Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2013)

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Eine Befragung des Alten Testaments auf das Thema Glauben hin führt zu dem erstaunlichen Befund, dass im Vergleich zu dem im Umfang kleineren Neuen Testament relativ selten vom Glauben an Jahwe als der Haltung des Menschen vor und zu Gott die Rede ist. Während das Neue Testament 243 Belege für das Verbum πιστεύειν pistéuein „glauben“ aufweist und fast genau ebenso viele Belege für das Nomen πίστις pistis „Glaube“, begegnen im Alten Testament lediglich 51 Vorkommen der Verbalform אמן ’mn Hif. „glauben“. Es wäre jedoch ein Trugschluss, aufgrund einer solchen Statistik auf eine geringe Bedeutung des Themas Glauben im Alten Testament zu schließen. Erstens gibt es nicht selten alttestamentliche Texte, die den Glaubensvollzug thematisieren, ohne dass eine entsprechende Begrifflichkeit gebraucht wird. Wenn beispielsweise → Abraham auf die Aufforderung Jahwes hin seine Heimat und Verwandtschaft verlässt, um in das Land zu gehen, das Gott ihm zeigen wird (Gen 12,1-4), dann ist das ein Akt gehorsamen Glaubens und Vertrauens auf die Führungsmacht Jahwes und die Erfüllung seiner Verheißungen, weshalb das Neue Testament zu Recht an drei Stellen auf den vorbildhaften Glauben Abrahams (Röm 4,3-5; Gal 3,6; Jak 2,23) verweist und Abraham selbst in Hebr 11,8ff. zum „Vater der Glaubenden“ stilisiert. Zweitens scheint der Glaube als Antwort auf Gottes Wort und Tat dem Alten Testament nahezu selbstverständlich, weshalb vornehmlich dann die Rede davon ist, wenn der Glaube an die Rettermacht Jahwes in Krisenzeiten gefährdet ist und eine Bewährung des Gottesvolkes ansteht. Dies ist beispielsweise in Jes 7 der Fall, wo angesichts einer Feindbedrohung „das Herz des Königs und des Volkes wie die Bäume im Wald zitterten“ (Jes 7,2) und der Aufruf des Propheten Jesaja zur Standfestigkeit in die Aussage mündet: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (Jes 7,9). Somit ist – auch wenn das Alte Testament mit dem Wort „glauben“ sparsam umgeht – das Thema des Glaubens keineswegs ein Nebenthema.

1. Begriffliche Klärung

Das zur Bezeichnung des Glaubensvorgangs verwendete Verbum אמן ’mn Hif. geht auf die Wurzel אמן ’mn „fest / sicher / zuverlässig sein“ zurück. Der Vorgang des Glaubens erscheint in diesem Licht als ein Sichfestmachen, was soviel heißt wie: in Gott und seinem Wort einen zuverlässigen Halt und einen verlässlichen Grund finden. Das von אמן ’mn abgeleitete und als Bestätigungsformel gebrauchte Adverb אָמֵן ’āmen („Amen, gewiss, so sei es“; → Amen), mit dem sich die Gemeinde und der Einzelne verbindlich und mit allen persönlichen Konsequenzen an Gott binden (Ps 41,14; Ps 72,19; Ps 89,53; Ps 106,48; 1Chr 16,36; Neh 8,6), ist „somit kein simpler Gebetsschluss, sondern ein Bekenntnis, zu dem Gesagten in Tat und Wahrheit zu stehen, und ein Versprechen, gemäß dem Gebet oder Gebot zu leben“ (Hieke, 31). Von diesem Wortbefund her ist der Kontrastbegriff zu „glauben“ = „sich festmachen“ zunächst auch nicht das „nicht glauben“, sondern die Haltlosigkeit und die mit ihr einhergehende Angst und Widerspenstigkeit, die dann ein Nichtglauben zur Folge haben.

