Deutsche Bibelgesellschaft

Edom / Edomiter

(erstellt: April 2019)

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1. Name

Der semitische Name „Edom“ (hebr. אֱדוֹם ʼädôm) bedeutet „rot“ und geht vermutlich auf den markanten roten Sandstein auf dem Gebiet Edoms zurück.

2. Gebiet

Edom 1
Edom liegt im Süden der Levante. Die Nordgrenze Edoms bildet das Wādī l-Ḥesā / Sered am südlichen Ende des Toten Meeres. Nach Süden reichte das Gebiet Edoms wohl bis zum Golf von Aqaba. Unklar und in der Forschung umstritten ist die West-Ost-Ausdehnung Edoms bzw. der Edomiter. Traditionell wird das edomitische Kernland auf transjordanischem Gebiet, auf dem Hochplateau östlich des Wādī l-ʻAraba, verortet. Seit einiger Zeit mehren sich aber die Indizien, dass das Gebiet Edoms schon immer auch bis in den Bereich westlich des Wādī l-ʻAraba und so in den südlichen → Negev hineinreichte. Es könnte sogar sein, dass die ursprünglichen Siedlungsgebiete der Edomiter und damit die Anfänge Edoms überhaupt nur hier im südlichen Negev lagen und das Gebiet Edoms bzw. der Edomiter dann erst später weiter nach Osten, auf das edomitische Hochplateau, ausgedehnt wurde (s.u. 3.).

3. Die Entstehung Edoms / der Edomiter

Die Entstehung Edoms bzw. das Aufkommen der Edomiter liegt weitgehend im Dunkeln. Die älteste Erwähnung des Namens „Edom“ findet sich in dem aus dem 13. Jh. v. Chr. stammenden ägyptischen Papyrus Anastasi VI,54-56 (Weippert 2010, Nr. 67). Der Text gibt den Bericht eines Grenzpostens wieder, der die Ankunft von → Schasu-Nomaden aus Edom vermeldet, die wohl angesichts einer Hungersnot nach Ägypten kamen. Andere Texte aus dieser Zeit erwähnen Schasu-Nomaden, die mit der auf dem (später) edomitischen Gebiet gelegenen Region → Seir in Verbindung gebracht werden (Weippert 2010, Nr. 75.83). Am Beginn der Geschichte Edoms bzw. der Edomiter stehen also nicht-sesshafte, nomadische Gruppen.

Umstritten ist, wie erwähnt, wo das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Edomiter zu suchen ist. Das östlich des Wādī l-ʻAraba gelegene edomitische Hochplateau weist für die Spätbronze- und die frühe Eisenzeit, also das späte 2. und das frühe 1. Jt., kaum Besiedlungsspuren auf (Bartlett 1989, 67-82; Bienkowski 1995). Allenfalls am Nordrand dieses schwer zu bewirtschaftenden Gebiets finden sich Hinweise auf kleinere Siedlungen.

Edom 2
Anders sieht es hingegen im südlichen Negev aus. In dieser Region, etwa im Wādī Fēnān oder in el-Meneʻīje / Timna wurden zahlreiche Anlagen gefunden, in denen in der Spätbronze- und der frühen Eisenzeit Kupfer abgebaut wurde (Ben-Yosef u.a. 2010; Ben-Yosef u.a. 2012). Die Anlagen standen überwiegend unter ägyptischer Kontrolle. Unter und mit den Ägyptern arbeiteten hier aber lokale Gruppen. Und genau hier scheinen die Anfänge Edoms bzw. der Edomiter zu liegen. Mit Edom bezeichnen die frühen außerbiblischen und biblischen Texte wohl das Gebiet des südlichen Negev und die hier lebende nicht-sesshafte Bevölkerung, die insbesondere mit dem Kupferabbau in diesem Gebiet betraut war (vgl. Naʼaman 2015, 203; Finkelstein; gegen Levy u.a. 2004).

