Deutsche Bibelgesellschaft

Bibelwort-Kartei

(erstellt: Februar 2019)

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1. Bibelwort-Karteien in Theorie und Praxis

1.1. Grundlagen von Bibelwort-Karteien

Den Kern einer Bibelwort-Kartei bilden elementare Sätze der Bibel. Auf Karten werden biblische Verse abgebildet, die losgelöst von ihrem Kontext stehen. Hier werden also keine erzählenden Verse gewählt, sondern intentionale Sätze, z.B.: „Dann siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sich nicht mehr zu Herzen nehmen wird“, Jes 65,17 oder „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen, und ich gehe jetzt hin, um dort einen Platz für euch bereitzumachen“, Joh 14,2f. (Hoffmann, 2018). Diese Sätze haben den Anspruch, wesentliche lebens- und glaubensrelevante Aussagen zu enthalten und dass ihre Wahrheiten (→ Wahrheit) auch ohne Deutung, Erklärung oder Auslegung zu verstehen sind. Über die Sätze findet eine direkte Konfrontation von Bibelworten und Rezipientinnen und Rezipienten statt, indem die Lebenserfahrungen der Rezipientinnen und Rezipienten mit den Grunderfahrungen der → Bibel unmittelbar in Verbindung gebracht werden. Wenn diese biblischen Sätze in einer größeren und strukturierten Sammlung zusammengefasst sind, kann von einer Kartei gesprochen werden. Die Bibelwort-Karteien haben unterschiedliche Einsatzorte: Neben dem Religionsunterricht können sie ihren Ort in der Gemeindearbeit finden oder aber in der persönlichen Meditation.

Der Einsatz von Bibelwort-Karteien im religionspädagogischen Kontext hat folgende Ziele.

  • Formaler Zielhorizont: Die Bibelwort-Karten wollen zum Nachdenken über die Bibel, die biblische Tradition und zu Fragen zum Erfahrungsraum der Bibel und die Suche nach dem Sinn der biblischen Aussagen damals, heute und im eigenen Leben anregen. Mit den Bibelwort-Karten können also Prozesse des Theologisierens (→ Kindertheologie; → Jugendtheologie) angestoßen werden. Darüber hinaus werden durch die religionspädagogische Arbeit mit den Karteien die zentralen Worte der Bibel, die zum Glaubensgut des Christentums gehören, vor dem Vergessen bewahrt (Orth, 2013).
  • Inhaltlicher Zielhorizont: Im Allgemeinen können die Bibelwort-Karten eine „lebendige Begegnung, eine neue Sicht auf die Bibel und auf unser Leben“ (Oberthür, 2013, 491) bieten. Für die unterschiedlichen Bibelwort-Karteien können hier thematisch noch einmal spezifischere Zielhorizonte formuliert werden. Eine Bibelwort-Kartei zu den Spruchweisheiten kann „eine Ahnung davon vermitteln, wie ein ‚rechtes‘ und ‚gelingendes‘ Leben gestaltet (vgl. Spr 13,14a;15,24) (…) werden kann“ (Orth, 2013, 420). Dagegen wird eine Bibelwort-Kartei zu Tod und Jenseits Hoffnungen und Vorstellungen zum Ausdruck bringen, wie sie in der Bibel vertreten werden (Hoffmann, 2018, M2).

1.2. Beispiele für Bibelwort-Karteien

Aktuell sind zwei Kategorien von Bibelwort-Karteien zu unterscheiden. Die erste Kategorie ist für den didaktischen Kontext geschaffen. Die Arbeitsmaterialien wurden also für konkrete religionsunterrichtliche oder katechetische Situationen entwickelt und anschließend über Veröffentlichungen zur Verfügung gestellt.

