Drache
Andere Schreibweise: engl.: dragon
(erstellt: März 2016)
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1. Begriffliches
Das deutsche Wort „Drache“ (engl. / franz.: dragon) kommt vom griechischen δράκων (drákōn; „der starr, durchdringend Blickende“? [Etymologie unsicher]) und wird im Duden mit „geflügeltes, Feuer speiendes, echsenartiges Fabeltier [mit mehreren Köpfen]“ umschrieben. Die biblische Vorstellung von Drachen erhellt sich aus der mit δράκων verknüpften breiteren Begriffspalette, aus der in den Texten dazu entworfenen Bildwelt sowie aus den darin rezipierten, im Vergleich zur Bibel ungleich reichhaltiger entfalteten religionsgeschichtlichen Traditionen der Umwelt.
Im Neuen Testament begegnet δράκων insgesamt 13-mal, und zwar ausschließlich in der → Offenbarung des Johannes
In der → Septuaginta
In Hi 3,8
Häufig (z.B. Einheitsübersetzung; Lutherbibel) mit „Drache“ übersetzt wird zudem an jenen Stellen, wo von fliegenden Schlangen die Rede ist: in Jes 14,29
2. Altes Testament
2.1. Allgemein
Die → Septuaginta
Schlangen sind gemeint im Kontext der Exoduserzählung bei der Verwandlung der Stäbe Aarons bzw. der ägyptischen Wahrsager (Ex 7,9.10.12
An Schakale wird wahrscheinlich gedacht sein, wo das hebr. tan mit δράκων / drákōn wiedergegeben ist. Für Mi 1,8
Von (jungen) Löwen ist in Hi 4,10
Häufig bezeichnet δράκων Meeresungeheuer allgemein (Ps 74[73],13
Die Analogie zum Krokodil steht im Hintergrund, wenn in Ez 29,3
Jer 51[28],34
Die Erzählung von Bel und der Drachenschlange in Erweiterung des Danielbuches (ZusDan 2
2.2. Meeresungeheuer / Drachenwesen
Die mit δράκων bezeichneten Meeresungeheuer gelten als Teil der → Schöpfung Gottes
Der mythische Meeresdrache → Leviatan
Ähnlich ist für → Rahab
In der frühjüdischen → Apokalyptik
Gelten Leviatan und Rahab biblisch als Drachenwesen und Chaosungeheuer, ist das für den im Alten Testament nur in Hi 40f
3. Mythologie
In den einschlägigen Texten des Alten Testaments finden verschiedene Traditionen der altorientalischen Mythologie über Drachenwesen und über den Drachenkampf ihren Niederschlag. Analoge Vorstellungen sind breit auch in der griechischen Mythologie bezeugt. Zumeist und anders etwa als in Ostasien sind in diesen mythologischen Traditionen Drachen negativ konnotiert.
Schlangenartige, aber auch löwenähnliche Drachen begegnen ikonographisch und literarisch in der altorientalischen und ägyptischen Kultur schon ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. als Begleiter von Göttern und Wächter diverser Heiligtümer und insbesondere als Verkörperung der Chaosmächte und in Gestalt der dämonischen Urbestie. Mit Letzteren verbindet sich der in verschiedenster Ausgestaltung und unterschiedlicher Besetzung bezeugte Mythos des Drachenkampfes, wonach ein die Schöpfungs- und Weltordnung bedrohendes (Meeres-)Ungeheuer als personifiziertes → Böses
Babylonische Texte schildern den Kampf des Gottes → Marduk
Ugaritische Quellen überliefern den Kampf des Wettergottes Haddu / Hadad / Adad (→ Adad
Die ägyptische Mythologie kennt den Gott → Horus
Unter den zahlreichen Drachenkämpfen der griechischen Mythologie ist jener des Apollo gegen die Drachenschlange Python, die zuvor die mit Apollo und Artemis schwangere Leto verfolgte, bedeutsam als Gründungsmythos des delphischen Orakels. Hervorzuheben sind außerdem der Kampf des Zeus gegen Typhon, ein schreckliches Ungeheuer mit hundert Schlangen- und Drachenköpfen, ebenso der Kampf des in den Olymp aufgenommenen Heroen Herakles gegen die vielköpfige Hydra.
In späteren Überlieferungssträngen agiert zumeist nicht mehr die Gottheit selbst, sondern ein Repräsentant der Gottheit (z.B. Held; → Engel
4. Neues Testament
Der Ausdruck δράκων konzentriert sich im Neuen Testament auf insgesamt drei Textabschnitte in der → Offenbarung des Johannes
4.1. Apk 12-13 – Zeichen am Himmel, Sturz auf die Erde und Kampf gegen das Volk Gottes
Apk 12,1-17
Der Drache wird als ein großes und feuerrotes (πυρρός / pyrrós; vgl. Jes 14,29
In Apk 12,9
Mit Wasser in Verbindung gebracht wird der Drache in Apk 12,15f
Kommen schon in der Charakterisierung des Drachen geläufige Bildelemente aus der altorientalischen und biblischen Überlieferung zum Tragen, so lässt auch der konkret erzählte Geschehensablauf in einzelnen Aspekten Einfluss durch verschiedene mythologische Traditionen erkennen.
Die Entrückung des messianisch konnotierten Kindes zum Thron Gottes unmittelbar nach der Geburt (Apk 12,5
Zwar prinzipiell bereits entmachtet, kann der Drache auf Erden seine Macht noch ausüben. Sein Versuch allerdings, gegen die Frau vorzugehen, erweist sich in der Folge ebenfalls als erfolglos (Apk 12,13-16
Diesen Kampf führt der Drache nicht selbst, er bedient sich dafür irdischer Repräsentanten in Gestalt der beiden Tiere von Apk 13
4.2. Apk 16,12-16 – Dämonen im Dienst des Drachen
Im Kontext der sechsten Schalenvision (Apk 16,12-16
4.3. Apk 20,1-10 – Fesselung und endgültige Überwindung
Im Rahmen der breiter angelegten Schilderung des endzeitlichen Gerichts über die gottfeindlichen Mächte ist in Apk 20,1-3
Die Vorstellung, dass der → Satan für tausend Jahre daran gehindert wird, mit seinem unheilvollen Tun („verführen“; Apk 20,3.7.10
Apk 20,7-10
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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