestamentlichen Literatur bezeichnet wird (vgl. TestJos 7,4; TestLev 18,12; TestJud 25,3), ähnlich wie Asael (→ Asasel) erheblich prominenter. Er verkörpert im Dualismus von Gut und Böse die böse Realität (1QS 1,18.23; 2,5.19; 1QH 2,16; 4,13; 1QM 4,2; 14,9).

3.2. Apokryphen und zwischentestamentliche Literatur

In Weish 2,24 wird der Diabolos als neidisch und als Ursache des Todes in der Welt beschrieben. Im → Buch der Jubiläen bitten die Dämonen unter der Führung Satans, der hier Mastema („Anfeindung“) heißt, Gott darum, dass ein Zehntel der bösen Geister auch nach der Flut weiterhin die Menschen verführen und dem Satan auf Erden dienen dürfen (Gen 9,28 / Jub 10,8-12). Noah erhält das Wissen, von den Dämonen zu heilen. Mastema erfüllt im Jubiläenbuch eine ähnliche Entlastungsfunktion für den auch hier durchaus ambivalent geschilderten Gott JHWH wie der Satan im Buch Hiob: So ist es der Fürst Mastema, der → Abraham dazu verführt, seinen Sohn → Isaak zu opfern (Gen 22,1 / Jub 17,16-18). Als Abrahams Gehorsam seine Gottesfurcht unter Beweis stellt, hält Gott ihn von seinem Vorhaben ab (Gen 22 / Jub 18). Mastema greift → Mose in der Wüste an (Ex 4,24 / Jub 48,2f.). Er hilft einerseits den ägyptischen Magiern bei ihren Zaubereien (Jub 48,9) und stiftet die Ägypter an, die Israeliten zu verfolgen. Andererseits steht er unter der Macht JHWHs, der ihn binden kann, damit er „die Kinder Israels nicht anklage“ (Jub 48,15-18), und für den er die Erstgeburt der Ägypter tötet (Ex 12,21-23 / Jub 49,2).

3.3. Talmud

Der Palästinische Talmud geht mit der Gestalt des Satans deutlich zurückhaltender um als der Babylonische Talmud (→ Talmud). Hier wird er auch unter seinen Synonymen Mastema (s.o. 3.2.), → Belial oder Samael genannt. Der Midrasch Genesis Rabbah 19 beschreibt den Engel Samael als Obersten der Satane und mächtigen Prinz der Engel im Himmel. Er wurde von einer Frau geboren (Midrasch Jalkut, Genesis 1:23), d.h. er hat keine ewige Existenz. Als Geist kann er fliegen und hat keine eindeutige Gestalt (Genesis Rabbah 19). Er kann z.B. als Frau (Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin 81a; Text Talmud), als Vogel (ebenda 107a) oder Hirsch (ebenda 95a) erscheinen oder er hüpft wie ein Ziegenbock (ebenda 112b). Durch das Schofarblasen am Neujahrstag → Rosch ha-Schana wird der Satan verwirrt (Babylonischer Talmud, Traktat Rosch ha-Schana 16b). An allen 364 Tagen des Sonnenjahres (der Zahlenwert von השׂטן hśṭn „der Satan“ ist 364) muss der Satan die Menschen verklagen, am 365. Tag, → Jom Kippur, aber hat er keine Macht, weil es der Versöhnungstag ist, an dem alle Sünden vergeben werden (Babylonischer Talmud, Traktat Joma 20a).

3.4. Christentum

Satan 02

Im Neuen Testament erscheint der Satan u.a. in der Geschichte der Versuchung Jesu, in der er als eigenständige widergöttliche Macht agiert (Mt 4 par., vgl. 1Kor 7,5; 2Kor 11,14; 1Tim 5,15).

Er gilt als Oberster der Dämonen (Mt 12,26), kann Menschen befallen und binden (Lk 13,16) oder Judas zu seinem Verrat verführen (Lk 22,3). Petrus wird von Jesus als „Satan“ bezeichnet, weil er in menschlichen und nicht in göttlichen Kategorien denkt (Mt 16,23). Am Ende der Zeit wird der Satan (vorgestellt als Schlange oder Drache) losgelassen und darf sein Zerstörungswerk in Angriff nehmen (Apk 20,2.7).

Satan 03

Als oberster Widersacher Gottes erhält der Teufel / Satan in der christlichen Kunst und Literatur eine reiche ikonographische und legendarische Ausgestaltung. Er wird traditionell als männliches Wesen mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuß dargestellt und kann wie die Hexen auf einem Besen oder auf Fabeltieren reiten. Als seine Großmutter wird u.a. → Lilit angesehen, das Urbild der sexuell nicht zu bändigenden (vgl. Goethe, Faust I 4119-4123) und ihre eigenen Kinder tötenden Frau.

Satan 04

Das Spottlied über den König von Babel in Jes 14,12-15 (vgl. Ez 28,14-15) wird in Verbindung mit Lk 10,18, 2Kor 11,14 und Apk 12,9 zur Entstehungslegende der in der Bibel nicht belegten Teufelsgestalt Luzifer („Lichtträger“): Nach einem Kampf fällt der Engel Luzifer vom Himmel herab und wird zum Herrscher in der Hölle.

satan 05

Als Herr der Dämonen, die als Incubi (männliche Teufel, die sich der Frauen sexuell bemächtigen) und Succubi (weibliche Teufel, die sich dem Hexenmeister sexuell nähern) fungieren, stellt der Teufel vor allem Frauen nach. Der „Hexenhammer“ (1486) bietet für den Vorwurf der Buhlschaft mit dem Teufel wohl den eindrücklichsten Beleg.

