Deutsche Bibelgesellschaft

Abigajil

Andere Schreibweise: Abigail; Abigal

(erstellt: März 2008)

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1. Name

Der Name Abigajil (hebräisch אֲבִיגַיִל ’ǎvigajil; griechisch Ἀβιγαια Abigaia) setzt sich zusammen aus אָב ’āv „Vater“ und der Wurzel גיל gjl „jubeln / frohlocken“. Er kann deshalb übersetzt werden „mein Vater jubelt“. Der Name kommt ein Mal in verschriebener Form vor (Ketiv אֲבִוגַיִל in 1Sam 25,18) und drei Mal in der Form Abigal (אֲבִיגַל in 1Sam 25,32; 2Sam 3,3 Ketiv; 2Sam 17,25).

2. Abigajil im Alten Testament

Abigajil wird in 1Sam 25,3 eingeführt als die Frau → Nabals, eines reichen Bauern, der in → Maon wohnt, aber in → Karmel, einem Ort südlich von → Hebron, also im Süden Israels / Palästinas, Herden besitzt. Sie ist die Hauptfigur der Erzählung vom Konflikt zwischen Nabal und → David. In der Folge wird Abigajil mehrmals als Davids Frau erwähnt, und zwar meist in der Formulierung: „Abigajil, die Frau Nabals, aus Karmel“ (1Sam 27,3; 1Sam 30,5; 2Sam 2,2; 2Sam 3,3), und nur noch als „Abigajil, aus Karmel“ in 1Chr 3,1.

Eine Abigal, Tochter Nahaschs, Schwester Zerujas, der Mutter → Joabs, wird in 2Sam 17,25 als Mutter → Amasas genannt und eine Schwester Davids mit Namen Abigajil in 1Chr 2,16f ebenfalls als Mutter Amasas erwähnt.

3. Abigajil in der Erzählung 1Sam 25

Abigajil steht im Zentrum der Erzählung zwischen ihrem Mann Nabal und David. Ihr Reden und Handeln charakterisieren sie als Prophetin und als weise Frau im Gegenüber zu David. Durch die Darstellung Abigajils sowohl in diesen Rollen als auch im Hinblick auf ihre Ehe mit David wird deutlich, dass sich das erzählte Geschehen nicht in politische und private Aspekte aufteilen lässt. 1Sam 25 gehört zu den Erzählungen vom Aufstieg Davids (1Sam 16 - 2Sam 5) (→ Aufstiegserzählung). Zum erzählten Zeitpunkt führt David, auf der Flucht vor Saul, eine Gruppe von Menschen an, die finanziell und sozial am Rande der Gesellschaft stehen (1Sam 22,2).

3.1. Aufbau der Erzählung

1Sam 25 beginnt mit der Nachricht vom Tod → Samuels und stellt damit voran, dass David nun zum ersten Mal ohne den Propheten, der ihn gefördert und beraten hat, zurechtkommen muss.

Gleich zu Beginn der Erzählung werden Nabal und seine Frau Abigajil als Kontrastfiguren vorgestellt. Nabal ist zwar „sehr reich“, aber „hart und bösartig in seinen Taten“, eben ein „Nabal“, übersetzt „Narr“ oder „Dummkopf“, noch dazu ein Kalebiter, eine Volksbezeichnung, die vom Klang her an כֶּלֶב kælæv „Hund“ – ein Schimpfwort –, erinnert. Seine Frau Abigajil dagegen ist „von klarem Verstand und schönem Aussehen“ (1Sam 25,3). David wird weniger eindeutig gezeigt. Von Nabal verlangt er dafür, dass er dessen Leuten während der Weidezeit Schutz und Sicherheit bietet, einen Anteil vom Festessen nach der Schafschur. Die Bitte, ausgerichtet durch Davids Leute, ist höflich, begleitet von Friedens- und Segenswünschen, aber die Formulierung lässt offen, ob es sich um eine Bezahlung für eine Dienstleistung oder schlicht um Erpressung handelt. Nabal versteht die Forderung in letzterem Sinne und lehnt empört ab. David wie auch Abigajil erfahren jeweils durch ihre Knechte von Nabals Verhalten. David macht sich daraufhin mit 400 bewaffneten Männern auf den Weg und schwört blutige Rache an Nabals ganzem Haushalt. Abigajil bekommt von ihrem Knecht einen Bericht über David und seine Leute, der Davids Forderungen rechtfertigt. Sie bricht ebenfalls auf, mit großzügigen Geschenken für David und seine Leute.

