Deutsche Bibelgesellschaft

Schöpfung (AT)

(erstellt: März 2016)

Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/27281/

1. Einleitung

Das Alte Testament beginnt mit zwei Berichten über die Schöpfung (s.u. 4.1. und 4.2.; → Urgeschichte) und auch in seinem weiteren Verlauf ist immer wieder von Schöpfung die Rede, besonders häufig in den → Psalmen (s.u. 4.3.), der → Weisheit (s.u. 4.4.) und bei → Deuterojesaja (s.u. 4.5.). Dennoch hat die alttestamentliche Wissenschaft die Wichtigkeit der Schöpfungsthematik erst nach und nach realisiert. Das hängt damit zusammen, dass frühere Generationen von Exegeten häufig Schöpfungsglaube und Glaube an das (heils-)geschichtliche Handeln JHWHs gegeneinander ausspielten und argumentierten, für die antiken Israelitinnen und Israeliten sei die Heilsgeschichte das Wesentliche gewesen, Schöpfung hingegen zweitrangig. Beeinflusst war dieses Urteil wohl auch vom Interesse an einem Proprium Israels (und besonderer Offenbarung) bzw. von der Tatsache, dass sich die Schöpfungsvorstellungen des antiken Israel nicht fundamental von denen seiner altorientalischen Umwelt unterscheiden. Vermutlich spielte auch ein westliches Vorverständnis eine Rolle, das Forschende unter dem Stichwort „Schöpfung“ primär nach Aussagen über den Anfang der Welt suchen ließ. Auch heute noch ist das Nachdenken über Schöpfung häufig von der Frage nach den Anfängen dominiert, etwa in den Debatten um die Kompatibilität der biblischen Schöpfungsaussagen mit der Evolutionstheorie. Gegenüber den alttestamentlichen Schöpfungsvorstellungen stellt dies eine massive Verengung dar, denn in diesen geht es in der Regel weniger um das Entstehen, als vielmehr um das Sein, und zwar in dezidiert theologischer Perspektive (Welt als Schöpfung, Mensch und Tiere als Geschöpfe, Gott als Schöpfer / Fürsorger). Entsprechend sind die Übergänge von der Schöpfungsthematik zu anderen Themen (wie Ordnung / → Gerechtigkeit, Anthropologie, → Königtum Gottes, Geschichtshandeln Gottes) fließend.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass es nicht das biblische Schöpfungsverständnis gibt, dass im Alten Testament vielmehr verschiedene Schöpfungsvorstellungen nebeneinander stehen. Noch deutlicher ist dieses Phänomen in den altorientalischen Nachbarkulturen. Vor allem aus Mesopotamien und Ägypten sind je eine Vielzahl von Schöpfungstraditionen erhalten, die sich in manchem gleichen, in vielem aber auch unterscheiden (wobei die Unterschiede auch lokal und zeitlich bedingt sind).

2. Zur Terminologie

Im Hebräischen gibt es kein Nomen „Schöpfung“. Zur Beschreibung des Erschaffens und des Erschaffenseins werden in der Regel Verben gebraucht; die Welt als Schöpfung wird durch Aufzählungen wie „Himmel und Erde“ umschrieben. Unter den Verben sticht ברא br „erschaffen“ heraus, denn es wird ausschließlich mit Gott als logischem Subjekt gebraucht – ein Reflex der oben genannten theologischen Perspektive. An dieser Stelle zeigt sich im Deutschen und in anderen Sprachen ein Unterschied, denn in ihnen wird insbesondere im Zusammenhang von Kreativität (!) häufig auch im Blick auf Menschen Schöpfungsterminologie gebraucht (vgl. Begriffe wie „Wortschöpfung“). Insgesamt bleibt das Wort „Schöpfung“ aber klar biblisch geprägt. Für das Verständnis der alttestamentlichen Schöpfungsvorstellungen ist es vor allem auch darum hilfreich, weil es nicht nur den Akt des Erschaffens bezeichnet (das Werden), sondern auch das Resultat dieses Schaffens (das Sein), und dabei in der Regel einen göttlichen Schöpfer impliziert (vgl. z.B. die Rede von der „Geschöpflichkeit“ oder „Bewahrung der Schöpfung“).

Im Hebräischen ist בָּרָא br zwar ein wichtiges Schöpfungsverb, aber keineswegs das einzige. Daneben werden in Schöpfungskontexten auch zahlreiche andere Verben gebaucht, neben dem allgemeinen „machen“ (עָשָׁה ‘āśāh) auch solche wie „formen“ (יָצַר jāṣar), „bauen“ (בָּנָה bānāh), „gründen“ (יָסַד jāsad), „fest sein“ (כּוּן kûn), „aufspannen“ (נָטָה nāṭāh), „ausbreiten“ (רָקַע rāqa‘), „gebären“ (יָלַד jālad), „pflanzen“ (נָטַע nāṭa‘), „reden“ (אָמַר ’āmar), „rufen / benennen“ (קָרָא qārā’) und „befehlen“ (צָוָה ṣāwāh Pi.), die auf spezifische Vorstellungen hinweisen (s.u. 3.3.).

3. Alttestamentliche und altorientalische Schöpfungsvorstellungen

Schöpfungsaussagen lassen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten und miteinander vergleichen. Im folgenden Überblick werden Schöpfungstraditionen aus Israel, Ugarit, Mesopotamien und Ägypten berücksichtigt, das Hauptgewicht liegt auf dem Alten Testament.

3.1. Subjekt des Erschaffens

In monotheistischen Denksystemen (die mit Schöpfung rechnen) ist klar, dass der eine Gott der Schöpfergott ist. In polytheistischen Denksystemen hingegen stellt sich die Frage, wer von den verschiedenen Gottheiten für die (verschiedenen Aspekte der) Schöpfung verantwortlich ist. Das Alte Testament lässt keinen Zweifel, dass → JHWH der Schöpfergott ist; einige Texte zeigen aber noch, dass es im antiken Israel auch andere Antworten gab. In Hos 2,7-11 etwa spiegelt sich die Kontroverse, ob JHWH oder → Baal Israel → Fruchtbarkeit gibt. In Gen 14,18-22 wird zunächst der (kanaanäische) El Eljon (→ Eljon) als „Schöpfer des Himmels und der Erde“ (קֹנֵה שָׁמַיִם וָאָרֶץ) bezeichnet und dieser dann (synkretistisch) mit JHWH identifiziert. Und in Deuterojesaja wird betont, dass JHWH und kein anderer der Schöpfer ist, wobei anderen Gottheiten damit nicht nur die Schöpfermacht, sondern die Existenz insgesamt abgesprochen wird (s.u. 4.5.).

In den Kulturen der Umwelt des antiken Israel werden häufig verschiedene Gottheiten als für die (verschiedenen Aspekte der) Schöpfung zuständig erachtet. In → Ugarit zeigen Epitheta wie „Schöpfer der Geschöpfe“ (bnj bnwt) und „Vater der Menschheit“ (ab adm) für → El sowie „Schöpferin der Götter“ (qnjt ilm) und „Mutter der Götter“ (um ilm) für Athirat (→ Aschera), dass der Götterkönig und seine Gattin als Schöpfer von Göttern und Menschen gelten. Neben ihnen ist aber auch der → WettergottBaal für die Schöpfung zuständig, nämlich im Sinn der Abwehr des → Chaos und der Gewährleistung der Vegetation. In Ägypten gilt in der Regel der Sonnengott (→ Sonne; → Aton, → Amun, → Re) als Schöpfergott, nach manchen Traditionen aber auch der chthonische Handwerkergott → Ptah, der mit dem Nil verbundene Töpfergott → Chnum sowie die Göttinnen → Hathor und → Isis. In Mesopotamien wird besonders häufig der Süßwassergott und „Herr der Erde“ Enki / Ea als für die Schöpfung zuständig beschrieben, daneben aber auch andere, im Schöpfungsmythos → Enuma Elisch etwa → Marduk. Bei der Menschenschöpfung handeln die mesopotamischen Gottheiten meist in einer Gruppe, wobei neben Enki / Ea vor allem die → Muttergöttin (Ninchursag, Ninmach, Nintu, Mami, Belet-ili, Aruru) wichtig ist.