4. Edom in vorexilischer Zeit

Nach Darstellung des Alten Testaments wurde Edom bereits in der frühen Königszeit, und somit am Beginn des 1. Jt.s, von Israel / Juda unterworfen und in das Reich einverleibt, zu dem es dann über 200 Jahre lang gehörte. So hat nach 2Sam 8,13f bereits im 10. Jh. v. Chr. → David Edom eingenommen und in das von ihm aufgerichtete Großreich integriert. Nach 1Kön 9,26-28 hat → Salomo am Hafen → Ezjon-Geber bei Elat am Golf von Aqaba eine Schiffsflotte gebaut und von dort aus Handel betrieben. Nach 1Kön 22,48 war zur Zeit des → Joschafat von Juda (868-847) kein König in Edom, sondern es regierte hier ein (judäischer) Statthalter. Dabei wird auch von Joschafat erwähnt, dass er so Zugriff auf den Hafen am Golf von Aqaba hatte. In 2Kön 8,20-22 steht sodann, dass die Edomiter gegen → Joram von Juda (847-845) revoltierten und sich von der judäischen Vorherrschaft lösten. Nach 2Kön 14,7 ist es aber → Amazja von Juda (802-773) gelungen, die Edomiter erneut zu unterwerfen, woraufhin nach 2Kön 14,22 sein Sohn Asarja (773-736) wieder den Hafen von Elat ausbaute. Nach 2Kön 16,6 haben die Judäer aber zur Zeit des Königs Ahas (736-725), und somit in der zweiten Hälfte des 8. Jh.s, endgültig den Zugriff auf Elat, ja, überhaupt auf das Gebiet der Edomiter verloren.

Die so skizzierte Darstellung in den Geschichtsbüchern des Alten Testaments mag im Einzelnen unzutreffend sein. In der neueren Forschung gilt etwa die Vorstellung eines unter David aufgerichteten, nicht nur Edom, sondern alle Nachbarstaaten umfassenden Großreichs als ausgesprochen unwahrscheinlich. Die biblische Darstellung zeigt aber immerhin, dass die Judäer, insbesondere im 9. und 8. Jh., ein starkes Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Vorherrschaft über die benachbarten Edomiter hatten.

Beachtenswert ist dabei, dass die biblische Darstellung in den Samuel- und Königsbüchern das Gebiet von Edom nicht auf dem edomitischen Hochplateau verortet (Naʼaman 2015, 200). Vielmehr ist hier stets das Gebiet des südlichen Negev, insbesondere die Region um den Golf von Aqaba im Blick, was einmal mehr zeigt, dass noch im frühen 1. Jt. eben hier das eigentliche Gebiet der Edomiter lag.

Hintergrund des in den → Königsbüchern erkennbaren Anspruchs der Judäer auf dieses Gebiet der Edomiter dürfte sein, dass sie Kontrolle über den Kupferabbau im südlichen Negev sowie über die hier verlaufenden Handelsrouten des arabischen Fernhandels und dabei insbesondere auch über den Hafen von Elat erhalten wollten. Der judäische Wille zur Vorherrschaft über Edom war also von dezidiert wirtschaftlichen Interessen geleitet.

Der so für das 9. und 8. Jh. erkennbare Vormachtsanspruch der Judäer über das Gebiet der Edomiter im südlichen Negev kann sodann auch gut als Hintergrund für die ältere Jakob-Esau-Erzählung in Gen 25-27* angesehen werden (vgl. hierzu Wöhrle 2018). Diese Erzählung, in der die Geburt von → Jakob und → Esau (Gen 25,21-26), Esaus Verkauf des Erstgeburtsrechts (Gen 25,27-34) und schließlich Jakobs Betrug um den Erstgeburtssegen (Gen 27,1-40) dargestellt werden, begründet auf mehrfache Weise die Vorrangstellung Jakobs über Esau und so von den beiden Ahnherren her die Vorrangstellung des eigenen, von Jakob herkommenden Volkes über das von Esau herkommende benachbarte Volk der Edomiter. Die Jakob-Esau-Erzählung bietet, etwa mit dem Geburtsorakel in Gen 25,23, geradezu eine theologische Legitimation der politischen und wirtschaftlichen Unterwerfung der Edomiter. Und genau dies passt gut in die Zeit der (versuchten oder verwirklichten) Vorherrschaft Judas über Edom im 9. und 8. Jh.

Eine neue Situation ergab sich mit dem Auftreten der → Assyrer, die seit Ende des 9. Jh. sukzessive ein den gesamten Vorderen Orient umfassendes Großreich aufbauten und dabei auch in den östlichen Mittelmeerraum vordrangen. Auf einer Stele Tiglat-Pilesers III. (745-727) wird Edom unter dessen König Qausmalak als tributpflichtiger Vasall der Assyrer vorgestellt (Weippert 2010, Nr. 140). Spätestens jetzt war Edom Teil des assyrischen Großreichs.

