Baal-Sebub
Andere Schreibweise: Baalzebub; Baalzebul; Baal-Zebul; Baalzevul; Balsebul; Balzebul; Balzevul; Beelzeboul; Beelzebul; Belzebul; Belzebock; Belsebub; Belzebub; Belsebul; Bel-Sebul; Belzebul
(erstellt: Juli 2020)
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1. Namensherkunft und Bedeutung
Es handelt sich um einen Eigennamen, der in dieser Form erstmals im NT auftritt und auf eine negative dämonische Macht anspielt. Alle Belege des Namens sind Verweise, eine Figur dieses Namens tritt nirgendwo selbst in Erscheinung.
Bereits die Vielzahl an möglichen Schreibweisen deutet an, wie wenig über Beelzebul bekannt ist. Die wahrscheinlichste Rekonstruktion setzt sich aus den akkadischen Worten für „Herr“, „Baal“ (Variante: Bel) und „Prinz“, „Befehlshaber“ zusammen. Die konsensfähigste Übersetzung lautet „Oberer der Baale“.
Dabei könnte es sich um die Kurzform des Titels „Baal, Herr der Welt“ handeln oder auch um eine lokale Variante des Baaltitels in Syrien (Bazzana, 2018, 73 Anm. 13) (→ Baal
Eine weitere Lesart des Akkadischen, bei der bel dababi („Feind“) gelesen werden könnte (Fornberg, 2016, 97), ist möglich. Diese Lesart wird von jenen Autorinnen und Autoren bevorzugt, die einen Verweis auf Beelzebul in 4Q560 vermuten (Fornberg, 2016, 97). Diese Sicht wird von der Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten mit dem Argument, dass diese Konstruktion sowohl zeitlich als auch argumentativ sehr weit hergeholt sei, allerdings abgelehnt (vgl. die Literaturverweise bei Bazzana, 2018, 11).
Der Statusterminus „zevul“ wird im Alten Orient, z.B. in Ugarit, immer wieder zur näheren Beschreibung von göttlichen Wesen verwendet, beispielsweise bei der deifizierten Personifikation von Mond oder Meer (Fornberg, 2016, 96, bes. Anm. 3). Auch im AT tritt der Begriff „zevul“ fünfmal auf (1Kön 8,13
2. Beelzebul in der Bibel
2.1. Beelzebub in 2Kön 1,1-18
Im AT gibt es keinen direkten Beleg für Beelzebul. In 2Kön 1,1-18
Die Datierung dieser Stelle ist nicht ganz eindeutig, mit hoher Wahrscheinlichkeit ist sie spätexilisch-frühnachexilisch, d.h. babylonische und persische Einflüsse sind hier wahrscheinlicher als hellenistische.
In der hellenistischen Literatur und der Septuagintaversion von 2Kön 18,1-18
Ekron ist eine der Philisterstädte der Pentapolis und wird in Ri 1
Die Assoziation einer Gottheit mit Fliegen ist aus der altiranisch-zoroastrischen Religion überliefert. Dort wird die Höllenfürstin Nasu mit einer Leichenfliege / Aasfliege / Pestmücke identifiziert (Frick, 1982, 145). Die Kenntnis dieses Motivs im Israel des 6. Jh. v.u.Z. ist theoretisch möglich, jedoch nicht nachgewiesen.
2.2. Beelzebul im Neuen Testament
Der Name Beelzebul wird siebenmal im NT genannt (Mk 3,22
In Mk 3,22-23
2.2.1. Quellenkritik
Vor allem zwei Fragen stellen sich im Rahmen der Quellenkritik. Einerseits wird vermutet, dass das → Markusevangelium
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Exegetinnen und Exegeten, die von einem authentischen Jesus-Logion ausgehen, da sich der Beelzebul auch noch im apokryphen → Thomasevangelium
Sollte das Logion als Jesuswort vorgelegen haben, so stellt sich die Frage, ob Mk oder Q die authentischere Version überliefert hat (Bazzana, 2018, 11f.; Guijarro, 2002, 65 [Schema und Literaturverweise]).