3.2. Objekt des Erschaffens

Dass Schöpfung ein weiter Oberbegriff ist, zeigt sich besonders bei den Objekten des Erschaffens, denn diese sind ganz unterschiedlicher Art.

3.2.1. Gottheiten (Theogonie)

Schöpfung 01

Polytheistische Religionen enthalten oft Traditionen über die Entstehung von Gottheiten. Da antike Gottheiten auch Aspekte der Welt verkörpern, sind manche dieser Theogonien auch Kosmogonien. Besonders deutlich ist das bei dem sowohl in Mesopotamien als auch Ägypten gut bezeugten Motiv der (sexuellen) Vereinigung bzw. Trennung (der Gottheiten) von Himmel und Erde, durch die dann weitere Gottheiten entstehen. In anderen Theogonien geht es ausschließlich um die Verhältnisse zwischen den Gottheiten. So werden z.B. in → Ugarit die Götter als „Söhne Els“ und El und Athirat als deren „Vater“ und „Mutter“ bezeichnet, womit klar gemacht ist, wer an der Spitze des Pantheons steht. Ausführlichere Theogonien finden sich in Mesopotamien und Ägypten.

Schöpfung 02

Für Ägypten bietet die Schöpfungsvorstellung von → Heliopolis ein klassisches Beispiel einer Theogonie (die auch Kosmogonie ist). Nach ihr beginnt die Welt mit einer Götterneunheit (Enneade), entsteht durch ein erstes Aufgehen aus dem → Urmeer Nun zunächst Atum (All, Sonne), aus diesem Schu (Luft) und Tefnut (Feuchtigkeit oder Feuer), aus diesen beiden Geb (Erde) und Nut (Himmel) und aus diesen → Osiris und → Isis sowie → Seth und → Nephthys. Für Mesopotamien bietet der Beginn des → Enuma Elisch-Epos eine typische Theogonie (die von der danach erzählten Kosmogonie unterschieden ist). In ihr wird die Linie von Apsu und Tiamat bis zu → Marduk verfolgt.

3.2.2. Welt (Kosmogonie)

Im Alten Testament ist von der Entstehung der → Welt hauptsächlich in jüngeren, exilisch-nachexilischen Texten die Rede. Am detailliertesten ist der priesterliche Schöpfungsbericht, beachtenswert sind weiter die kosmogonischen Aussagen bei Deuterojesaja, in der jüngeren Weisheit und in manchen Psalmen. In der Kurzfassung wird JHWH als derjenige gepriesen, der „Himmel und Erde gemacht“ hat (Gen 14,22; 2Kön 19,15; Jes 37,15; Jer 32,17; Ps 115,15; Ps 121,2; Ps 124,8; Ps 134,3; 2Chr 2,11; vgl. auch Gen 1,1; Gen 2,4; Ps 146,6). In etwas längeren Fassungen wird betont, dass JHWH Himmel und Erde fest verankert hat (Jes 40,22; Jes 48,13; Jes 51,13; Jer 10,12; Jer 51,15; Ps 102,26; Ps 104,5; Ps 136,6; Hi 26,7; Hi 38,4; Spr 3,19; Spr 8,27). Häufig geht es darum, dass JHWH dem Wasser seinen Platz zugewiesen hat (Gen 1,6-7.9; Jer 5,22; Ps 104,9; Hi 26,10; Hi 38,8.10-11; Spr 8,29) und mancherorts werden noch andere Schöpfungswerke wie die Gestirne aufgezählt (Gen 1; Jes 40,26; Jes 45,12; Am 4,13; Am 5,8; Ps 89,13; Ps 136,7-9; Ps 148,2-5; Hi 9,8-9; Hi 38,4ff; Spr 8,22-29; Sir 43,1-33 [Lutherbibel: Sir 43,1-37]). Meist liegt das Augenmerk auf der Festigkeit der etablierten Schöpfung (Jer 31,35-37; Jer 33,20-26; Ps 78,69; Ps 119,90; Ps 148,6) oder darauf, dass Himmel und Erde JHWH gehören (Ps 24,1-2; Ps 89,12; Ps 95,4-5; vgl. auch Gen 24,3). An dieser Stelle zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen den Vorstellungen zur creatio originans und den auch vorexilisch gut bezeugten Vorstellungen zur creatio continua (s.u. 3.4.). Eine ins 7. Jh. v. Chr. datierende Inschrift aus Jerusalem, auf der קנארץ zu lesen ist (zu ergänzen ist wohl ein אל ’l (→ El) „Gott, der die Erde erschaffen hat“ oder Göttername Elqunirṣa; Avigad, 195f.), bestätigt, dass die Vorstellung einer uranfänglichen Weltschöpfung im antiken Israel in die vorexilische Zeit zurückreicht. Erst in exilisch-nachexilischer Zeit allerdings kommt es dann zu ausführlichen Reflexionen über die creatio originans, und zwar im Zusammenhang der Herausbildung einer universalen Perspektive und der schärferen Unterscheidung von Gott und Welt. (Die Schöpfungstraditionen aus Mesopotamien und Ägypten zeigen, dass dieser Zusammenhang nicht zwingend ist, denn in ihnen ist oft von der Entstehung die Welt die Rede, ohne dass die genannte Unterscheidung vorausgesetzt ist). Wie im Alten Orient insgesamt bleibt es auch im Alten Testament dabei, dass der Gedanke einer creatio ex nihilo noch fehlt (vgl. dann aber 2Makk 7,28).

Vermutlich wurden die exilisch-nachexilischen Ausformulierungen der israelitischen Vorstellungen über die creatio originans auch durch den intensivierten Kulturkontakt mit der mesopotamischen Welt angeregt, denn in dieser haben kosmogonische Traditionen einen festen Platz (während sie im kanaanäischen Ugarit fehlen). Auch hier gibt es nicht nur eine Version, sondern zahlreiche verschiedene. Eine ausführliche Kosmogonie findet sich im → Enuma Elisch-Epos, das dabei auf verschiedene ältere Traditionen zurückgreift. Nach ihr erschafft → Marduk die Welt, indem er das getötete Chaosmonster → Tiamat in zwei Stücke zerhaut, aus dem einen Teil den Himmel und aus dem anderen Teil die Erde bildet und so einen fünfstöckigen Kosmos schafft, in dem neben Marduk und den Menschen (Erde) auch die drei babylonischen Hauptgötter Anu (oberer Himmel), Enlil (mittlerer Himmel, Escharra) und Ea (Süsswasser unter der Erde, Apsu, Eschgalla) sowie die Gestirne (unterer Himmel) ihren Platz haben. Andere Texte aus Mesopotamien verbinden Kosmogonie und Theogonie und berichten, wie sich die Welt aus numinosen Urwesen – z.B. Himmel und Erde oder ein Urgewässer (→ Urmeer) – durch die Entstehung weiterer numinoser Wesen ausdifferenziert. In den meisten babylonischen Schöpfungstexten geht es nicht nur um die Entstehung der natürlichen Welt, sondern um die Entstehung bzw. das Funktionieren des Kosmos mit seinen kulturellen und politischen Ordnungen. So sind in manchen von ihnen Ackerbau und Viehzucht wichtig (Mutterschaf und Getreide, Charab-Mythos) und / oder Städte und Tempel (Enuma Elisch, Kosmologie des kalû-Priesters).

