Drachme
Andere Schreibweise: drachma / drachm (engl.)
(erstellt: Januar 2017)
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1. Drachme – Etymologie und Bedeutungen: Gewicht und Nominal
Das griechische Substantiv δραχμή (drachmḗ / „Drachme“) bezeichnet ein Münznominal sowie eine Gewichtseinheit. Das Substantiv leitet sich vom Verb δράττεσθαι (dráttesthai / „fassen, begreifen, halten“) ab. Im Hintergrund steht das Wechselverhältnis der Drachme zum Nominal des Obolos (Plutarch, Lysander 17, klärt über die Tradition auf). Ein Obolos war ursprünglich ein kleinerer, länglicher Metallspieß, der monetäre Funktion hatte und sich erst sukzessive zur runden Münze wandelte. Sechs Oboloi ließen sich dabei in einer Hand halten und hatten den Gegenwert einer Drachme, also eigentlich „einer Handvoll“. Gemeint ist mit Drachme ursprünglich also das, was man in einer Hand halten kann.
Die folgenden Ausführungen nehmen primär die monetären Aspekte der Drachme in den Blick, weil diese für den biblischen Zusammenhang zentral sind (zur Gewichtseinheit Drachme und zu archäologisch gesicherten Drachmengewichten vgl. Hitzl).
2. Drachme als numismatische Realie: Münzphysis, Verhältnis zu anderen Nominalen und Kaufkraft
Als Nominal meint Drachme eine in der Regel aus Edelmetall geprägte Münze. Silberprägungen sind dabei der Standard, Prägungen aus Gold die Ausnahme. Selten sind auch kupferne Drachmen, die vornehmlich im ptolemäischen Ägypten geprägt wurden und ein Wertverhältnis von 120:1 zur Silberdrachme hatten (vgl. Chantraine, 156).
Das Metallgewicht einer Drachme, der Münzfuß, schwankte in der Antike erheblich. Die ältesten Drachmen, die auf uns gekommen sind (6. / 5. Jh. v. Chr.), wurden im Münzfuß von Ägina geprägt und wogen 6,24 g. Im korinthischen Münzfuß hingegen hatte eine Drachme ein Gewicht von 2,8 g. Der für lange Zeit dominierende attische Standard legte für eine Tetradrachme 17,5 g Gewicht fest, was zu einem Drachmengewicht von gerundet 4,38 g führte. Dieses Gewicht wurde im → Hellenismus
Als Text- und vor allem Bildträger konnten Drachmen und ihre Vielfachen symbolisch verdichtete Botschaften tragen und zur Identitätsbildung eines Gemeinwesens wie auch zur Kommunikation knapper politischer Aussagen erheblich beitragen (vgl. zur Bedeutung von Münzen generell und mit Beispielen → Numismatik
Als Kurantmünze (d.h. der Nominalwert der Münze entspricht ihrem Materialwert) hängen die Kaufkraft und damit letztlich auch der Wert der Münze zunächst vom Materialwert ab, sodann natürlich aber vor allem von den konkreten wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen. Und diese konnten je nach Zeit und Ort sehr unterschiedlich ausfallen. Wolter (526f) verweist dazu auf Flavius Josephus (Vita 75), der davon berichtet, dass in → Caesarea Maritima zwei Sextare Öl (= ca. 1,1 l) für eine Drachme verkauft werden, dass man hingegen mit vier Drachmen im galiläischen Gischala zur gleichen Zeit 80 Sextare (= ca. 40 l) Öl erwerben konnte (weitere Beispiele etwa bei Schwank, 226-228). Umstritten ist in diesem Zusammenhang zudem, ob eine Drachme / ein Denar in Aufnahme von Mt 20,1-16
3. Drachmen in der Septuaginta
In der Septuaginta finden sich zahlreiche Belege für das Nominal Drachme. Dabei zeigt sich eine signifikante Häufung der Didrachme gegenüber der Tetradrachme (nur Hi 42,11
4. Drachmen im Neuen Testament
Im Gegenüber zu römischen Nominalen wie dem Denar, die im → Neuen Testament
4.1. Die verlorene Drachme in Lk 15,8-10
Das → Gleichnis
Weitergehende Deutungen im Blick auf die erzählten ökonomischen Verhältnisse im Rahmen von Lk 15,8-10
4.2. Die Doppeldrachmen und der Stater in Mt 17,24-27
Etwas ergiebiger im Blick auf die numismatischen Realien ist im Vergleich zu Lk 15,8-10
Im Haus, in das Petrus hineingeht, um offenkundig mit Jesus über diesen Punkt zu sprechen, verwickelt ihn Jesus in ein Gespräch über die grundsätzliche Notwendigkeit von Zöllen und Steuern. Der matthäische Jesus vertritt dabei augenscheinlich die Position, dass für den Tempel und damit für Gott überhaupt keine Steuern zu zahlen sind. Damit positioniert sich Jesus seinerseits eindeutig in der Frage nach der Tempelsteuer, relativiert aber sogleich diese Option: „Damit wir aber nicht Anstoß geben“ (Mt 17,27
Stater ist ein relativer Begriff im griechischen Münzsystem (vgl. Alkier, 318.321), der verschiedenen Nominalen beigeordnet werden kann, im Fall von Mt 17
→ Numismatik
Literaturverzeichnis
1. Verwendete Literatur
- Alkier, S., 2003, „Geld“ im Neuen Testament – Der Beitrag der Numismatik zu einer Enzyklopädie des Frühen Christentums, in: S. Alkier / J. Zangenberg (Hgg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (TANZ 42), Tübingen, 308-335