2.2.2. Die „Beelzebul“-Kontroverse (Mk 3,22-27 par.)
Die Gegner Jesu klagen ihn an, eine Austreibung im Namen, d.h. in der Macht, Beelzebuls durchgeführt zu haben. Sie bezwecken damit einerseits, ihn der Blasphemie zu bezichtigen, und andererseits, seine moralische Integrität anzugreifen (Strecker, 2002, 79; Bazzana, 2018, 24). Es handelt sich dabei um den gezielten Einsatz von „labeling“ (Guijarro, 2002, 66). Zugleich räumen die Gegner implizit ein, an eine Macht Beelzebuls zu glauben, die durch ihn genutzt werden kann (Bazzana, 2018, 77). Ob es sich dabei notwendig um eine Besessenheit oder nur um die machtvolle Verwendung eines Namens handelt, ist unklar. So weist die Formulierung elegon gar hoti exestē („denn sie sagten: er ist von Sinnen“) in Mk 3,21
Jesus verteidigt sich durch einen scharfen Lehrverweis, der deutlich macht, dass er selbst nicht in die Machtsphäre des Satanisch-Dämonischen eingeordnet werden kann, ganz im Gegenteil. Es geht ihm um die Errichtung des Reiches Gottes im Anschluss an Mk 1,15
Mit der Austreibung des Beelzebul bekämpft Jesus zugleich den → Satan
Für Fornberg (2016, 99-102) wird der Name Beelzebul so sowohl rückwirkend für 2Kön 1
2.2.3. Beelzebul und Satan
Eine immer wieder diskutierte Frage ist, ob Beelzebul ein anderer Name bzw. eine Eigenschaft Satans sein soll oder ob es sich um eine eigenständige Figur handelt. Mk 3
Bazzana (2018, 12f.72f.) weist jedoch nach, dass diese Annahme wenig plausibel ist. Während im AT Beelzebul nur einmal und im Sinne einer Gottheit genannt wird, welche zur Apostasie Israels anreizt (2Kön 1
2.2.4. Gegenwärtige Ansätze in der Auslegung
Bevorzugt werden die Beelzebul-Perikopen gegenwärtig im anglophonen Raum ausgelegt. Dies geschieht verstärkt in evangelikalen Kontexten mit politischer Implikation.
Graham H. Twelftree gilt als Vorreiter der evangelikalen Sicht und sucht in mehreren Publikationen nach der Bedeutung des Exorzismus mit dem Namen Beelzebul. In seiner Auslegungslinie wird Mk 3,22-23
Die jüngste Monographie, die seinen Ansatz als Voraussetzung nimmt, stammt von Cheryl Pero und handelt über Exorzismen im Markusevangelium (Pero, 2013). Pero verbindet den evangelikalen Ansatz mit postkolonialer Bibelkritik und sieht Beelzebul und seine Dämonen als Chiffren für das Imperium Romanum (Pero, 2013, 55). Ihre Begründung läuft über mehrere Stufen, wobei die Schweineherde von Gerasa (Wappentier der römischen Legio X Fretensis ist ein Wildschwein) als eines der wichtigsten Argumente zählt (Pero, 2013, 57-70). Ziel ist es, die Reich-Gottes-Botschaft Jesu als Gegenbild zum herrschenden römischen Reich und zu dämonischen Mächten darzustellen (Pero, 2013, Tabelle 234f.).
Mit Hilfe interdisziplinärer Zugänge wird die politische Implikation, die auch Pero sieht, verstärkt. So greift Bazzana (2018) auf ethnologische und kultur- und sozialanthropologische Ansätze zurück, um die „Besessenheit“ Jesu als eine Einmischung in die Machtsphäre eines Dämonenwesens zu beschreiben, wie es auch Schamanen anderer Religionen und Kulturen tun (Bazzana, 2018, 8.11.14). Ziel dieser Perikope sei es, den Beelzebul oder auch Satan als gestürzt zu zeigen und so das Reich Gottes zu errichten (Bazzana, 2018, 14.85). Ob die Leute dabei glauben, dass Jesus tatsächlich von einem Geist besessen sei, oder ob er nun in dessen Vollmacht spreche, ist umstritten und zeige jeweils unterschiedliche Modelle von Trance (Bazzana, 2018, 20-23).
3. Anmerkungen zur Rezeption
3.1. Beelzebul in der Auslegungsgeschichte
Der Name Beelzebul ist sowohl in späten → Apokryphen
Spätestens seit dem Mittelalter wird Beelzebul auch mit dem aus dem → Manichäismus bekannten Titel als „Fürst der Finsternis“ bezeichnet, um den sich eine Reihe von Legenden und Volksglaube bildete (Cumont, 1897).
Umfassendere Studien zu Beelzebul in der Auslegungsgeschichte wurden bisher noch nicht vorgelegt.