Schöpfung 03

Nach den kosmogonischen Traditionen von Ägypten entsteht die Welt aus einem urzeitigen Chaos, das häufig als eine Art Urschlamm (→ Urmeer) beschrieben wird. Anders als das jetztzeitige → Chaos (isft), das täglich bekämpft werden muss, ist es nicht böse, sondern voller Potential für die nachfolgende Selbstentfaltung. In der Schöpfungstradition von → Hermopolis wird es durch vier Götterpaare personifiziert, welche die Aspekte von Finsternis (Kuk und Kauket), Endlosigkeit (Huh und Hauhet), Wasser (Nun und Naunet) und Verborgenheit (Amun und Amaunet) repräsentieren. Unterschiedliche Traditionen beschreiben den Übergang von der → Präexistenz zur Existenz verschieden: Nach der oben schon erwähnten Schöpfungstradition von → Heliopolis ereignet er sich durch das erste Aufgehen von Atum und die Erschaffung (oder Selbstentstehung) von Schu und Tefnut. Andere Akzente setzt die Schöpfungstradition von → Memphis, denn nach ihr entstehen bereits die präexistenten Urgötter aus → Ptah und dieser schafft die Welt durch sein Planen und Reden (s.u. 3.3.3.). Manche Texte verbinden die Entstehung der Welt mit dem Auftauchen eines Urhügels aus dem Schlamm, einem Urlotus (aus dem der Sonnengott als Kind entsteigt; → Lotus) oder einem Urei (aus dem der Sonnengott als Falke hervorkommt). Im Prozess der uranfänglichen Entfaltungen entstehen zahlreiche Gottheiten und auch die Menschen. Nach manchen Traditionen wird der eigentliche Kosmos erst danach geschaffen. Deutlich ist diese Reihenfolge etwa im Mythos von der Himmelskuh, nach dem Erde und Himmel erst getrennt werden, weil der Sonnengott → Re nicht mehr länger mit den Menschen zusammen wohnen will. Manche Texte sagen auch, dass die Welt eigens für den Menschen erschaffen wurde. Neben ÄHG 88 ist hier vor allem der Hymnus auf den Schöpfergott in der Lehre für Merikare beachtenswert, denn in ihm heißt es, dass Gott Himmel und Erde, die Luft, Pflanzen und Tiere, das Licht, Herrscher und den Zauber um der Menschen willen geschaffen hat. Wie auch zahlreiche andere Texte zeigt diese Aufzählung, dass zur Entstehung der Welt auch nach ägyptischer Vorstellung die Entstehung von Kultur (Kult) und Geschichte (Herrschaft) wesentlich dazugehört.

3.2.3. Menschen (Anthropogonie)

Im Alten Testament ist die Vorstellung der Menschenschöpfung bereits in unumstritten vorexilischen Texten gut bezeugt, konkret etwa in Spr 10ff. Ausführlich handelt dann vor allem der zweite Schöpfungsbericht über die Entstehung des → Menschen, zentral ist sie auch im ersten Schöpfungsbericht. Beide diese Texte berichten auch über die Erschaffung der → Tiere und weisen dabei sowohl auf die Mitgeschöpflichkeit von Mensch und Tier als auch auf die Sonderstellung des Menschen. Weiter ist die Menschenschöpfung in den Psalmen, in der Weisheit und selten auch bei den Propheten ein Thema (vgl. besonders Ps 139,13-16; Hi 10,8-12; Sir 17,1-10 [Lutherbibel: Sir 17,1-8]; auch Weish 7,1-3). Die Texte, die etwas ausführlicher berichten, weisen alle auf die gleiche Vorstellung (die ähnlich auch in Mesopotamien und Ägypten belegt ist): dass Gott den Menschen / Erdling (אָדָם ’ādām) aus dem Erdboden (אֲדָמָה ’ǎdāmāh) bzw. aus Staub (עָפָר ‘āfār) formt und ihn durch die Gabe des (Lebens-)Atems bzw. Geists (נְשָׁמָה nəšāmāh, רוּחַ rûaḥ; → Geist) belebt – was auch erklärt, dass der Mensch wieder zu Staub zerfällt, wenn Gott diesen Lebensatem wieder nimmt (Gen 2,7; Gen 3,19; Jes 42,5; Sach 12,1; Ps 90,3; Ps 103,14; Ps 104,29-30; Ps 146,4; Hi 10,9; Hi 12,10; Hi 33,4; Hi 34,14-15; Pred 3,19-21; Pred 12,7; Sir 17,1; Sir 40,11; Weish 2,2-3; Weish 15,11).

In den Texten von Ugarit weisen die Epitheta „Schöpfer der Geschöpfe“ und „Vater der Menschheit“ auf die Vorstellung der Menschenschöpfung, ausführlicher entfaltet wird diese aber nicht. Anders ist das in Mesopotamien, wo die Menschenschöpfung in zahlreichen Texten beschrieben wird. Häufig wird gesagt, dass die Götter die Menschen erschaffen, damit sie ihnen die Arbeit abnehmen. Manchmal ist dieses Motiv negativ konnotiert (Enki und Ninmach, → Atrachasis), manchmal ist es aber auch neutral bis positiv (KAR 4). Zahlreiche mesopotamische Texte (Enki und Ninmach, → Atrachasis, → Gilgamesch, → Enuma Elisch) beschreiben die Menschenschöpfung als Erschaffung aus Lehm. Manche Texte zeigen, dass dabei an die Formung einer Lehmfigur gedacht ist (so besonders deutlich der Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs). Vermutlich ist dabei wie im Alten Testament vorausgesetzt, dass diese Lehmfigur dann belebt wird, explizit gesagt wird das in den mesopotamischen Texten aber nicht. Wohl aber ist in einigen von ihnen von einem göttlichen Bestandteil im Menschen die Rede. Neben Hinweisen auf den Speichel der Götter (Atrachasis), Wasser aus dem Abzu (Enki und Ninmach) oder das Blut der Muttergöttin (Enki und Ninmach) sind insbesondere solche beachtenswert, nach denen der Mensch auch aus dem Fleisch und / oder Blut eines geschlachteten Gottes erschaffen ist (KAR 4, Atrachasis, Enuma Elisch). Während das göttliche Fleisch und / oder Blut nach Atrachasis und Enuma Elisch dem Lehm beigemischt wird, bewirkt es nach KAR 4, dass die Menschen „wie Gerste aus der Erde hervorsprießen“. Hier trifft man auf die auch in anderen (sumerischen) Texten bezeugte Vorstellung, nach der die Menschen nicht geformt werden (formatio), sondern wie Pflanzen wachsen (emersio). Nach manchen mesopotamischen Texten ist es mit der ersten Erschaffung des Menschen noch nicht getan, schließt sich dieser vielmehr eine zweite Phase an, durch die der Mensch erst richtig zum Mensch wird (Mutterschaf und Getreide, Enkidu-Episode in Gilgamesch).

Schöpfung 04

In Ägypten sind es meist nur kurze Hinweise, aus denen sich etwas über die Menschenschöpfung erfahren lässt. Häufig heißt es, dass die Menschen aus dem Auge (und die Götter aus dem Mund) Gottes entstanden sind (ÄHG 87E; 127A; 196). Bei dieser Vorstellung spielt der Gleichklang der ägyptischen Wörter „Mensch“ (rmṯ) und „Träne“ (rmjt) eine Rolle, darüber hinaus bringt sie eine enge Verbundenheit von Mensch und Gott zum Ausdruck. Diese Verbundenheit wird auch im Hymnus auf den Schöpfergott in der Lehre für Merikare thematisiert, hier mit den Aussagen, dass die Menschen aus dem Leib Gottes hervorgegangen und seine → Ebenbilder sind. Wie in Israel und in Mesopotamien findet sich auch in Ägypten die Vorstellung, dass der Mensch aus Ton erschaffen wurde. Hier verbindet sich diese Vorstellung (neben → Ptah) mit → Chnum, von dem es heißt, dass er die Menschen auf einer Töpferscheibe geformt hat. Neben Texten (ÄHG 145; 146) ist diese Vorstellung auch in Bildern bezeugt. Diese sind auch darum beachtenswert, weil sie eigens darstellen, wie dem so geformten Menschen der Lebensatem eingegeben wird (vgl. Gen 2,7), nämlich durch eine Göttin, die dem Menschen das anch-Symbol an die Nase hält. Dass es der göttliche Lebensodem ist, der die Geschöpfe belebt, wird auch in zahlreichen ägyptischen Hymnen gesagt (ÄHG 83; 87E; 92; 97; 100; 125; 127A; 143; 145A).