  • Die Psalmwort-Kartei von Rainer Oberthür

Nach verschiedenen Erfahrungen im Grundschulunterricht wurde die Psalmwort-Kartei von Rainer Oberthür veröffentlicht. Diese enthält Karten mit ausgewählten Psalmen. Auf jeder Karte ist zusätzlich eine schwarz/weiß-Fotografie eines Kindes mit unterschiedlicher Gestik und Mimik passend zu den verschiedenen Gefühlslagen abgebildet. Die Karten sind in sieben Kategorien untergliedert. Jeder Kategorie ist eine Farbe zugeordnet, die die Grundfarbe der Karte darstellt. Die entsprechenden Kartensets sind mit einer unterschiedlichen Menge an Karten bestückt: traurig und allein sein (grün, 13 Karten), Angst haben und erschrocken sein (oliv, 13 Karten), Schmerzen haben und totsein wollen (rot, 9 Karten), mutlos sein und sich nichts zutrauen (braun, 9 Karten), wütend sein und sich beklagen (blau, 16 Karten), zufrieden sein und sich anvertrauen (gelb, 36 Karten), sich freuen und glücklich sein (orange, 24 Karten). Darüber hinaus gehört zu dieser Bibelwort-Kartei eine Reihe von Zusatzmaterial wie Kopiervorlagen oder Leervorlagen für Schülerbilder für den didaktischen Einsatz im Unterricht.

Die Psalmwort-Kartei deckt ein breites Spektrum menschlicher Erfahrungen ab. Durch die bewusste Zuordnung der Psalmen zu den elementaren Themenbereichen lässt sich die Auswahl nachvollziehen. Durch das zusätzliche Material für den Unterricht ist die Psalmwort-Kartei gut einsetzbar. Die Farbauswahl der Karten scheint dagegen bestimmte Stimmungen und Bewertungen nahezulegen, wenn z.B. traurig mit grün, wütend mit blau oder Zufriedenheit mit gelb unterlegt werden. Das Anliegen, die Karten ansprechend zu gestalten, ist einsichtig. Allerdings lässt sich hier fragen, ob die Farbauswahl die Deutungen manipuliert und ein neutrales Weiß oder eine andere Einheitsfarbe mehr Offenheit böten. Die Fotografien entspringen ihrer Zeit (erschienen 1995), entsprechend jedoch nicht mehr den Sehwelten und -gewohnheiten der heutigen Kinder und Jugendlichen und wirken daher fremd. Fraglich ist ebenfalls, wie stark die Fotos das Denken der Schülerinnen und Schüler lenken und die Offenheit der Assoziationen einschränkt.

  • Die Bibelwort-Kartei zur Spruchweisheit von Peter Orth

Ein Team um Peter Orth veröffentlichte 2013 über die katechetischen Blätter die Download-Vorlage für eine Bibelwort-Kartei zu den Weisheitssprüchen. Insgesamt 40 Wortkarten enthalten Verse aus den Spruchweisheiten. Die Autorinnen und Autoren haben sich dabei an der Einheitsübersetzung von 1970 orientiert. An einigen Stellen wurden sie sprachlich jedoch stark umformuliert, um eine kindgemäße Sprache bieten zu können. Die kurzen Texte sollen sich dem Sprachgebrauch und -empfinden der Kinder anpassen, so dass auf kurze Sätze und keine komplizierten grammatikalischen Konstruktionen geachtet wurde. Die Kartei ist für Schülerinnen und Schüler im dritten bis sechsten Schuljahr gedacht. Die Auswahl der Sprüche erfolgt über die zentralen Erfahrungsfelder von Kindern: Gerechtigkeit, Schuld, Leistung, Ich und die anderen, Gut und Böse sowie die Zukunft.

Leider ist diese Bibelwort-Kartei nicht ohne weiteren Aufwand einsehbar, da der Download von der Gestaltung und Funktion der Homepage abhängt. Darüber hinaus allerdings ist der Vorteil der Druckvorlage, dass hier noch Individualisierungen vorgenommen werden können oder gewisse Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltungen noch offen sind. Die sprachlichen Veränderungen der biblischen Worte sind im Einzelnen zu beurteilen. Hinsichtlich der Zielgruppe ist es sinnvoll, hier Vereinfachungen vorzunehmen. Dabei ist jedoch einerseits darauf zu achten, dass diese sprachlichen Vereinfachungen keine inhaltlichen Verfälschungen nach sich ziehen. Andererseits müssen diese sprachlichen Vereinfachungen nicht für alle Altersstufen gleich gelten. Im Rahmen der fünften und sechsten Jahrgangsstufe kann sicherlich mit dem sprachlichen Niveau der Einheitsübersetzung umgegangen werden.