Zwar spielt das Verbum אמן ’mn Hif. im Alten Testament zur Umschreibung des Glaubensvorgangs eine herausragende Rolle, jedoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass die Sache des Glaubens auch in anderen Begriffen zur Sprache kommt. Der wichtigste Parallelbegriff zu אמן ’mn ist בטח btḥ „vertrauen“, womit das Sich-sicher-Fühlen bei Gott als der einzig verlässlichen Stütze im Leben gemeint ist (Ps 4,6; Ps 22,5; Ps 25,2). Weiterhin kann, wo von Glaube die Rede ist, das Alte Testament auch ירא jr’ „fürchten“ zur Umschreibung der Reaktion auf die Großtaten Gottes in Heil und Gericht einsetzen (Gen 22,12; Ex 14,31; Jer 10,7), ebenso ידע jd‘ „erkennen“, womit das Wissen um Gottes Wesen und Werk gemeint ist (1Kön 8,43; Jes 11,2; Ps 119,79; → Erkenntnis), oder דרֹש drš „suchen / fragen nach“ als Ausdruck für die Hinwendung zu Gott und als Bezeichnung für die Jahweverehrung (Ps 22,27; Hi 5,8; Klgl 3,25) und schließlich יחל jḥl „harren“ (Ps 71,14; Ps 130,5-6; Mi 4,7) sowie חכה ḥkhPi. „hoffen“ im Sinn eines Bekenntnisses der Zuversicht im Warten auf Gottes Eingreifen (Jes 8,17; Jes 64,3). „Das Alte Testament […] sagt das, was wir mit Glaube meinen, mit mannigfaltigen Ausdrucksformen, in deren Zusammenklang die Sache transparent wird“ (Baumgärtel, 1588).

2. Grundstrukturen der alttestamentlichen Rede vom Glauben

Eine Untersuchung des in אמן ’mn Hif. angezeigten Glaubensvorgangs und seiner Umstände führt zu folgenden grundlegenden Einsichten:

1. Kennzeichnend für den mit אמן ’mn Hif. umschriebenen Glaubensprozess ist der relationale Charakter. Konstruiert mit den Präpositionen ב und ל drückt אמן ’mn Hif. auf verschiedene Weise die Beziehung zu Gott und seinen Worten aus, an deren Festigkeit der Glaubende partizipiert. אמן ’mn Hif. + ל (Gen 45,26; Ex 4,1.8.9; Dtn 9,23; 1Kön 10,7; 2Chr 9,6; 2Chr 32,15; Jes 43,10; Jes 53,1; Jer 40,15; Ps 106,24; Spr 14,15) hat die Person Gottes im Blick, deren Zeugnis man im Sinn eines Vertrauensaktes Glauben schenkt, אמן ’mn Hif. + ב (Gen 15,6; Ex 14,31; Ex 19,9; Num 14,11; Num 20,12; Dtn 1,32; Dtn 28,66; 1Sam 27,12; 2Kön 17,14; Jer 12,6; Jon 3,5; Mi 7,5; Ps 78,22.32; Ps 106,12; Ps 119,66; Spr 26,25; Hi 4,18; Hi 15,15.31; Hi 24,22; Hi 39,12; 2Chr 20,20) die Person Gottes, zu der man Vertrauen hat, in der man sich festmacht, was Zuversicht und Gehorsam einschließt. In jedem Fall geht dem Glauben des Menschen ein Handeln Gottes in Tat und / oder Wort voraus. Darin soll der Mensch sich festmachen, dies soll er im Glauben für zuverlässig halten und somit von Gott als dem Starken her immer wieder neu seine Festigkeit beziehen.

2. Anders als in der heutigen Diskussion spielt für den alttestamentlichen Glauben die Frage nach der Existenz Gottes keine Rolle. Dass Gott ist und als Schöpfer und Herr der Geschichte agiert, bestreiten nach Ps 14,1 nur die Toren, also die in ihrem Denken und Handeln Verblendeten, diejenigen, die unfähig sind, vorgegebene Ordnungen des Daseins zu erkennen und anzuerkennen. Der alttestamentliche Glaube hat es vielmehr mit einer Bindung zu tun, die einzigartiger Natur ist, nämlich mit der Beziehung zwischen Jahwe und dem Volk seiner Erwählung, die auf Ausschließlichkeit beruht, wie sie vergleichsweise das erste Dekaloggebot (Ex 20,2: „Nicht soll für dich da sein ein anderer Gott mir ins Angesicht“; → Dekalog) und die Parole der deuteronomischen Reform (Dtn 6,4: „Höre Israel, Jahwe, dein Gott, ist einzig“) zum Ausdruck bringen. Und weil der Glaube Israels auf der Überzeugung basiert, von dem sich in Freiheit erschließenden Gott in Beschlag genommen zu sein, kann Israel nicht anders, als seine Geschichte glaubend auf diesen Gott hin zu verstehen. Das ist der Grund, warum das Wort glauben immer und ausschließlich auf Jahwe, den Gott Israels, bezogen ist. D.h., wer anderen Göttern „glaubt“, glaubt eben nicht.