3.2.4. Auserwählte Menschen

Neben der Erschaffung des bzw. aller Menschen berichten manche Texte auch von der Erschaffung besonderer Menschen. Im Alten Testament sind vor allem Verweise auf die Schöpfung Israels häufig (Dtn 32,15.18; Jes 27,11; Jes 29,16.22; Jes 43,1.7.15.21; Jes 44,2.21.24; Jes 45,9.11; Jes 54,5; Jes 60,21; Jes 63,16; Jes 64,7; Jer 18,6; Hos 8,14; Mal 2,10; Ps 95,6-7; Ps 100,3; Ps 102,19; Ps 149,2). Sie bringen eine besondere Verbundenheit Israels mit JHWH zum Ausdruck. Der Zusammenhang von Schöpfung und Erwählung zeigt sich auch in Jes 49,5 und Jer 1,5, wo es um prophetische Einzelgestalten geht. Traditionsgeschichtlich gehören diese Stellen in den Kontext der altorientalischen Königsideologie (→ König / Königtum), denn in dieser wird die Erwählung des Königs auch über seine besondere Herkunft beschrieben. Im Alten Testament zeigen das zum einen Stellen wie 2Sam 7,14; Ps 2,7 und Ps 89,27-28, in denen das Gott-König-Verhältnis als Vater-Sohn-Verhältnis beschrieben wird, und zum anderen Ez 28,13, wo es um die Erschaffung eines Königs geht, der dabei als Urmensch (im Garten Eden) beschrieben ist.

Ähnlich findet man auch im weiteren Alten Orient Aussagen über die göttliche Herkunft des amtierenden Königs, daneben manchmal auch Aussagen, wonach die Sonderstellung des Königs mit der Schöpfung als solcher gegeben ist. In Ägypten zeigt sich letztere Vorstellung in der Identifikation des Pharao mit → Horus, dem Sohn von → Osiris und → Isis. In Mesopotamien ist vor allem der Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs beachtenswert, denn dieser beschreibt, dass die Götter nach dem gewöhnlichen Menschen noch einen königlichen Menschen erschaffen.

3.2.5. Gutes und Schlechtes

Manche Schöpfungstexte thematisieren auch die Herkunft des Schlechten. Im Alten Testament verdient vor allem Jes 45,7 Beachtung, denn hier wird explizit gesagt, dass JHWH → Licht und Finsternis, Heil und Unheil schafft. Ähnlich wird Unheil auch in Jer 18,11 und Pred 7,14 auf das Schöpfungshandeln JHWHs zurückgeführt und besagt das Hiobbuch, dass zu JHWHs Schöpfung auch chaotische Elemente gehören (Hi 40,15). Andere Texte versuchen, Gott vom Unheil zu distanzieren. So wird in Gen 1,2-4 nur vom Licht gesagt, dass Gott es schafft und für gut befindet, von der Finsternis hingegen, dass sie von Anfang an da war. Und der Bogen von Gen 1,31 zu Gen 6,12 zeigt, dass Gott die Schöpfung „sehr gut“ konzipiert hatte, ihre Verdorbenheit nicht wollte, sondern von ihr überrascht wurde. Eine interessante Position findet sich im → Sirachbuch, denn hier wird dargelegt, dass Gott alle Werke paarweise erschaffen hat (Sir 33,14 [Lutherbibel: Sir 33,15]), also auch Unangenehmes und Übel (Sir 11,14.16; Sir 33,14 [Lutherbibel: Sir 33,15]; Sir 39,25.29-30 [Lutherbibel: Sir 39,30.35-36]; Sir 40,10), dass aber auch dieses seinen Zweck hat (Sir 39,30 [Lutherbibel: Sir 39,36]), sodass letztlich doch gilt, dass alle Werke gut sind (Sir 39,16.33 [Lutherbibel: Sir 39,21.39]).

Ähnlich wird auch in der Umwelt des Alten Testaments auf das Woher des Schlechten reflektiert. In Ägypten sind vor allem der Mythos von der Himmelskuh und der Sargtextspruch 1130 beachtenswert, die beide darlegen, dass nicht Gott für das Unheil in der Welt verantwortlich ist, sondern der Mensch. In Mesopotamien sind der Atrachasis-Mythos und die Erzählung vom Wurm interessante Beispiele, denn sie erklären, dass die Welt auch für den Menschen unangenehme Aspekte (wie Tod und Zahnschmerz) enthält, dass diese von Gott / den Göttern aber nicht von Anfang an so vorgesehen waren. Anders führt der Mythos von Enki und Ninmach verschiedene → Behinderungen von Menschen direkt auf die Götter zurück, zeigt aber gleichzeitig, dass solche „Mängel“ auch ihre Vorteile haben.

3.3. Schöpfungsvorgang

Neben zahlreichen Schöpfungsaussagen mit allgemeinen Verben wie „erschaffen“ oder „machen“ finden sich auch andere, die genauer beschreiben, wie sich der Schöpfungsvorgang vollzieht. Wie wörtlich oder metaphorisch sie verstanden wurden, lässt sich nur schwer entscheiden. Texte, in denen mehrere Vorstellungen kombiniert sind (Jes 43,6-7; Jes 64,7; Ps 94,9), lassen vermuten, dass sich zumindest manche der Metaphorik der Aussagen bewusst waren.

3.3.1. Handwerk (Architektur, Töpfern etc.)

Eine naheliegende Analogie für das göttliche Schaffen ist das menschliche Schaffen bzw. Handwerk. Entsprechend wird das Resultat der Schöpfung im Alten Testament häufig als das „Werk“ der „Hände“ oder auch „Finger“ Gottes beschrieben (Jes 29,23; Jes 45,11; Jes 64,7; Ps 8,4; Ps 19,2; Ps 92,5; Ps 102,26; Ps 138,8; Ps 143,5; Hi 10,3; Hi 14,15; Hi 34,19). Bei der Welt wird vor allem die Fixierung des Himmels thematisiert (Gen 1,6-8 spricht von einer „Feste“, רָקִיעַ rāqija‘, die das Wasser oberhalb des Himmels zurückhält und an der die Gestirne befestigt sind; sonst werden in der Regel נָטָה nāṭāh und anderen Verben für „aufspannen“ verwendet und manche Stellen machen die dahinterstehende Analogie zur Zeltdecke auch explizit; Jes 40,22; Ps 104,2), weiter die Verankerung der Erde auf dem Wasser (oft mit יָסַד jāsad oder auch כּוּן kûn Pol. „gründen“), wobei zum Teil auch Pfeiler erwähnt sind (1Sam 2,8; Ps 24,2; Ps 75,4; Ps 104,5; Ps 136,6; Hi 38,6). Manche Texte weisen auch auf Gemächer, die JHWH im Himmel für sich selbst gebaut hat (Am 9,6; Ps 104,3). Herrscht so bei der Weltschöpfung die Architekturmetaphorik vor, so ist es bei der Menschen- (und Tier-)Schöpfung die Metaphorik des Formens / Töpferns (oft mit יָצַר jāṣar „formen“, und / oder der Nennung von „Lehm“ u.ä.; Gen 2,7.19; Jes 29,16; Jes 45,9; Jes 64,7; Hi 10,9; Hi 33,6; Sir 33,10.13; vgl. aber auch Gen 2,22 mit בָּנָה bānāh). Dort, wo es nicht um die Menschenschöpfung im Allgemeinen geht, sondern konkret um das Werden eines neuen Menschen, überlagert sich die Töpfervorstellung mit der Vorstellung, dass Gott den Embryo im Mutterleib „formt“ (mit יָצַר jāṣar Jes 44,2.24; Jer 1,5; Ps 33,15; Ps 94,9; Ps 139,15). Hier wird die Formung aus Ton nur noch als Analogie genannt (Hi 10,9), konkret steht aber das Werden aus Sehnen, Knochen, Fleisch etc. vor Augen (Ps 139,13; Hi 10,10-11; Weish 7,1-2). Ähnlich wird die Handwerkmetaphorik durch die Vorstellungen, dass dem Lehm ein göttlicher Bestandteil (Blut, Fleisch etc.) beigemischt wird und dass die Lehmfigur durch den göttlichen Atem belebt wird, biologisch „angereichert“. Wie im Alten Testament begegnet die Architektur- und Töpfermetaphorik auch in den Quellen seiner Umwelt. Neben Gemeinsamkeiten gibt es dabei auch Unterschiede (vgl. etwa den Bau eines fünfstöckigen Kosmos aus der getöteten Tiamat im → Enuma Elisch-Epos oder die Hinweise auf die Töpferscheibe in Ägypten).