  • Die Bibelwort-Kartei zu Tod und Jenseits von Christina Hoffmann

Das Heft 29 im 1. Quartal 2018 der Lehrerzeitschrift ‚Religion 5 bis 10‘ in Friedrich-Verlag widmet sich dem Thema ‚Was kommt nach dem Tod?‘ Zu dem Unterrichtsentwurf von Christina Hoffmann mit dem Titel „Ich glaub‘, ich bin im Himmel“ gehört eine Bibelwort-Kartei, die von der Autorin extra für die Unterrichtseinheit zusammengestellt wurde. Zentral in der Mitte der Karte steht jeweils der Bibelvers und in der rechten oberen Ecke ist die Quelle abgesetzt vom Text verzeichnet. Die Verse entstammen unterschiedlichen biblischen Büchern: den Palmen, dem Buch Jesaja, den Evangelien, der Briefliteratur und der Offenbarung. Sie sind gezielt danach ausgewählt, Aussagen zu Hoffnungen und Vorstellungen über das Leben, den Tod und das Jenseits zu treffen. Unterstützend können Bildkarten hinzugezogen werden, die jedoch in keiner Zuordnung zu den Bibelversen stehen.

Die Kopiervorlagen sind über das Materialheft gut zugänglich. Die Karten der Bibelwort-Kartei sind einfach gehalten und stellen die Sprachgestalt des Satzes in den Vordergrund. Das Hinzunehmen der Bildkarten ist ausschließlich optional. Die Bibelwort-Kartei vertraut auf die Aussagekraft und Offenheit der biblischen Worte. Mit 20 Karten ist die Kartei jedoch relativ klein. Darüber hinaus setzen die Karten auf verschiedenen Ebenen an: einige enthalten tröstende Worte (z.B. „Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an“ Psalm 73,24), andere beschreiben konkrete Vorstellungen von einem Jenseits (z.B. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen und ich gehen jetzt hin, um dort einen Platz für euch bereitzumachen“ Joh 14,2f.), wieder andere wählen Verse zur Auferstehung („Du sagt zum Menschen: ‚Werde wieder Staub!‘ So bringst du ihn dorthin zurück, woher er gekommen ist“ Psalm 90,3f.). Die Ungenauigkeiten in der Auswahl könnten die Nutzung für einen differenzierenden Unterricht kompliziert machen.

Eine zweite Kategorie von Bibelwort-Karteien ist eher für den Rahmen von persönlicher Mediation ohne didaktischen Auftrag gedacht. In den sogenannten „Gute-Worte-Boxen“ wurden zum Beispiel durch den Kawohl-Verlag Bibelworte zu unterschiedlichen Themen zusammengestellt. Jede Box enthält 62 Karten. Der Verlag beschreibt die Karten als „Los-Kärtchen“: „Dann ist es ein besonderes Erlebnis, ein Kärtchen aus dieser hübschen Box ziehen zu dürfen“ (Ausschreibung des Verlags). Die Karten sind also darauf angelegt, dass der Mensch sie individuell zieht und den Vers für sich meditiert oder bewahrt. Die Karten sind jeweils zweigeteilt. Zum einen wird ein biblischer Vers abgedruckt. Zum anderen wird daneben ein Bild gezeigt. Die Farbbilder sind Fotografien mit unterschiedlichen Motiven. Neben Naturaufnahmen werden Gegenstände oder Menschen dargestellt. Es gibt Gute-Worte-Boxen zum Segen, mit „himmlischen Zusagen“ und „Verheißungsworten“, aber auch mit „Jesus-Zitaten“ oder „Sprüchen Salomons“. Die Karten sind professionell gemacht und haben entsprechend gute Qualität. Die 62 Karten werden in einer Kunststoff-Klappbox aufbewahrt, die die Karten schützen kann und den Transport praktikabel macht. Die Rolle der Farbbilder ist jedoch unklar. Es bleibt offen, ob diese eine eigene Deutung des Verses anbieten möchten oder der subjektiven Inspiration dienen. Die Passung von Bild zu Vers ist nicht immer nachvollziehbar.