Als sie und David sich treffen, wendet Abigajil das Schicksal durch ihr Verhalten und ihre Rede: Sie begegnet David mit größter Höflichkeit – ein Verhalten, das nicht als Unterwürfigkeit missverstanden werden darf. Sie nimmt die Schuld für das Geschehene auf sich und betont noch einmal selbst den Kontrast zwischen ihrem Mann, dem Nabal, dem „Dummkopf“, und sich selbst. Schließlich drängt sie David, Nabal und seinen ganzen Haushalt nicht umzubringen, damit er nicht Blutschuld auf sich lade. Sie übergibt ihre Geschenke und fährt fort mit einer prophetischen Rede über Davids Zukunft. David nimmt ihre Gaben und ihre Entschuldigung an. Durch ihre Rede ist er von seinem Racheschwur entbunden. Dankbar segnet er Gott, segnet Abigajil und ihre Klugheit (1Sam 25,32-33; s.u. im Exkurs). Erst jetzt erzählt Abigajil Nabal von der Sache, worauf sein Herz in ihm erstirbt. Er ist wie versteinert und bald darauf tot. Sobald David das hört, wird Abigajil, von David gefragt, dessen Frau. Die Erzählung endet mit der Notiz, dass David auch Ahinoam aus Jesreel heiratete, dass aber → Michal, Davids erste Frau, von ihrem Vater Saul an einen anderen Mann, → Palti, gegeben wurde.

3.2. Abigajil, die Prophetin

Abigajil hat in 1Sam 25 David gegenüber die Rolle der Prophetin / des Propheten, der seit Samuels Tod fehlt (1Sam 25,1; Fischer, 56). Ihre Rede ist als prophetische erkennbar, es ist Gottes Verheißung, die sie hier verkündet (1Sam 25,28-31).

Abigajil spricht von David als נָגִיד nāgîd „Fürst“ (1Sam 25,30), d.h. als einem, den Gott vor sein (d.h. Gottes) Volk und auch vor sich gestellt hat (van Wolde, 374). Sie spricht die Dynastieverheißung an David zum ersten Mal aus (1Sam 25,28), noch vor Natan (dieser in 2Sam 7,11.16), und kündigt an, dass David die Kriege JHWHs führen wird (1Sam 25,28). Damit diese Bestimmung Davids sich erfüllen kann, muss unbedingt verhindert werden, dass David Blutschuld auf sich lädt. Dazu ist Abigajil mit ihrer prophetischen Rede gesandt (1Sam 25,26.30f.39).

Frettlöh betont darüber hinaus die zentrale Rolle, die der Segen (1Sam 25,27, oft als „Segensgeschenk“ übersetzt) in dieser Erzählung hat, so dass sie „die Gestalt der Abigajil als prophetische Mitarbeiterin des segnenden Gottes“ sieht (Frettlöh, 348). Diese Mitarbeit Abigajils besteht darin, dass sie mit ihrem Handeln die Tora auslegt: Indem sie die Lebensmittel, die sie David und seinen Leuten von ihrem Reichtum bringt, als Segen bzw. Segensgeschenk bezeichnet, „zeigt sich ihre Einsicht in die Sozialverpflichtung des Eigentums“ (Frettlöh, 352). Den engen Zusammenhang, der in den Sozialgesetzen des → Deuteronomiums zwischen sozialem, solidarischen Handeln, Segen und erfolg- und ertragreichem Tun hergestellt wird (z.B. Dtn 14,29; Dtn 24,19), legt sie aus, indem sie von ihrem Reichtum, d.h. dem Ertrag erfolgreichen Tuns, an David und seine Leute abgibt, die als Flüchtige und Marginalisierte die Möglichkeit zu solchem Tun nicht haben. – Die Wendung, dass David Gott, Abigajil und ihre Klugheit „segnet“ (1Sam 25,32-33; hebr. ברך brk), ist eine Formulierung, die im Hebräischen ab und zu vorkommt, im Deutschen aber meist mit „preisen“ oder „loben“ übersetzt wird. Auch daran wird deutlich, dass Segen hier als etwas verstanden wird, das unter Menschen und zwischen Gott und Menschen hin- und hergeht.

3.3. Abigajil, die weise Frau

Abigajil ist in 1Sam 25 als weise Frau dargestellt, mit „klarem Verstand“ (1Sam 25,3) und diplomatischem Geschick, die durch ihr kluges Eingreifen Gewalt verhindert. In all dem entspricht sie dem weisheitlichen Modell der „fähigen Frau“ (Spr 31,10-31; Fischer, 53; vgl. andere weise Frauen in den Samuelbüchern: die Frau aus → Tekoa 2Sam 14,1-24; die Frau aus Abel-Bet-Maacha 2Sam 20,14-22). Auch der Kontrast von Abigajils Klugheit zu Nabals Torheit findet sich ähnlich in weisheitlichen Texten (vgl. Spr 15,1f).