3.3.2. Biologie (Zeugung, Pflanzung etc.)

Neben dem Handwerk bietet sich die Biologie als Analogie zum Schöpfungsvorgang an. Entsprechende Vorstellungen sind vor allem in der altorientalischen Umwelt des Alten Testaments gut bezeugt, das Alte Testament selbst enthält nur wenige Hinweise. Weit verbreitet ist im Alten Orient die Vorstellung der Schöpfung durch Zeugung und Geburt – insbesondere bei der Entstehung von Gottheiten, aber auch bei der Entstehung der Welt und der Menschen. Im Alten Testament spiegelt sich die Vorstellung einer göttlichen Zeugung in der Eltern-Kind-Metaphorik, die vor allem in Bezug auf den König und Israel geläufig ist (vgl. weiter die Hinweise auf die → Göttersöhne in Gen 6,2.4; Hi 1,6; Hi 2,1). Besonders interessant sind Stellen, bei denen entsprechende Aussagen im Zusammenhang von Schöpfungsaussagen erfolgen und / oder bei denen explizit von Zeugung / Geburt gesprochen wird (Num 11,12; Dtn 32,6.18; Jes 43,6-7; Jes 45,10-11; Jes 64,7; Jer 2,27; Mal 2,10; Ps 2,7; Ps 110,3). Einige wenige Male geht es auch allgemein um die Zeugung / Geburt der Welt oder des (Ur-)Menschen (Ps 90,2; Hi 15,7; Hi 38,8-9.28-29), einmal um die Geburt der Weisheit (Spr 8,24-25).

In den Zusammenhang der Vorstellung von Schöpfung durch Zeugung gehört auch die Vorstellung von Schöpfung durch Masturbation sowie allgemein durch Körperausscheidungen. Sie ist vor allem in Ägypten geläufig, etwa in der Schöpfungstradition von → Heliopolis, nach der Schu und Tefnut aus dem Samen (Masturbation) und Speichel (Spucken) Atums entstehen, oder auch in der Vorstellung, dass die Menschen aus den Tränen Gottes erschaffen sind. Solche Vorstellungen fehlen im Alten Testament. Wohl aber finden sich hier einige weitere Aussagen, nach denen Schöpfung auf andere Weise mit biologischen Vorgängen in Zusammenhang steht. Manche Verse bringen Schöpfung mit (Ein-)Pflanzen und Wachsen in Verbindung (Gen 1,11-12.24; Gen 2,8-9; Num 24,6; Ps 94,9; Ps 104,16; Ps 139,15; vgl. auch Jer 31,27; Jer 45,4) – eine Vorstellung, die vor allem auch aus sumerischen Texten bekannt ist. Und andere machen klar, dass JHWH beim Werden des Kindes im Mutterbauch und bei der Geburt beteiligt ist (Jes 44,2.24; Jes 46,3; Jer 1,5; Ps 22,10-11; Ps 33,15; Ps 71,6; Ps 94,9; Ps 139,13-16; Hi 10,9-11; vgl. auch Gen 4,1) – solche Vorstellungen finden sich im gesamten Alten Orient.

3.3.3. Performative Rede

Vermutlich auch aus Unbehagen, das göttliche Schöpfungshandeln zu konkret zu schildern, oder um anzudeuten, mit welcher Leichtigkeit Gott erschaffen kann, wird dieses Handeln mancherorts auch als Sprechakt beschrieben: Gott spricht und es geschieht. Im Judentum und Christentum wurde diese Vorstellung durch Gen 1 prominent, sie ist im Alten Orient aber auch sonst gut bezeugt. Im Alten Testament finden sich einige weitere allgemeine Aussagen über die schöpferische Wirksamkeit des göttlichen Worts (Jes 55,11; Jer 10,13; Jer 51,16; Ps 29; Ps 33,4-9; Ps 147,15.18; Ps 148,5; Sir 42,15; Sir 43,5.13.26 [Lutherbibel: Sir 43,5.14.28]; Weish 9,1; vgl. auch Ps 107,18). Besonders häufig ist von dieser Wirksamkeit in Bezug auf das Heer des Himmels (Jes 40,26; Jes 45,12; Jes 48,13; Ps 33,6; Sir 43,10 [Lutherbibel: Sir 43,11]) und das chaotische Wasser (Ps 104,7; Hi 38,11; Sir 39,17 [Lutherbibel: Sir 39,22]) die Rede, wobei es in beiden Fällen um die Souveränität JHWHs geht.

Schöpfung 05
In der Umwelt des Alten Testaments spielt die Vorstellung von Schöpfung durch das Wort vor allem in Ägypten eine wichtige Rolle. Berühmt ist das sog. Denkmal memphitischer Theologie, ein Text mit monotheistischer Tendenz, der darlegt, wie Ptah durch sein Denken („Herz“) und Reden („Zunge“) die Götter, den Kult, die Hieroglyphen und „alle Dinge“ erschafft. Dass es bei Gottheiten genügt, dass sie reden, um Realität entstehen zu lassen, wird auch in zahlreichen anderen ägyptischen Texten gesagt (ÄHG 74; 100; 106; 170; 195) und ist auch in Mesopotamien bezeugt (Enuma Elisch III,62-64.120-122; IV,6-10.21-26; VI,131-132). Im weiteren Sinn gehört auch die Benennung von Erschaffenem in diesen Zusammenhang. Nach dem Alten Testament benennt Gott in Schöpfungskontexten nicht nur selbst (Gen 1,5.8.10), sondern überträgt dieses Recht auch dem Menschen (Gen 2,19-20.23).