1.3. Entwicklung von Bibelwort-Karteien

Die Entstehung solcher Bibelwort-Karteien hängt in gewissem Maß von Einsatzort und formalem Ziel ab. Stehen die Auseinandersetzung und die Prozesse des Theologisierens in einem didaktischen Setting im Vordergrund, können zwei Wege sinnvoll sein. Einerseits können die Bibelwort-Karteien von den Lehrenden oder Religionspädagoginnen und Religionspädagogen mit Blick auf das Thema und die Zielgruppe individuell zusammengestellt werden. Andererseits können die Bibelwort-Karteien mit den Zielgruppen gemeinsamen entwickelt oder vorhandene Bibelwort-Karteien ergänzt werden. Die beiden Entwicklungsperspektiven gehen also zum einen vom Entwickler aus und zum anderen von der Zielgruppe. Wenn das Nachdenken und Reflektieren über die Aussagen zum Beispiel in der persönlichen Meditation im Fokus steht, brauchen die Rezipientinnen und Rezipienten fertige Bibelwort-Karteien.

Für die eigene Entwicklung einer Bibelwort-Kartei für den Unterricht oder andere religionspädagogische Settings lässt sich die Zielgruppe sehr viel intensiver beachten als das bei fertig produzierten Karteien möglich ist. D.h. auch, dass die Bibelworte auf der Ebene von inhaltlicher und sprachlicher Komplexität angepasst werden können. Für die inhaltliche Auswahl schlägt Rainer Oberthür vor, sich in diesem Prozess an Leitfragen aus zwei Perspektiven zu orientieren:

  • „Zu welchen Sätzen finde ich selbst aus eigener Erfahrung Zugang? Welche Sätze berühren Grunderfahrungen und Fragen meines Lebens, so dass sie mich zur Auseinandersetzung herausfordern, mich provozieren oder mir einfach gut tun?
  • Welche Sätze berühren Erfahrungen und Fragen, die bereits Kindern vertraut sind? Bei welchen Sätzen können sie sich angesprochen fühlen, da sie die umschriebene Erfahrung aus eigener Perspektive kennen?“ (Oberthür, 2013, 492).

Auch für diese Fragen lassen sich Bibelworte auf unterschiedlichen Niveaus finden. Nicht zuletzt ist dies auch die Frage nach der verwendeten Bibelausgabe. Neben der Einheitsübersetzung bietet es sich an, für die unterschiedlichen Altersgruppen → Kinder- und Jugendbibeln zu nutzen. Dabei ist jedoch zu beachten, was Ziel des Lernsettings ist. Wenn es um die inhaltliche Reflexion und das theologische Gespräch geht, kann es helfen, einen niedrigen sprachlichen Einstieg zu wählen. Soll jedoch auch eine sprachliche Förderung gelingen, ist bei den Bibelworten auch auf eine ausreichende Komplexität in Satzbau und Wortwahl zu achten.

1.4. Alternativen: Inspirationskarten oder Materialkarteien

Neben den Bibelwort-Karteien haben sich Karteien mit Inspirations- oder Materialkarten entwickelt. Mit diesen Karteien lässt sich grundsätzlich so arbeiten, wie mit den Bibelwort-Karteien. Allerdings sind die Sprüche auf den Karten nicht zwingend und ausschließlich biblische Worte. So gestaltete Rainer Oberthür zu den Bildern von Michèle Lemieux Buch „Gewitternacht“ eine solche Kartei. Jede Karte hat eine Vorder- und eine Rückseite. Auf der Vorderseite sind die Bilder des Buches abgebildet, aber auf Rückseite eine der existentiellen Fragen aus dem Buch (Wer bin ich? Wer hat sich eigentlich das Aussehen des allerersten Menschen ausgedacht? Passt eigentlich da oben jemand auf mich auf?). Die beiden Seiten sind unabhängig voneinander gestaltet, so dass diese auch unabhängig einsetzbar sind. Der Bezug zur christlichen Tradition kann hergestellt werden. Er ist in den Bildern und Fragen aber nicht genuin angelegt.