3.2. Rezeption in Kunst und (Pop-)Kultur
Aus Antike und Mittelalter sind keine Darstellungen des Beelzebul überliefert. Zwar ist es möglich, dass in den dämonischen Fratzen, die mittelalterliche Häuser zierten auch Beelzebul repräsentiert war, doch gibt es keinen eindeutigen Hinweis.
Durch John Miltons „Paradise Lost“ (1667) rückte Beelzebul als Figur ins Bewusstsein. In I, 79-81 wird er als Satans rechte Hand bezeichnet. Ab dieser Zeit ist er auch als „Herr der Fliegen“ immer wieder anzutreffen. Ob es sich dabei um einen Ungezieferdämon oder um eine Erscheinungsform des Satans handelt, ist unklar.
Im Rahmen der Hexenverfolgungen und anderer „dämonologischer“ Aktionen bildete sich im deutschen Sprachraum der Begriff „Belzebock“ heraus. Hierbei handelt es sich vermutlich um ein Hybrid des bockbeinigen Teufels aus dem Volksglauben mit dem Beelzebul. In einigen Regionen gilt der Belzebock als dämonischer Begleiter des Hl. Nikolaus.
In der Aufklärung erschien eine lexikographische Arbeit zu Dämonen, in welcher sich auch eine der ersten (überlieferten) Darstellungen des Beelzebul befindet. Der Beelzebul des Dictionnaire Infernal (1818) wird durch eine große Fliege mit Totenkopfmuster auf den Flügeln abgebildet. Die Darstellung dieses Dämons wird bis in den japanischen Manga der Gegenwart hinein rezipiert.
Die bekannteste literarische Anspielung ist der Roman „Lord of the Flies“ (1954), für den William Golding u.a. 1983 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Hier handelt es sich jedoch nicht um Beelzebul im eigentlichen Sinne, sondern um einen verwesenden Wildschweinkopf, um den herum sich Fliegen sammeln und der das Prinzip zunehmenden Chaos’ in der Gruppe symbolisiert.
Literaturverzeichnis
- Bazzana, G. B., Beelzebul vs Satan: Exorcist Subjectivity and Spirit Possession in the Historical Jesus, in: Verheyden, J. / Kloppenborg, J. S. (Hgg.), The Gospels and Their Stories in Anthropological Perspective (WUNT 409), Tübingen 2018, 7-27
- Cumont, F., Art. Beelzebub, in: PRE III,1 (1897) 185
- Demsky, A., The Name of the Goddess of Ekron: A New Reading, in: Journal of the Ancient Near Eastern Society 25 (1997) 1-5.
- Fornberg, T., Baal-zevul – the History of a Name, in: Tilly, M. / Morgenstern, M. / Drecoll V. H. (Hgg.), L’adversaire de Dieu / Der Widersacher Gottes. 6. Symposium Strasbourg, Tübingen, Uppsala. 27.-29. Juni 2013 in Tübingen (WUNT 364), Tübingen 2016, 95-106
- Frick, K. R. H., Das Reich Satans. Luzifer/Satan/Teufel und die Mond- und Liebesgöttinnen in ihren lichten und dunklen Aspekten. Eine Darstellung ihrer ursprünglichen Wesenheiten in Mythos und Religion, Graz 1982
- Guijarro, S., Die politische Wirkung der Exorzismen Jesu. Gesellschaftliche Reaktionen und Verteidigungsstrategien in der Beelzebul-Kontroverse, in: Stegemann, W. / Malina, B. J. / Theißen, G. (Hgg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 64-74
- Pero, C. S., Liberation from Empire. Demonic Possession and Exorcism in the Gospel of Mark (SBLit 150), New York 2013
- Strecker, C., Jesus und die Besessenen. Zum Umgang mit Alterität im Neuen Testament am Beispiel der Exorzismen Jesu, in: Stegemann, W. / Malina, B. J. / Theißen, G. (Hgg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 53-63
- Twelftree, G. H., Art. Demon, Devil, Satan, in: Green, J. B. / McKnight, S. (Hg.), Dictionary of Jesus and the Gospels, Leicester 1992, 163-172
- Twelftree, G. H., Jesus the Exorcist. A Contribution to the Study of the Historical Jesus, Peabody, MS 1993
- Twelftree, G. H., In the Name of Jesus. Exorcism among Early Christians, Grand Rapids, MI 2007
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