3.3.4. Kampf

Schöpfung 06

Eigener Art sind die Vorstellungen von (Erhaltung der) Schöpfung durch Kampf. Sie gehören in den Zusammenhang der Tradition eines Kampfes gegen das → Chaos, bei dem es primär um die Aufrechterhaltung der (Schöpfungs-)Ordnung und die Macht des dafür verantwortlichen Gottes geht. Im Alten Testament verweisen zahlreiche Texte auf diesen Chaoskampf. Stets wird dabei betont, dass JHWH den chaotischen Mächten überlegen ist. Häufig wird das Wasser bzw. Meer als der chaotische Gegner JHWHs genannt, und beschrieben, wie JHWH ihm seinen Platz zuweist (Jes 27,1; Jer 5,22; Ps 46,4; Ps 65,8; Ps 74,13; Ps 77,17; Ps 89,10; Ps 93,3-4; Hi 26,12; Hi 38,8-11; weiter Stellen wie Ps 29,3; Ps 104,6-9; Hi 26,10; Hi 38,8-11; Spr 8,29, in denen der Aspekt des Kampfes im Hintergrund bleibt). Zum Teil wird die chaotische (Wasser-)Macht auch mit Namen genannt (→ Leviatan: Jes 27,1; Ps 74,14; Ps 104,26; Hi 3,8; Hi 40,24; → Rahab: Jes 51,9; Ps 89,11; Hi 9,13; Hi 26,12; vgl. weiter das Seeungeheuer Tannin in Gen 1,21; Jes 27,1; Jes 51,9; Ez 29,3; Ps 74,13; Hi 7,12 [→ Schlange 3.2.]; → Behemot in Hi 40,15; die flüchtige Schlange in Hi 26,13) und so stärker personifiziert. Der Blick liegt primär auf der Gegenwart, darauf, dass JHWHs Thron fest steht (Ps 93,2; Ps 29,10) und die chaotischen Mächte die Ordnung der Welt nicht ins Wanken bringen können. Manche Texte betonen, dass Gott schon von Anbeginn an König war (Ps 93) und entsprechend wird der Chaoskampf zum Teil auch mit dem uranfänglichen Schöpfungshandeln Gottes in Verbindung gebracht (Ps 74,12-17; Ps 89,10-13; Hi 26,7-13; Hi 38,4ff). Manche Texte aus dem Alten Testament bringen das Motiv des Chaoskampfs mit dem Exodus, dem Völkersturm auf den Zion und dem eschatologischen Sieg JHWHs in Verbindung (ausführlich dazu im Artikel zu → Chaos / Chaoskampf); um Schöpfung geht es dabei nur, wenn man den Begriff sehr weit fasst.

Schöpfung 07

Besonders deutlich ist die Verbindung von Chaoskampf mit der uranfänglichen Schöpfung hingegen im → Enuma Elisch-Epos, denn hier etabliert → Marduk durch den Sieg über → Tiamat nicht nur sein Königtum, sondern verwendet ihren Körper auch für den Bau des Kosmos. In anderen altorientalischen Texten fehlt der Bezug zur uranfänglichen Schöpfung, geht es beim Chaoskampf allein um den Erhalt der bestehenden Ordnung und / oder den Herrschaftsanspruch einer Gottheit gegenüber anderen. Prominente Beispiele sind der ugaritische Baal-Zyklus, in dem auch von → Baals (→ Ba’lu) Kampf gegen → Jammu (Meer) berichtet wird, sowie die ägyptische Tradition des sich Nacht für Nacht wieder neu ereignenden Kampfes des Sonnengottes Re gegen die Chaosschlange Apep / Apophis. Im tagtäglichen Kampf gegen das Chaos sind nach altorientalischem Verständnis neben den Göttern auch Menschen gefordert, insbesondere der König.

3.4. Zeit des Erschaffens

Mit den Begriffen creatio originans (oder creatio prima) und creatio continua unterscheidet die christliche Theologie die uranfängliche Erschaffung der Welt und die fortdauernde Erhaltung dieser Schöpfung. Sie knüpft damit an sehr viel ältere altorientalische Vorstellungen an.

3.4.1. Creatio continua

Schöpfung 08

Im antiken Israel hat sich der Schöpfungsglaube aus Überzeugungen zur creatio continua heraus entwickelt. Schöpfung wird darum zum Thema, weil die Menschen Gott (JHWH) als für die (Lebens-)Welt zuständig erfahren. Eine um 700 v. Chr. datierende Inschrift (Chirbet Bēt Lajj; Koordinaten: 1430.1080; N 31° 33' 50'', E 34° 55' 42'') formuliert: JHWH ist der Gott der ganzen Erde; die Berge Judas [gehören] dem Gott Jerusalems.“ (HAE 245f). Im Alten Testament finden sich zahlreiche vorexilische (wie dann auch jüngere) Verse, die die Wirksamkeit Gottes in der Welt genauer beschreiben. Im Wesentlichen geht es stets um die Aufrechterhaltung der Ordnung (der Schöpfung). Konkret thematisiert werden die Garantierung der kosmischen Ordnung (Gen 8,22; Jer 31,35; Jes 33,20.25; Ps 74,16-17; Hi 38,32-33), die Ermöglichung von Wachstum und neuem Leben durch die Gabe von Regen (Jer 5,24; Jer 10,13; Jer 14,22; Hag 1,10-11; Ps 104,13; Ps 135,7; Ps 147,8; Hi 5,10; Hi 36,27-28) und Lebensgeist (Ps 104,30; Hi 33,4; weiter Ps 29,9; Hi 39,1-2; Pred 11,5), die Fürsorge für alle Geschöpfe (Ps 104,10-23.27-28; Ps 136,25; Ps 145,14-16; Ps 146,7-9; Ps 147,9; Hi 38,39-41; Hi 39,5-6; Spr 17,5) und die Abwehr chaotischer Gegenkräfte (s.o. 3.3.4.). Ähnliche Aussagen finden sich im gesamten Alten Orient. Eigens hervorzuheben sind die ägyptischen Hymnen, insbesondere die → Aton-Hymnen der Amarna-Zeit, denn in diesen ist die Fürsorge des Schöpfergottes ein zentrales Thema.

3.4.2. Creatio originans

Stellen wie Ps 24,1-2; Ps 89,12-13; Ps 95,4-5 zeigen, wie Vorstellungen zur creatio continua zu Überlegungen zur creatio originans führen können: Die Welt gehört JHWH und er ist für sie verantwortlich, weil er sie vor Urzeiten gegründet hat. Nicht zuletzt die Priesterschrift und Deuterojesaja, die beiden alttestamentlichen Texte, die am ausführlichsten über die creatio originans reflektieren, lassen keinen Zweifel, dass sich JHWH nach der uranfänglichen Schöpfung nicht zurückzieht, sondern den Gang der Ereignisse bestimmt und gegebenenfalls sogar die Schöpfungsordnung selbst nochmals verändern kann (wobei die Priesterschrift mit Gen *6-9 von bereits in der Vergangenheit liegenden Veränderungen spricht, Deuterojesaja aber von solchen in der Gegenwart und Zukunft).

Grundsätzlich sind die meisten Aussagen über die uranfängliche Schöpfung auf die Gegenwart hin transparent formuliert, weil es ihnen nicht nur um einen Bericht über vergangene Ereignisse geht, sondern auch um eine Erklärung der Gegenwart. Besonders deutlich ist dies im Fall von Beschreibungen der Erschaffung von ersten Menschen (Gen 1,26-28; Gen 2,7.21-24), denn bei diesen interessieren nicht die ersten Menschen, sondern der Mensch an sich. Ähnlich gilt das bei Beschreibungen über die uranfängliche Entstehung der Welt, denn auch bei diesen geht es letztlich nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gegenwart, um eine Beschreibung der Welt, wie sie ist.

All das gilt im Wesentlichen nicht nur für das Alte Testament, sondern für den Alten Orient insgesamt. Eigens zu nennen ist an dieser Stelle allerdings noch der ägyptische Begriff „erstes Mal“ (zp tpj) – konkret ist dabei vor allem an das erste Aufgehen des Sonnengottes aus dem Urschlamm gedacht – und die damit verbundene Überzeugung, dass auf das „erste Mal“ unzählige weitere Male folgen. Nach ihr besteht der Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart nicht in der bleibenden Gültigkeit des urzeitlich Gesetzten, sondern in der immer wieder neuen Wiederholung. Diese ist notwendig, weil das Chaos des Urschlammes nach wichtigen (aber nicht allen) ägyptischen Traditionen durch die erste Schöpfung nicht verschwindet, sondern sich im Gegenteil von einer Kraft der Potentialität zu einer Kraft des Bösen verändert. Damit ist es gerade die creatio originans, die eine (kämpferische) creatio continua notwendig macht.