Ähnliches gilt für die Inspirationskarten des Don Bosco-Verlags für Jugendliche ab 14 Jahren. Die Karten bilden Fotos ab, zum Teil von Menschen, zum Teil von Natur oder Gegenständen. Auf der Rückseite ist das Foto noch einmal klein zu sehen. Dazu gehört jeweils eine Aussage und eine Frage, wie zum Beispiel „Freundschaftsanfrage versendet. Sind soziale Netzwerke wie facebook hilfreich, um Freunde zu finden?“ Thema einer solchen Box ist zum Beispiel „Was (mich) trägt“ oder „Familie, Liebe Freundschaft“ oder auch „Sich vertrauen, Gott vertrauen“ und „advent und adventure“. Die Boxen mit Inspirationskarten sind für Schule und Jugendarbeit gedacht.

2. Zum Umgang mit der Bibel in Bibelwort-Karteien

Die Bibel wird von den Karteien als Erfahrungsschatz aufgenommen. Ein Buch, das von den Grunderfahrungen der Menschen in einer anderen Zeit erzählt, wie sie heute noch aktuell sind. Die Bibel kann dadurch unmittelbar zeitübergreifend mit Bezug zum eigenen Leben verstanden werden. Dabei werden die biblischen Erfahrungen verdichtet. Das Wesentliche zeigt sich im Exemplarischen. Die biblischen Gehalte werden aber weder verkürzt oder reduziert noch werden die Aussagen verfälscht. Die Rezipientinnen und Rezipienten nehmen die Sätze der Karten zwar themenoffen an, doch ist ihnen bewusst, dass diese aus dem Kontext Bibel und Gottesglaube stammen. Es ist also eine bewusste Entscheidung, mit den Bibelworten zu arbeiten und nicht mit einer kulturellen Sammlung von Sprichwörtern. Ausgangspunkt ist die Erfahrung der Menschen mit Gott. Diese muss aber nicht zwingend auch Zielpunkt der Überlegungen sein, wenn die Rezipientinnen und Rezipienten über ihr Leben und die Bedeutung des Satzes in ihrem Leben nachdenken.

Einige Anfragen lassen sich jedoch an die Bibelwort-Karteien richten: Die Bibelwort-Karteien selbst stellen eine Auswahl von biblischen Aussagen zu einem Thema oder einer Kategorie dar. Die Psalmwort-Kartei oder die Kartei der Weisheitssprüche gibt ihren Ursprung sehr leicht zu erkennen. Thematische Zuspitzungen zu Tod und Auferstehung, Segen oder Verheißung bedienen sich dagegen der ganzen Bibel. Es stellt sich dabei nun die Frage nach der Auswahl: Einerseits wird oft nicht transparent, nach welchen Kriterien die Bibelworte ausgewählt werden. Die „Gute-Worte-Boxen“ enthalten jeweils 62 biblische Zitate. Warum es gerade diese Verse in die Boxen geschafft haben, wird nicht erläutert. Dies ist vielleicht in dem Rahmen, in den die Boxen gestellt werden, auch nicht notwendig: „In jeder Situation unseres Lebens finden wir darin Rat, Trost und Hilfe. Ganz persönlich für uns und diesen Augenblick scheint mancher Vers auf uns zu warten. ... Dann ist es ein ganz besonderes Erlebnis, ein Kärtchen aus dieser hübschen Box ziehen zu dürfen, das uns mit seiner Zusage vielleicht noch lange begleitet“ (Ausschreibungstext). Rainer Oberthür stellt dagegen elementare Kategorien auf, denen er die Psalmworte zuordnet. Auch Peter Orth ordnet die Sprichwörter zentralen Erfahrungsfeldern zu. Um die Psalmwort-Karteien oder die Wortkartei der Sprichwörter im Rahmen von didaktischen Settings zu nutzen, ist dies notwendig.