Abigajils Einsatz für eine gewaltlose Lösung des Konflikts wird im unmittelbaren literarischen Kontext hervorgehoben. So wird ihr Einsatz, mit dem sie Blutvergießen verhindert, zwischen den beiden „Verschonungserzählungen“ berichtet, in denen David ebenfalls Gewalt hätte anwenden können und darauf verzichtet (1Sam 24 und 1Sam 26; Berlin, 77). Eingebettet in diese beiden Episoden von Davids Konflikt mit Saul kann auch der Konflikt zwischen David und Nabal in 1Sam 25 durchscheinend auf das Verhältnis von David und Saul gelesen werden (Gunn, 96-102, entfaltet bei van Wolde 363ff). Abigajils Eingreifen und ihre Rede sind damit auch als eine Stellungnahme für Gewaltverzicht in diesem politischen Konflikt zu sehen (siehe v.a. 1Sam 25,26.29).

3.4. Abigajil, die Frau Davids

Anders als von vielen Kommentatoren vorausgesetzt, ist 1Sam 25 keine private Romanze mit politischem Beiwerk (so z.B. Levenson), auch keine romantische Ausschmückung der politischen Karriere Davids (s. Kritik bei Fischer, 60f). Politisches und Privates sind in der Figur Abigajils untrennbar verbunden (anders Berlin, 79). In ihrer prophetischen Rede setzt Abigajil sich selbst zu David in Beziehung und erreicht, dass er sie preist und begehrt (1Sam 25,32-34.39f); zugleich lässt sie durch ihre Rede David – und damit auch die Leserinnen und Leser – Entscheidendes darüber wissen, was JHWH mit David vorhat. Durch ihr weises Eingreifen verhindert sie, dass David ihren Haushalt, ihre Familie und vermutlich auch sie selbst umbringt, und erreicht zugleich, dass David sich nicht durch ein Massaker als zukünftiger gottgewollter König disqualifiziert. Für Abigajil, die Davids weiteren Weg schon prophezeit hat, bedeutet die Ehe mit David einen Aufstieg in der Zukunft. Diese Deutung der Ehe als Verbesserung für Abigajil wird durch die negative Darstellung ihres ersten Ehemanns Nabal unterstrichen. Doch zuerst stellt die Ehe mit Abigajil, der Witwe eines vermögenden Mannes, für David als herumstreifenden Bandenführer eine deutliche Verbesserung seiner Position in dieser Gegend des Landes dar. Sie ist möglicherweise ein weiterer Schritt zu seiner Königsherrschaft in Hebron über Juda (Willi-Plein, 355).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

2. Weitere Literatur

  • Bechmann, U., 2001, Abigail. Prophetin – Weise Frau – Politikerin, Stuttgart
  • Berlin, A., 1982, Characterization in Biblical Narrative: David's Wives, JSOT 23, 69-85
  • Emmerich, K., 2007, Machtverhältnisse in einer Dreiecksbeziehung. Die Erzählung von Abigajil, Nabal und David in 1 Sam 25 (ATSAT 84), St. Ottilien
  • Fischer, I., 2003, Abigajil: Weisheit und Prophetie in einer Person vereint, in: Fischer, I. / Rapp, U. / Schiller, J. (Hgg.): Auf den Spuren der schriftgelehrten Weisen (FS J. Marböck; BZAW 331), Berlin / New York, 45-61
  • Frettlöh, M. L., 2003, Der Segen Abigajils und die unmögliche Möglichkeit der Rache Davids. Eine segens- und toratheologische Lektüre von 1 Sam 25, in: Hardmeier, C. / Kessler, R. / Ruwe, A. (Hgg.), Freiheit und Recht (FS F. Crüsemann), Gütersloh, 339-359
  • Levenson, J. D., 1978, I Samuel 25 as Literature and History, CBQ 40, 11-28
  • Peetz, M., 2008, Abigajil, die Prophetin: Mit Klugheit und Schönheit für Gewaltverzicht. Eine exegetische Untersuchung zu 1Sam 25 (fzb 116), Würzburg
  • Willi-Plein, I., 1995, Frauen um David: Beobachtungen zur Davidhausgeschichte, in: Weippert, M. / Timm, S. (Hgg.), Meilenstein (FS H.Donner; ÄAT 30), Wiesbaden, 349-361
  • Wolde, E. van, 2002, A Leader Led by a Lady. David and Abigail in I Samuel 25, ZAW 114, 355-375

Abbildungsverzeichnis

  • Abigajil vor David (Chronik des Rudolf von Ems; 13. Jh.).
  • Abigajil vor David (Juan Antonio de Frías y Escalante; ca. 1630-1670).

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