Edom 3
Mit der assyrischen Vorherrschaft änderte sich aber nicht nur die politische Situation in Edom. In diese Zeit – und wohl bedingt durch die assyrische Vorherrschaft – fällt auch die Ausdehnung des edomitischen Territoriums nach Osten, auf das Gebiet des edomitischen Hochplateaus jenseits des Wādī l-ʻAraba (vgl. Bienkowski 1995). Dort entstehen nun neue Orte und Städte in zuvor nicht besiedelten Gebieten, darunter Umm el-Bijāra, Ṭawīlān oder die edomitische Residenzstadt Buṣērā / Bozra (Koordinaten: 2077.0170; N 30° 44' 45'', E 35° 36' 14''; → Bozra; vgl. Jes 34,6; Jes 63,1; Jer 49,13.22; Am 1,12). Hintergrund der edomitischen Expansion nach Osten und des Aufbaus neuer Städte dürfte sein, dass die Edomiter unter den Assyrern mit der Sicherung der Grenze des Reiches und so des auf ihrem Territorium verlaufenden Fernhandels gegenüber den in den umliegenden Gebieten ansässigen arabischen Stämmen betraut wurden (Tebes 2014, 14-19; Frevel, 353-355).

In dieser Situation dürfte sich Edom dann wohl überhaupt erst zu einem staatlichen Gebilde entwickelt haben (Frevel, 333). Denn erst jetzt, in den assyrischen Inschriften, sind namentlich Könige von Edom belegt. Erst jetzt finden sich auf edomitischem Gebiet repräsentative Bauten und militärische Einrichtungen.

Die Edomiter waren wohl überaus treue Vasallen der Assyrer. In den Inschriften der Assyrer werden mehrfach Tributzahlungen der Edomiter erwähnt (Weippert 2010, Nr. 161.181). Assyrische Strafmaßnahmen gegen die Edomiter, wie sie etwa 722 das Nordreich Israel oder 701 mit der Belagerung Jerusalems auch das Südreich Juda trafen, sind dagegen nicht belegt.

Ein solch neutrales politisches Verhalten verfolgten die Edomiter auch, als das assyrische Reich untergegangen war und Edom Vasall der → Babylonier wurde. Anders als die Judäer beteiligten sich die Edomiter nicht an den zahlreichen Aufstandsversuchen im Westen des Reiches. Nur an einer Stelle zeigt sich ein Abweichen von dieser Politik. Nach Jer 27,3 waren Abgesandte der Edomiter in Jerusalem, um zusammen mit Vertretern aus Juda, → Ammon, → Moab, → Sidon und → Tyros eine anti-babylonische Koalition aufzurichten. Zu einem tatsächlichen Aufstandsversuch hat dies aber nicht geführt.

Umstritten ist, ob sich die Edomiter umgekehrt an militärischen Aktionen der Babylonier gegen abtrünnige Vasallen und so insbesondere gegen die Judäer beteiligten. So wird häufig angenommen, dass in 2Kön 24,2 der masoretische Text mit der syrischen Lesart von „Aram“ (ארם) zu „Edom“ (אדם) zu konjizieren ist. An dieser Stelle wäre dann eine in den ersten Jahren der Regierungszeit → Jojakims, also im ausgehenden 7. Jh., durchgeführte, gegen die Judäer gerichtete Strafaktion belegt, an der sich neben den Babyloniern auch Ammon, Moab und Edom beteiligt hätten. Gegen eine solche Konjektur spricht allerdings Jer 35,11, wo gerade ein gemeinsames militärisches Vorgehen der Babylonier und der Aramäer belegt ist. Der somit als ursprünglich anzusehende masoretische Text von 2Kön 24,2 zeigt dann gerade, dass sich die Edomiter – anders als die anderen Nachbarstaaten – nicht an babylonischen Aktionen gegen die Judäer beteiligten. Die Edomiter mussten den Judäern daher zeitweise geradezu als die einzigen loyalen Nachbarn und so als die einzigen potentiellen Verbündeten erscheinen.

Vor diesem Hintergrund könnten dann gut die um Gen 32f erweiterten Jakob-Esau-Erzählungen erklärt werden (vgl. Wöhrle 2018). Anders als in den älteren Jakob-Esau-Erzählungen wird hier nun die – gerade gegen die älteren Verheißungen – vorgenommene Unterordnung Jakobs unter seinen Bruder Esau dargestellt, was schließlich zur Versöhnung der beiden Brüder führt. Eine solch Esau-freundliche Neuauflage der Jakob-Esau-Erzählungen passt recht gut zur Situation in spätvorexilischer Zeit, als unter den Nachbarvölkern eben nur die Edomiter nicht gegen Juda vorgingen und die Judäer so an einem engen, versöhnten Verhältnis mit diesem Volk interessiert gewesen sein dürften (vgl. Dtn 23,8).