Andererseits ist eine Auswahl immer auch schon Einschränkung und eine Vorenthaltung gewisser Verse. Den Rezipientinnen und Rezipienten wird nicht die ganze Fülle der Psalmen geboten oder anhand einer Konkordanz alle biblischen Verse zum Segen präsentiert, sondern eine für sinnvoll erachtete Auswahl. Natürlich lässt sich einwenden, dass die Komplexität der Bibel für solche Settings handhabbar gemacht werden muss. Oberthür weist aber gerade den Entwicklerinnen und Entwicklern mit ihrer jeweils spezifischen Perspektive eine besondere Rolle zu. Dadurch kann die Auswahl der Verse allerdings sehr subjektiv werden. Auch wenn die Perspektive der Zielgruppe eingenommen werden soll, bleibt diese immer fiktiv und im Modus der eventuellen Passung. Problematisch ist außerdem, das bestimmte Themen ausgeklammert werden und die Bibel somit als „Selbstbedienung zum Wohlfühlen“ missverstanden werden kann. Gerade, wenn negative Gotteserfahrungen geringe Beachtung finden, wird das Bild der Bibel und damit des Christentums manipuliert. „Würden etwa die biblischen Traditionen, die von der menschlichen Sünde handeln, verdrängt, weil das Nachdenken über Sünde obsolet erscheint, würde eine wesentliche Dimension des christlichen Glaubens ausgeklammert“ (Pemsel-Maier, 2013, 94).

Auf den Bibelwort-Karten werden einzelne Psalmverse, Sprüche oder thematische Verse dargestellt und zum Teil mit bildlichen Darstellungen unterstützt. Den Versen wird die Kraft zugeschrieben, die Wahrheiten einer Heiligen Schrift im Exemplarischen vermitteln und transportieren zu können. Die Verse treten also isoliert von ihrem direkten literarischen Kontext sowie vom innerbiblischen Kontext auf. Dadurch lässt sich der Eindruck gewinnen, dass beides keine Rolle für das Verständnis des Verses bildet. Aus der christlichen Textauslegung lassen sich hier einige Anfragen formulieren. Jeder Vers ist Teil einer literarischen Komposition, jeder Text der Bibel und damit auch jeder Vers steht im Zusammenhang des ganzen Kanons und erhält durch verschiedene intertextuelle Bezüge seine Bedeutung – können die Verse losgelöst von dieser ihre volle Wirkung entfalten? (Vette, 2007). Wie hoch ist das Eigenrecht des Textes gegenüber der persönlichen Aneignung? Die biblischen Texte und Verse sind in geschichtlichen Kontexten entstanden und historisch gewachsen – sind diese Verse außerhalb der historischen Dimension in Gänze verstehbar?

All diese Anfragen sollen nicht davon abhalten, die Bibelwort-Karteien in den unterschiedlichen religionspädagogischen Settings einzusetzen, sondern davor warnen, dies unüberlegt und didaktisch unreflektiert zu tun, da sie gewisse Entscheidungen treffen, die man sich mit ihrem Einsatz „mit einkauft“.

3. Umgangsmöglichkeiten mit einer Bibelwort-Kartei

3.1. Reflexiver Umgang mit der Bibelwort-Kartei

Die Autorinnen und Autoren der Bibelwort-Karteien schlagen unterschiedliche methodische Einsatzmöglichkeiten vor. Rainer Oberthür beginnt die Arbeit mit den Psalmworten mit einer Einführungsphase, in der exemplarische Sätze fokussiert werden. An diesen wird geübt, sich in die Sätze zu vertiefen und zu imaginieren, wie sich der Sprecher gefühlt haben mag. Danach setzt Oberthür auf Bildgestaltungen zum Psalmwort oder auf Methoden des kreativen Schreibens (→ kreatives Schreiben). Ähnlich geht auch Hoffmann vor, die ihre Bibelwort-Kartei für eine klare Aufgabe entwickelt hat: „Lest euch die Bibelverse auf den Karteikarten abwechselnd vor. Welche Hoffnungen und Vorstellungen drücken diese Worte deiner Meinung nach aus? Welche Gefühle verbindest du mit diesen Worten? Tausche dich mit deinem Partner/deiner Partnerin zu diesen Fragen aus. Wähle einen Vers und male dazu ein für dich passendes Symbol oder Bild. Schreibe deine Gedanken dazu – in Sätzen oder in Stichworten – auf“ (M2). Peter Orth bezieht die Herkunft der Sprüche stärker mit ein und beginnt mit einer Erkundung des Begriffs und Wortfeldes „Weisheit“. Danach folgt auch bei ihm die individuelle Auswahl eines Weisheitsspruchs, um sich dann individuell mit diesem auseinanderzusetzen. Vorschläge sind hier: In Schönschrift in das Heft übertragen oder das Sprichwort in einer Spirale schreiben, ausschneiden und in den Klassenraum hängen oder kreativer Umgang durch Gestaltung von Grußkarten. Eher außergewöhnlich ist der Vorschlag, durch den Raum zugehen und sich die Bibelverse immer wieder vorzusprechen und so über diese zu meditieren. Abschließend sieht Orth im Besonderen die Möglichkeit, die biblischen Sprichwörter mit alltäglichen Sprichwörtern zu vergleichen und auf der Basis eigene Sprichwörter zu verfassen. Inwieweit dann noch der Rahmen der jüdischen Weisheit und der Gotteserfahrung eine Rolle spielt, bleibt offen. Orth sagt bei der letzten Aufgabe explizit, dass diese komplex ist. Jedoch ist dies eine Einschätzung, die grundsätzlich für viele Aufgaben im Umgang mit den Bibelwort-Karteien gilt. Die Reflexions- und Entwicklungsprozesse sind sehr wort- und kognitionslastig, so dass hier einige Milieus oder Förderbedarfe außen vor bleiben.