- Chantraine, H., 1979, Art. Drachme, KP 2, 155f
- Ehling, K., 2007, Münzen in der Logienquelle, BN 133, 99-104
- Foster, P., 2014, The Q Parables: Their Extent and Function, in: D.T. Roth / R. Zimmermann / M. Labahn (Hgg.), Metaphor, Narrative, and Parables in Q (WUNT 315), Tübingen, 255-285
- Heemstra, M., 2010, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways (WUNT II / 277), Tübingen
- Heininger, B., 1991, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramatische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas (NTA NF 24), Münster
- Heutger, N., 1983, Münzen im Lukasevangelium, BZ 27, 97-101
- Hitzl, K., 1997, Art. Drachme. 2. Gewicht, DNP III, 808f
- Konradt, M., 2015, Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen
- Küchler, M., 2009, „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“. Joh 1,16a als literarisches Pendant zum antiken Bildmotiv des überfließenden Füllhorns, in: A. Dettwiler / U. Poplutz (Hgg.), Studien zu Matthäus und Johannes / Études sur Matthieu et Jean (FS J. Zumstein; AThANT 97), Zürich, 135-155
- Luther, S., 2013, Steuersünder mit Angellizenz (Die Zahlung der Tempelsteuer). Mt 17,24-27 (EpAp 5,12f.), in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen. Band 1: Die Wunder Jesu, Gütersloh, 485-494
- Merz, A., 2007, Last und Freude des Kehrens (Von der verlorenen Drachme). Lk 15,8-10, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh, 610-617
- Müller, S., 2009, Das hellenistische Königspaar in der medialen Repräsentation. Ptolemaios II. und Arsinoe II. (BzA 263), Berlin
- Reiser, M., 2000, Numismatik und Neues Testament, Bib. 81, 457-488
- Schottroff, L., 2005, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh
- Schwank, B., 1999, Das Neue Testament und seine Münzen, EuA 75, 214-233
- Spijkerman, A., 1955-1956, Coins Mentioned in the New Testament, SBFLA 6, 279-298
- Wolter, M., 2008, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen
- Wolters, R. / Ziegert, M., 2014, Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich, in: S. Bönisch-Meyer u.a. (Hgg.), Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich (Classica Monacensia 46), Tübingen, 43-80
2. Literaturempfehlungen
- Alkier, S., 2003, „Geld“ im Neuen Testament – Der Beitrag der Numismatik zu einer Enzyklopädie des Frühen Christentums, in: S. Alkier / J. Zangenberg (Hgg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (TANZ 42), Tübingen, 308-335
- Reiser, M., 2000, Numismatik und Neues Testament, Bib. 81, 457-488
3. Weiterführende Literatur
- Göbl, R., 1978, Antike Numismatik, Bd. 1-2, München
- Ziegler, R., 2004, Münzen, Münzsysteme und Münzumlauf im Palästina der frühen römischen Kaiserzeit, in: K. Erlemann / K.L. Noethlichs (Hgg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 1: Prolegomena – Quellen – Geschichte, 130-136
Abbildungsverzeichnis
- Tetradrachme (Athen, 450-404 v. Chr.; 17,19 g, Silber): Avers: geschmückter Kopf der Athena. © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg (Schweiz).
- Tetradrachme (Athen, 450-404 v. Chr.; 17,19g, Silber): Revers: Eule mit geschlossenen Flügeln und frontal abgebildetem Kopf, im Hintergrund Olivenzweig und Mondsichel, ΑΘΕ (Athe). © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg (Schweiz).
- Dekadrachme (Alexandria, 253/252-246 v. Chr.; 35,48g Silber): Avers: Arsinoë II mit verhülltem Haupt und Diadem nach rechts, zwei Delta (Δ) hinter dem Kopf; unter dem Ohr lugt das Widderhorn des Zeus Ammon hervor, ein Hinweis auf den göttlichen Status der Abgebildeten (vgl. Müller, 370-372). Ptolemäus II ließ im Gedenken an seine Schwester und Frau, Arsinoë II (Tochter von Ptolemäus I), die durch Heiratspolitik u.a. Königin von Thrakien und Makedonien war und die nach ihrem Tod 270 v. Chr. vergöttlicht wurde, ab etwa 250 v. Chr. prächtige Münzen wie diese Dekadrachme prägen. © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg (Schweiz).
- Dekadrachme (Alexandria, 253 / 252-246 v. Chr.; 35,48 g Silber): Revers: Zwei überquellende, mit einem Band verbundene symmetrische Füllhörner (cornucopia) mit Trauben und anderen Früchten in Punktekranz; Umschrift: ΑΡΣΙΝΟΗΣ ΦΙΛΑΔΕΛΦΟΥ (Arsinoēs Philadelphou). Das Motiv der Füllhörner zeigt in Kombination mit dem Kopf der Arsinoë auf dem Avers an, dass die ikonographisch verheißene Fülle und die damit verbundene Prosperität ihren Urgrund im Wirken der vergöttlichten Arsinoë haben (zum Zusammenhang derartiger Füllhornmotivik und der neutestamentlichen, speziell johanneischen Rede von Fülle vgl. Küchler). © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg (Schweiz).
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