5. Edom und der Untergang Judas

In der alttestamentlichen Forschung wird immer wieder die These vertreten, dass die Edomiter an den Geschehnissen um den Untergang Judas, also an der babylonischen Strafaktion von 587/86, die in der Einnahme und Zerstörung Jerusalems sowie der → Exilierung von Teilen des Volkes ihren Höhepunkt fand, aktiv beteiligt waren (→ Zerstörung Jerusalems, 2.5. zur Rolle Edoms). Anlass dieser These ist, dass sich in exilisch-nachexilischen Texten des Alten Testaments gleich mehrere Worte finden, die sich kritisch zu dem Verhalten der Edomiter rund um die babylonischen Strafmaßnahmen äußern, ja, teils sogar von rüden Rachewünschen gegen die Edomiter bestimmt sind (vgl. bes. Ez 25,12-14; Ez 35,1-15; Ps 137,7; Klgl 4,21f).

Beachtenswert ist aber, dass in den Edom-kritischen Texten aus exilisch-nachexilischer Zeit an keiner Stelle explizit von einer edomitischen Beteiligung an den militärischen Aktionen der Babylonier die Rede ist. Die Edomiter werden in diesen Texten vielmehr zweier Verfehlungen beschuldigt: Zum einen wird ihnen vorgeworfen, dass sie bei der Einnahme Jerusalems durch die Babylonier nicht eingegriffen haben, sondern sich sogar am Schicksal Jerusalems erfreut haben (Ez 35,5.15; Ps 137,7; Klgl 4,21). Nicht eine aktive Beteiligung, sondern gerade das passive Zulassen der babylonischen Übergriffe wird hier also angeprangert – was vor dem Hintergrund der zuvor genannten, in spätvorexilischer Zeit aufgekommenen Hoffnungen und Erwartungen auf politische Annäherung an die Edomiter gut erklärlich wäre.

Zum anderen wird den Edomitern in den genannten Texten vorgeworfen, dass sie in vormals judäische Gebiete im Süden eingedrungen sind und diese für sich eingenommen haben (Ez 35,10-12; Ez 36,5). Den Edomitern wird also vorgehalten, dass sie den Untergang Judas für sich ausgenutzt haben. Ein aktives, gar militärisches Vorgehen gegen die Judäer schließt aber auch dies nicht ein.

Hintergrund des zuletzt genannten Vorwurfs ist, dass bereits seit der späten vorexilischen Zeit tatsächlich vermehrt edomitische Bevölkerungsgruppen im Süden Judas, insbesondere im nördlichen Negev, ansässig wurden. In der älteren Forschung wurde dies im Anschluss an Jer 13,19 gerne so erklärt, dass die Babylonier bereits im Rahmen der Strafaktion von 597 das Südland von Juda abgetrennt haben. Die so freigewordenen Gebiete wären dann von den Edomitern in Besitz genommen worden. Diese Sicht ist aber wohl vereinfachend (Lipschits, 140-146). So zeigen schriftliche und archäologische Quellen, dass ab der späten vorexilischen Zeit – in einem längeren Prozess – edomitische und arabische Gruppen in den Süden Judas eindrangen und sich dort ansiedelten. Die Arad-Ostraka 24 und 40 (Weippert 2010, Nr. 198.199; zur Datierung des Arad-Ostrakon 40 vgl. Naʼaman 2002), aber auch die Befunde in Ḥorvat ʻUza oder Ḥorvat Qitmit (Beit-Arieh 1989) zeigen bereits für das späte 7. Jh. die Präsenz von Edomitern im Süden Judas. Im Laufe der babylonischen und persischen Zeit stellen edomitische und arabische Gruppen, wie insbesondere das Onomastikon der aus dieser Zeit stammenden Ostraka zeigt, dann den überwiegenden Teil der hier lebenden Bevölkerung.