3.2. Sprachbildung mit der Bibelwort-Kartei

Das Ziel solcher Wortkarteien im Sprachenlernen ist das Wiederholen und Üben oder Einprägen der Worte. Die Kartei wird angelegt, um Vokabeln oder Satzteile zu sammeln und nachschlagen zu können. Die Bibelwort-Karteien können auch im religionspädagogischen Kontext als Instrumente des Scarfoldings eingesetzt werden. Kinder und Jugendliche brauchen sprachliche Beispiele gerade für theologische Themen, die ihnen in ihrer Lebenswelt nicht unmittelbar begegnen und über die sie in ihren primären Sozialisationsinstanzen nicht mehr sprechen. Die Denkwelt von Kindern und Jugendlichen ist eng verbunden und geprägt von ihrer Sprachwelt. Der Umgang mit der Bibelwort-Kartei weitet dementsprechend nicht nur den reinen Wortschatz. Durch die Bibelworte erhalten die Kinder und Jugendliche neue Vorstellungen, neue kognitive Repräsentationsmöglichkeiten für religiöse Themen wie das ewiges Leben oder ein gutes Leben im Sinne der jüdischen Weisheit (Kohlmeyer, 2016). Die Bibelwort-Kartei kann also grundsätzlich auch im Rahmen der Sprachbildung im Religionsunterricht eingesetzt werden.

Literaturverzeichnis

  • Gute-Wort-Box, unterschiedliche Themen, Kawohl-Verlag.
  • Hoffmann, Christina, Ich glaub‘, ich bin im Himmel, in: Religion 5 bis 10, Themen – Unterrichtsideen – Materialien 29 (2018), 8-11; sowie Materialheft 3-6 und Materialpaket.
  • Inspirationskarten zu unterschiedlichen Themen im Don Bosco-Verlag.
  • Kohlmeyer, Theresa, Vielfältigkeit denken. Wie Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht argumentieren lernen, Religionspädagogik innovativ 15, Stuttgart 2016.
  • Oberthür, Rainer, Bibelwort-Karten, in: Zimmermann, Mirjam/Zimmermann, Ruben (Hg.), Handbuch Bibeldidaktik, Tübingen 2013, 490-496.
  • Oberthür, Rainer/Mayer, Alois, Gewitternacht-Kartei. Bilder und Fragen zum Nachdenken und Staunen über Gott und die Welt, Heinsberg, 1995a.
  • Oberthür, Rainer/Mayer, Alois, Psalmwortkartei. In Bildworten der Bibel sich selbst entdecken, Aachen 1995b.
  • Orth, Peter, Eine Wortkartei zu Spruchweisheiten der Bibel, in: Katechetische Blätter 138 (2013), 418-423.
  • Pemsel-Maier, Sabine, Der Kanon im Kanon, in: Zimmermann, Mirjam/Zimmermann, Ruben (Hg.), Handbuch Bibeldidaktik, Tübingen 2013, 91-99.
  • Vette, Joachim, Art. Bibelauslegung, christlich, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2007 (Zugriffsdatum 24.07.2018).

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