3.4.3. Creatio eschatologica

Mancherorts ist im Alten Testament von einem Schöpfungshandeln Gottes die Rede, das mit der creatio continua verwandt ist, sich durch eine eschatologische Qualität aber auch wesentlich von ihr unterscheidet (→ Eschatologie; → Neuschöpfung). Zentral sind solche Aussagen vor allem in Jes 40-55, wo wiederholt davon gesprochen wird, dass JHWH daran ist, Neues zu schaffen (s.u. 4.5.). Von einem eschatologischen Schöpfungshandeln Gottes ist auch in anderen Prophetentexten die Rede, so in → Tritojesaja von der Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde (Jes 65,17; Jes 66,22) und bei → Jeremia und → Ezechiel von der Erneuerung des Menschen bzw. Israels (Jer 24,26-27; Jer 31,22.27.33; Jer 32,39; Ez 11,19-20; Ez 36,26; vgl. Ps 51,12; im weiteren Sinn auch Ez 36,10-11).

3.5. Funktionen von Schöpfungsaussagen

Es sind keineswegs nur Schöpfungsmythen, in denen Schöpfung zum Thema wird, sondern Texte ganz unterschiedlicher Gattungen (und daneben auch die Ikonographie). Im Alten Testament wird Schöpfung neben Gen 1-3 (Schöpfungsbericht, Schöpfungsmythos) auch in hymnischen, prophetischen und weisheitlichen Schriften thematisiert. In der Umwelt des Alten Testaments treten zu diesen Gattungen weitere hinzu, etwa Listen, Beschwörungen, Kommentare, Streitgespräche und Totentexte.

Diese Vielfalt von Gattungen hängt damit zusammen, dass Schöpfung aus unterschiedlichen Gründen zum Thema wird. In den meisten Fällen geht es nicht (nur) um eine Vermittlung von Wissen über die Entstehung bzw. Erhaltung der Welt, sondern (auch) um anderes. Sehr häufig ist von Schöpfung die Rede, um damit (einen) Gott zu preisen. Im Einzelnen stehen dabei unterschiedliche Eigenschaften (dieses) Gottes im Vordergrund; grundlegend sind vor allem die beiden Aspekte Macht und Fürsorge. Im ersten Fall geht es häufig auch um die Überlegenheit des Schöpfergottes gegenüber anderen Gottheiten / Mächten, im zweiten um das Verhältnis zu den Geschöpfen. Andere (oder auch die gleichen) Schöpfungsaussagen zielen darauf, die gegebene Lebenswirklichkeit zu erklären oder auch, wie die Welt von Gott ursprünglich gedacht war. Konkret geht es um so Verschiedenes wie die Stabilität der Welt, die Güte der Schöpfung, die Herkunft von Unheil, die Abhängigkeit des Menschen von Gott, die Sterblichkeit, gesellschaftliche, kulturelle und politische Gegebenheiten, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, und vieles andere mehr.

Neben (oder auch verbunden mit) diesen beiden Grundfunktionen von Schöpfungsaussagen (Lobpreis, Erklärung der Lebenswirklichkeit) lassen sich zahlreiche weitere beobachten. In Ägypten etwa finden sich viele Schöpfungsaussagen in Totentexten, deren Hauptfunktion es ist, dem Verstorbenen den Weg ins Jenseits zu ermöglichen (→ Totenbuch). Häufig wird Schöpfung im Zusammenhang von Reflexionen über andere theologische Fragen zum Thema, im Alten Testament etwa Gerichts- und Heilshandeln Gottes, Verhältnis zu anderen Gottheiten, Weisheit / Erkenntnis, Prädestination (s.u. 4.). Manche Schöpfungsaussagen haben auch eine ethische Funktion, insbesondere solche, die an die Mitgeschöpflichkeit aller erinnern (s.u. 4.4.).

4. Alttestamentliche Texte zur Schöpfung

Die im letzten Abschnitt angesprochenen unterschiedlichen Funktionen von Schöpfungsaussagen werden nur dann sichtbar, wenn man sie in ihrem jeweiligen Kontext betrachtet. Entsprechend soll hier noch ein knapper Überblick über die wichtigsten Schöpfungstexte des Alten Testaments gegeben werden.

4.1. Priesterlicher Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a)

Als Teil der → Priesterschrift ist Gen 1,1-2,4a (kurz: Gen 1) wohl in exilisch-nachexilischer Zeit entstanden, vermutlich auch motiviert durch den Kulturkontakt mit mesopotamischen Schöpfungstraditionen. Dass hier ein polemischer Gegenentwurf gegen das → Enuma Elisch-Epos vorliegt, wie oft behauptet wurde, lässt sich aber nicht plausibel machen. Gen 1 legt dar, dass die von Gott durch perfomative Rede erschaffene Welt „sehr gut“ ist (Gen 1,31), nicht mehr das tohu-wa-bohu (Gen 1,2) des Anfangs, sondern ein wohlgeordneter Kosmos, in dem Tag und Nacht (Gen 1,3-5) sowie die Gestirne (Gen 1,14-17) die → Zeit ordnen und mit Luft, Wasser und Erde drei Lebensräume für die Luft-, Wasser- und Landtiere sowie die Menschen zur Verfügung stehen.

Schöpfung Tabelle 01
Der Text enthält mehrere formelartig wiederholte Wendungen („Und Gott sprach“, „und so geschah es“, „und Gott sah, dass es gut war“, „und es wurde Abend und es wurde Morgen: ein … Tag“). Diese sind auch darum interessant, weil sie zeigen, welche Schöpfungswerke als enger und welche als weniger eng zusammengehörend empfunden werden. So gelten die Wassertiere und Vögel lediglich als ein Schöpfungswerk, obwohl diese Tiere unterschiedliche Lebensräume bewohnen (Gen 1,20-23). Die Pflanzen gelten als eigenes Schöpfungswerk, werden aber wie das Meer und die Erde am dritten Tag erschaffen, weil erst sie die Erde zu einem bewohnbaren Raum machen (Gen 1,9-13). Die Landtiere und die Menschen gelten je als eigenes Schöpfungswerk, werden aber beide am selben Tag erschaffen, da sie sich den Lebensraum teilen. Deshalb auch muss hier genau geregelt werden, wer was essen darf (Gen 1,24-31). Unter allen Geschöpfen erhält der → Mensch – und zwar männlich und weiblich – eine Sonderstellung: nur er ist zum „Bild Gottes“ erschaffen und zum Herrscher über die Tiere eingesetzt (Gen 1,26-28; → Ebenbildlichkeit).

Nach sechs Tagen Schöpfungsarbeit „ruht“ (שָׁבַת šāvat) Gott am siebten Tag und heiligt diesen (Gen 2,2-3) – der → Sabbat ist noch kein Gebot, wohl aber in der Schöpfung verankert. Der weitere Fortgang der Priesterschrift zeigt, dass die Welt nicht „sehr gut“ bleibt, sondern „verdirbt“ (Gen 6,12). Gott reagiert mit der Flut und revidiert danach manche der Setzungen von Gen 1 (Gen 9,1-7). Dies betrifft insbesondere das Verhältnis von Mensch und Tier – Tiertötungen sind jetzt erlaubt (Gen 9,3) –, dennoch bleibt der Mensch „Bild Gottes“ (Gen 9,6).