Bedeutend ist aber, dass sich im Negev in babylonischer und persischer Zeit auch weiterhin, wenngleich in geringerer Zahl, Judäer aufhalten. Dies zeigt wiederum das Onomastikon der hier gefundenen Ostraka. Dies zeigt sodann aber auch die in Neh 11,25-30 belegte Liste, in der Orte jenseits des Gebiets der Provinz Jehud aufgezählt werden, an denen Judäer wohnen.

Im Süden Judas ist somit ab der späten Königszeit ein prozesshaft verlaufener Wandel der hier ansässigen Bevölkerung zu beobachten. Der Anteil an edomitischen und arabischen Gruppen in dieser Region nimmt immer mehr zu. Der Anteil an Judäern geht mehr und mehr zurück. Grund für diese Veränderung der im Südland ansässigen Bevölkerungsgruppen dürfte zunächst sein, dass nach Ende der staatlichen Existenz Judas die südlichen Grenzen nicht mehr ausreichend gesichert werden konnten und eben deshalb fremde Bevölkerungselemente und so auch die Edomiter in diese Gebiete eindrangen – eine Entwicklung, die in frühpersischer Zeit wohl noch zunahm (s.u. 6.).

In späten Texten des Alten Testaments wird den Edomitern also vorgeworfen, dass sie den Judäern bei der Einnahme Jerusalems nicht beigestanden haben, und es wird ihnen vorgeworfen, dass sie Gebiete im Südland in Besitz genommen haben. Eine aktive Beteiligung der Edomiter an der Eroberung Jerusalems ist im Gros der Texte dagegen nicht erkennbar.

Eine Ausnahme stellt allerdings das → Obadjabuch dar. In Ob 13f werden die Edomiter tatsächlich beschuldigt, dass sie in das Tor des Volkes eingedrungen sind, sich den Entronnenen in den Weg gestellt und diese ausgeliefert haben. Zu beachten ist aber, dass ein solch aktives Vorgehen der Edomiter eben nur hier im Alten Testament belegt ist. Beachtenswert ist zudem, dass im Obadjabuch die Babylonier mit keinem Wort erwähnt werden. Das Obadjabuch scheint also, anders als zumeist angenommen, nicht die Eroberung Jerusalems durch die Babylonier im Blick zu haben. Es stammt vermutlich aus wesentlich späterer Zeit und ist wohl an einer anderen militärischen Kampagne gegen Jerusalem orientiert (vgl. hierzu Wöhrle 2008, 212-218).

Die Edomiter haben sich also vermutlich nicht aktiv an der Eroberung Jerusalems von 587 beteiligt. Der in späten Texten des Alten Testaments erkennbare Edomiter-Hass geht vielmehr auf deren passive Rolle in diesem Geschehen sowie auf Gebietsübernahmen im Südland Judas zurück.

6. Edom in babylonisch-persischer Zeit

In älteren Ansätzen wurde häufig angenommen, dass die Geschichte Edoms in babylonisch-persischer Zeit ihr Ende gefunden hat. So wird zum einen darauf verwiesen, dass der babylonische König → Nabonid (556-539 v. Chr.) auf seinem Arabienfeldzug im Jahr 553 auch gegen Edom vorgegangen ist und die Residenzstadt → Bozra eingenommen und zerstört hat (Weippert 2010, Nr. 268). Zum anderen wird das Ende Edoms gerne mit nach Westen dringenden Araberstämmen in Verbindung gebracht, die nach und nach das edomitische Territorium für sich eingenommen haben sollen.

Beachtenswert ist aber, dass Edom schon innerbiblisch noch in fortgeschrittener persischer Zeit als durchaus vorhandene und aktive Größe vorausgesetzt wird. So wird in Mal 1,2-5 zwar erwähnt, dass Edom eine herbe Niederlage erlitten hat, was durchaus auf die zuvor genannten Geschehnisse im 6. und 5. Jh. zurückzuführen sein dürfte. In Mal 1,4 ist aber auch davon die Rede, dass Edom das Zerstörte wieder aufbauen will.

Es sollte also nicht von einem im 6.-5. Jh. geschehenen Untergang Edoms gesprochen werden. In dieser Zeit geschah vielmehr erneut eine Verschiebung der von den Edomitern bewohnten Gebiete. Die seit assyrischer Zeit von den Edomitern besiedelten transjordanischen Gebiete werden, insbesondere im Gefolge hier eindringender arabischer Bevölkerungsgruppen, nach und nach verlassen. Spätestens zu Beginn der hellenistischen Zeit sind in diesen Gebieten die Nabatäer die bestimmende Volksgruppe (Bartlett 1999).