Die Filme „Rosemaries Baby“ (1968) von Roman Polański oder „Im Auftrag des Teufels“ (1997) von Taylor Hackford verarbeiten das Thema der das Kind des Teufels austragenden Frau in moderner Form.

3.5. Islam

Auf Arabisch heißt der Teufel Iblīs (vgl. griech. διάβολος diabolos; wird auch mit „der Enttäuschte“ übersetzt) oder Šaiṭān (dt. Satan; wird mit „er war entfernt“ übersetzt). Als ursprünglich frommer Ǧinn (Geist) hat er hohe Privilegien. Der Legende nach bewacht er – noch unter seinem ersten Namen Azazīl (→ Asasel) – die Paradiestore. Als er sich weigert, sich vor dem Menschen zu verneigen (Sure 18,49; Text Koran), weil dieser nur aus Ton geschaffen ist, während er selbst aus Feuer erschaffen wurde (Sure 38,73), wird er von Allah verflucht. Allerdings bekommt er bis zum Tag der Auferstehung die Frist, Menschen verführen zu dürfen, wenn sie ihm freiwillig folgen (Sure 38,74-82). So wird Iblīs zum Obersten der Satane, also ein böser Ǧinn. Er lebt an unreinen Orten wie Ruinen und Grabstätten, ernährt sich von unreinen Speisen (Götzenopferfleisch und Wein) und frönt verbotenen Lastern (Musik, Tanz, Poesie). Als Eier legender Zwitter pflanzt er sich ohne Partnerin fort. Aufgrund des islamischen Bilderverbots wurde im Islam keine spezielle Satan-Ikonographie entwickelt, sondern er kann – wie auch nach den Midraschim (s.o. 3.3.) – vielfältige Formen annehmen, was ihn schwierig zu erkennen und umso gefährlicher macht.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff
  • Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
  • Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976 (Taschenbuchausgabe, Rom u.a. 1994)
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, München / Zürich 1978-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Encyclopedia of the Early Church, Cambridge 1992
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
  • Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. Aufl., Leiden 1999
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Lexikon der Islamischen Welt, 2. Aufl., Stuttgart / Berlin / Köln 1992

2. Weitere Literatur

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  • Brock-Utne, Albert, 1935, „Der Feind“. Die alttestamentliche Satansgestalt im Lichte der sozialen Verhältnisse des nahen Orients, Klio 28, 219-227
  • Delkurt, Holger, 2000, Sacharjas Nachtgesichte. Zur Aufnahme und Abwandlung prophetischer Traditionen (BZAW 302), Berlin / New York
  • Duhm, Hans, 1904, Die bösen Geister im Alten Testament, Tübingen / Leipzig
  • Fabry, Heinz-Josef, 2003, „Satan“ – Begriff und Wirklichkeit. Untersuchungen zur Dämonologie der alttestamentlichen Weisheitsliteratur, in: Lange, Armin / Lichtenberger, Hermann / Römheld, K.F. Diethard (Hgg.), Die Dämonen. Die Dämonologie der israelitisch-jüdischen und frühchristlichen Literatur im Kontext ihrer Umwelt – Demons. The demonology of Israelite-Jewish and early Christian literature in context of their environment, Tübingen, 269-291
  • Fohrer, Georg, 1963, Das Buch Hiob (KAT 16), Gütersloh
  • Frey-Anthes, Henrike, 2007, Unheilsmächte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzgänger. Vorstellungen von „Dämonen“ im alten Israel (OBO 227), Göttingen / Freiburg (Schweiz)
  • Görg, Manfred, 1996, Der „Satan“ – der „Vollstrecker“ Gottes?, BN 82, 9-12
  • Horst, Friedrich, 1969 (2. Aufl.), Hiob. Band 1: Hiob 1-19 (BK.AT 16/1), Neukirchen-Vluyn
  • Japhet, Sara, 2002, 1 Chronik, Freiburg i.B. / Basel / Wien
  • Jirku, Anton, 1912, Die Dämonen und ihre Abwehr im Alten Testament, Leipzig
  • Kaupel, Heinrich, 1930, Die Dämonen im Alten Testament, Augsburg
  • Köhlmoos, Melanie, 1999, Das Auge Gottes. Textstrategie im Hiobbuch (FAT 25), Tübingen
  • Meyers Carol L. / Meyers, Eric M., 1987, Haggai / Zechariah 1-8 (AncB 25b), Garden City / New York
  • Nielsen, Kirsten, 1998, Satan – the Prodigal Son? A Family Problem in the Bible (BiSe 50), Sheffield
  • Nielsen, Kirsten, 1992, Whatever Became of You, Satan? A Literary-Critical Analysis of the Rôle of Satan in the Book of Job, in: Schunck, Klaus-Dietrich (Hg.), Goldene Äpfel in silbernen Schalen (Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums 20 = Collected Communications to the XIIIth Congress of the International Organization for the Study of the Old Testament 13), Frankfurt am Main u.a., 129-134
  • Pola, Thomas, 2003, Das Priestertum bei Sacharja. Historische und traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur frühnachexilischen Herrschererwartung (FAT 35), Tübingen
  • Roskoff, Gustav, 1869 (Nachdr. 1987), Geschichte des Teufels. Eine kulturhistorische Satanologie von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert, Nördlingen
  • Spieckermann, Hermann, 1982, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit (FRLANT 129), Göttingen

Abbildungsverzeichnis

  • Satan vor dem Herrn (Corrado Giaquinto; um 1750).
  • Drei Versuchungen Christi (Detail; Sandro Boticelli; 1481-1482).
  • Hölle (Hans Memling; ca. 1485).
  • Der Höllensturz: Erzengel Michael im Kampf mit Luzifer (Apk 12; Hans Leu d. Ä.; um 1500).
  • Die Verdammten (Detail; Luca Signorelli; 1499-1502).

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