4.2. Paradieserzählung (Gen 2,4b-3,24)

Nach Gen 1 folgt in Gen 2-3 (genau: Gen 2,4b-3,24) ein zweiter Schöpfungsbericht bzw. eine mythische Erzählung über die Erschaffung von Mensch und Tier und die Ereignisse im Paradies. Über das Alter dieser → Paradieserzählung herrscht kein Konsens. Für die Schöpfungsthematik sind zunächst drei kurze Passagen interessant, die von der Erschaffung des Menschen (Gen 2,7), der Tiere (Gen 2,19) und der Frau (Gen 2,21-22) handeln. Wird in diesen Versen Grundlegendes über das Wesen des Menschen gesagt, so legt die Paradieserzählung insgesamt dar, wie die Welt des Menschen so geworden ist, wie sie ist. Besonders deutlich zeigen das die Flüche in Gen 3,14-19, in denen es um die nicht mehr paradiesischen Lebensumstände in der realen Welt geht, sowie Gen 3,22, wo erklärt wird, dass der Mensch außerhalb des Paradieses lebt und sterblich ist, weil er durch das Essen vom Baum der Erkenntnis in anderer Beziehung bereits gottgleich geworden ist. Von Gott aus Lehm geformt und mit dem göttlichen Lebensatem belebt (Gen 2,7), war der Mensch zwar von Anfang an sterblich, solange er im Paradies war, hatte er aber die Möglichkeit, vom Lebensbaum zu essen, den Gott zusammen mit dem Erkenntnisbaum in die Mitte des Gartens gepflanzt hatte (Gen 2,9). Sowohl Gott (Gen 2,17) als auch der Mensch (Gen 3,6) interessieren sich zunächst aber nur für den anderen Baum, den dem Menschen ausdrücklich verbotenen Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Es kommt, wie es kommen muss: Die Menschen – es bleibt nicht bei einem, denn einer allein wäre einsam (Gen 2,18) – essen vom Erkenntnisbaum und leiten so den Übergang der paradiesischen zur nachparadiesischen Zeit ein. Sie gewinnen gottgleiche Erkenntnisfähigkeit, bezahlen diesen Gewinn aber durch die Vertreibung aus dem Paradies, die größere Distanz zu Gott und Verlust der Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen, bedeutet. Gleichzeitig verändert sich auch das Verhältnis zwischen → Mann und → Frau, wird aus einem ursprünglich gleichberechtigten Partnerverhältnis (Gen 2,18.20.22-24) ein hierarchisches Herrschaftsverhältnis (Gen 3,16).

4.3. Psalmen

Unter den → Psalmen sind zunächst Ps 8 und Ps 104 zu nennen, denn in ihnen ist Schöpfung das Hauptthema. Beide Psalmen loben JHWH für sein Schöpfungshandeln, die Akzente werden dabei aber unterschiedlich gesetzt. In Ps 8 geht es um die Sonderstellung des Menschen, seine Nähe zu Gott (Ps 8,6) und Herrschaft über die Tiere (Ps 8,7-10). In Ps 104 hingegen geht es um die Fürsorge JHWHs für die gesamte Schöpfung, der Mensch ist hier nur einer unter vielen. An diesem Punkt, wie auch bei zahlreichen Details, weist Ps 104 eine große Ähnlichkeit mit dem Großen Sonnenhymnus des → Echnaton (ÄHG 92) auf.

Neben Ps 8 und Ps 104 wird häufig auch Ps 19 als Schöpfungspsalm bezeichnet, denn dieser beginnt mit Versen über den Himmel und die Sonne. Im zweiten Teil des Psalms geht es dann aber um die Tora. Unabhängig davon, wie man sich die Entstehung von Ps 19 erklärt, ist diese Kombination beachtenswert, denn sie weist auf Gemeinsamkeiten zwischen Schöpfung und Tora. In Ps 19,2-5 wird auch explizit gesagt, dass der Himmel die Herrlichkeit Gottes verkündigt. Das ist nicht nur darum beachtenswert, weil es eine Form natürlicher Offenbarung beschreibt, sondern auch, weil der Himmel (wie in Ps 19,6-7 auch die Sonne) dabei als aktiv handelnd dargestellt ist. Beides ist für das Alte Testament nicht außergewöhnlich, insbesondere Aussagen, wonach die ganze Schöpfung Gott preist bzw. preisen soll, sind hier recht häufig. Die meisten dieser Aussagen sind kurz (Ps 50,6; Ps 69,35; Ps 96,11-12; Ps 98,7-8; Ps 145,10-12), mit Ps 148 liegt aber auch ein längerer Aufruf zu diesem Gotteslob der gesamten Schöpfung vor, und der ganze Psalter endet mit einer entsprechenden Aufforderung (Ps 150,6).

Überhaupt ist Schöpfung nicht nur in den so bezeichneten Schöpfungspsalmen ein Thema, sondern auch in zahlreichen anderen. In der Regel erfolgen die Schöpfungsaussagen in Form des Lobpreises. Inhaltlich geht es um die Erschaffung von Himmel und Erde bzw. Himmel, Erde, Wasser, Berge und Gestirne (s.o. 3.2.2.), den siegreichen Kampf gegen das Chaos (s.o. 3.3.4.), die Fürsorge für alle Geschöpfe (s.o. 3.4.1.) und die Erschaffung / Geburt / Sterblichkeit des Menschen (s.o. 3.2.3. und 3.3.2.). Einer eigenen Erwähnung bedürfen Ps 78; Ps 105-106; Ps 135-136, drei Geschichtspsalmen, in denen auch von JHWHs schöpferischem Handeln gesprochen wird (besonders deutlich ist Ps 136,5-9, wo es um die creatio originans geht). Wie auch Deuterojesaja und andere Texte zeigen sie, dass zumindest die Theologen der exilisch-nachexilischen Zeit zwischen Geschichts- und Schöpfungshandeln Gottes keinen wesentlichen Unterschied sahen, weil JHWH als Schöpfer der Welt natürlich auch deren Lauf bestimmt.

4.4. Weisheit

Da es bei → Weisheit wie bei Schöpfung um Ordnung geht, erstaunt es nicht, dass Schöpfung in jedem der fünf Weisheitsbücher des (griechischen) Alten Testaments ein wichtiges Thema ist. In Spr 10ff bleibt es noch bei 7 vereinzelten Aussagen (6 davon über die Menschenschöpfung), diese sind aber interessant, weil sie zeigen, dass es Fälle der Missachtung der Schöpfungsordnung sind, die zum Nachdenken über Schöpfung motivieren. Neben Spr 16,4.11 sind insbesondere Spr 14,31; Spr 17,5; Spr 22,2; Spr 29,13 beachtenswert (→ Sprüchebuch), wo es um die Geschöpflichkeit aller Menschen geht (vgl. Hi 31,15; Hi 34,19; Weish 6,7 [Lutherbibel: Weish 6,8]). Zweimal wird auch gesagt, dass JHWH den Menschen die Sinnesorgane schafft (Spr 20,12; Spr 29,13; vgl. Ex 4,11; Ps 94,9; Sir 17,6 [Lutherbibel: Sir 17,5]) – vermutlich eine implizite Aufforderung, diese Sinne auch entsprechend zu nutzen.

In der jüngeren Weisheit finden sich dann auch explizite Reflexionen über den Zusammenhang von Weisheit und Schöpfung. Ausgelöst sind sie durch Erfahrungen, die zeigen, dass Beobachtung und Reflexion allein nicht ausreichen, um die Gesetzmäßigkeiten der Welt zu verstehen. Im jüngeren Teil des → Sprüchebuchs, Spr 1-9, wird demgegenüber festgehalten, dass es dem Menschen doch möglich ist, die Ordnung der Welt zu verstehen, und zwar mit Hilfe Gottes. Zwei Passagen thematisieren in diesem Zusammenhang das Verhältnis von Weisheit und Schöpfung. Nach Spr 3,19-20 hat Gott die Welt in Weisheit erschaffen, was impliziert, dass die göttliche Weisheit in der Schöpfung präsent ist. Und nach Spr 8,22-31 war die Weisheit als erstes Geschöpf bei der Schöpfung dabei, was erklärt, warum sie die Rolle einer (Erkenntnis-)Mittlerin übernehmen kann (Spr 1,20-33; Spr 8,1-36; Spr 9,1-6