Wie bereits erwähnt, siedeln sich aber seit der späten vorexilischen Zeit im Süden der vormals zu Juda gehörenden Gebiete edomitische Bevölkerungselemente an. Dieser Prozess beschleunigte sich wohl bereits durch den Untergang Judas. Und dieser Prozess erhielt dann vermutlich weiteren Antrieb in der frühen persischen Zeit. Denn wie neue Untersuchungen anhand von Pollenanalysen zeigen konnten, war die südliche Levante am Übergang vom 6. zum 5. Jh. – etwa in den Jahren von 520 bis 450 – von einer langanhaltenden Dürreperiode betroffen (Langgut / Lipschits). Die Auswirkungen dieser Dürreperiode trafen gerade die südlichen Gebiete Judas schwer, da in dieser Übergangszone zwischen den regenreicheren Gebieten im Bergland sowie den zum Meer hin gelegenen Ebenen im Norden und der Wüste im Süden schon kleinere Rückgänge in den Niederschlagsmengen ein ertragreiches agrarisches Handeln in Frage stellten. Eine langanhaltende Dürreperiode dürfte deshalb dazu geführt haben, dass diese Gebiete von den angestammten Judäern aufgegeben wurden und diese sich in ertragreichere Regionen im Norden zurückzogen. Und eben dieser Rückzug der angestammten Bevölkerung dürfte dann dazu geführt haben, dass andere Bevölkerungsgruppen, insbesondere die Edomiter, in diese Region kamen und sich hier niederließen.

In babylonisch-persischer Zeit verschieben sich die Siedlungsgebiete der Edomiter also wieder nach Westen. Sie geben nach und nach die transjordanischen Gebiete auf und lassen sich insbesondere in vormals judäischen Gebieten im Negev nieder. Eben dort entsteht dann in fortgeschrittener persischer Zeit eine neue Provinz mit dem – sicherlich von Edom abgeleiteten – Namen Idumäa, mit der die Geschichte Edoms ihre Fortsetzung erhielt.

7. Die Religion der Edomiter

Über die Religion der Edomiter ist nur wenig bekannt. Von großer Bedeutung, auch und vor allem für die Religionsgeschichte des Alten Israel, ist allerdings, dass sich in ägyptischen Inschriften, so insbesondere in der aus dem 13. Jh. stammenden Inschrift aus Amara-West (Weippert 2010, Nr. 75), die Formulierung „Schasu-Land Jahu“ findet. Es sind hier also Schasu-Nomaden belegt, die mit dem Gott Jahu – also mit Jhwh, dem Gott des späteren Volkes Israel – in Verbindung gebracht werden. Bedeutend ist sodann, dass sich in der Inschrift aus Amara-West im unmittelbaren Kontext die Formulierung „Schasu-Land Seir“ findet. Dies könnte darauf hindeuten, dass die zuvor genannten Jhwh-verehrenden Schasu-Nomaden in der Region von Seir, also in den (späteren) Siedlungsgebieten der Edomiter ansässig waren. Der Gott Jhwh wäre somit ursprünglich in eben dieser Region beheimatet gewesen und erst später von dort her – auf welchem Weg und unter welchen Umständen auch immer – zum Gott des Volkes Israel geworden (siehe hierzu v.a. Leuenberger; vgl. aber auch die kritischen Überlegungen bei Pfeiffer). Ob und inwiefern die ursprünglich ja vor allem im südlichen Negev ansässigen Edomiter mit dem Gott Jhwh in Verbindung standen, ist allerdings völlig unklar.

Unter diesen scheint nämlich, wie insbesondere das Onomastikon zeigt, vor allem der Gott Qaus verehrt worden zu sein. So findet sich in etlichen edomitischen Personennamen das theophore Element „Qaus“, und zwar über die Zeiten hinweg. So ist der Gott Qaus schon in Personennamen auf ägyptischen Listen aus dem 13. Jh. und dann bis in nachexilische Zeit belegt (Knauf). Da insbesondere auch edomitische Könige Qaus-haltige Namen trugen, ist anzunehmen, dass es sich bei Qaus um den Nationalgott der Edomiter handelt. Konkreteres über die Herkunft und die Verehrung dieses Gottes ist allerdings nicht bekannt.

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • Karte zum Gebiet Edoms. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Das Gebiet um Timna. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2015
  • Umm el-Bijāra im Gebiet von Petra. © public domain; Foto: Klaus Koenen, 1996

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