3. Insofern der Glaube seinem Wesen nach Antwort des Menschen auf ein vorausgehendes Handeln Gottes darstellt, wird begreiflich, dass das Alte Testament den Glauben stets verbal ausdrückt, also als einen Vorgang ansieht, bei dem der Mensch nicht an ein Ende gelangt, weil eben Gott in seinem Tun nicht an ein Ende gelangt. Als Grundhaltung des Menschen vor Gott ist der Glaube daher immer wieder neu zu aktualisieren, so wie Abraham sich nach Gen 15,6 wider den Augenschein vorbildhaft in der Verheißung Gottes festmacht: „Und er glaubte Jahwe und der rechnete es ihm an als Gerechtigkeit“. Was für den Einzelnen gilt, gilt gleichermaßen auch für das Volksganze, weshalb insbesondere das → Deuteronomium das lebenslange Lernen und Lehren der Satzungen Jahwes als Aufgabe Israels herausstellt (Dtn 4,1.9). Glaube und Hingabe an Gott und an den geoffenbarten Gotteswillen gehören somit zusammen.

4. „Sich Gott glaubend zuwenden“ bedeutet nicht ein passives Anerkennen der Größe Gott, sondern eine Lebensführung, die den Menschen ganzheitlich in seinem äußeren und inneren Verhalten einfordert. Insbesondere die Belege der persönlichen Frömmigkeit legen Zeugnis von der Kraft ab, die ein Sichfestmachen in Gott und ein Vertrauen auf seine Heilsführung trotz einer Bedrohung von außen und einer Anfechtung von innen vermitteln (Ps 27,13-14; Ps 31,24-25; Ps 116,10; Dan 6,24; 2Chr 32,15), weshalb der Beter nach erfahrener Rettung die von ihm gemachte Glaubenserfahrung an die Gemeinde weitergibt.

5. Dass Glauben und Existenz Israels zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, der Glaube also für Israel eine seine Existenz begründende und sichernde Bedeutung hat, tritt nachdrücklich in Situationen zutage, die von einem Glaubensdefizit Israels geprägt sind. So wird beispielsweise in den → Königsbüchern mehrfach die Abwendung von dem wahren Gott und die Hinwendung Israels zu Baal, den Ascheren, Astarten und dem Heer des Himmels als ein Weg in die Selbstzerstörung geschildert (1Kön 16,31f.; 2Kön 21) und im Fall der Zustände unter König → Manasse sogar festgestellt, dass Israel es ärger trieb als die Heidenvölker, die Jahwe vor Israel vertrieben hat (2Kön 21,9). An eben diesem Punkt fällt dann auch der göttliche Beschluss für das Exil (2Kön 21,12ff.), mit dem das radikale Ende aller bisher tragenden Lebensformen für Israel gekommen ist. Der Glaube ist somit Vorbedingung für ein gelingendes Leben, weshalb die deuteronomische → Paränese in Dtn 30,15 mit Blick auf das Offenbarungswort Jahwes die scharfe Alternative formuliert: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor“.

6. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich schlüssig die Verbindung von Glauben und Ethik; ethisches Handeln ist geradezu eine Folge des Glaubens. So bildet beispielsweise die Glaubensüberzeugung von der dem Menschen von Gott eingestifteten Würde der → Gottebenbildlichkeit (Gen 1,26) ein Motiv für den Schutz des Mitmenschen und ein diesbezügliches Tötungsverbot (Gen 9,6). Auch der Dekalog als ein Kompendium alttestamentlicher → Ethik enthält nicht ohne Grund eine Präambel (Ex 20,2; Dtn 5,6), in der sich Jahwe seinem Volk als derjenige vorstellt, der ein Leben in Freiheit ermöglicht und daher in den Zehn Worten zu einer Glaubensantwort aufruft, die der Wahrung dieser Freiheit für ein gelingendes Leben gilt. Von daher wird weiterhin begreiflich, dass ein Glaubenszeugnis für Jahwe, den Schöpfer und Herrn der Geschichte, die Zeugenschaft Israels für seinen Gott vor den Völkern einschließt, damit auch für diese der Glaube möglich wird, wie vergleichsweise im Fall der Niniviten, die die Predigt des Propheten → Jona so betroffen gemacht hatte, dass sie „an Gott glaubten“ und ein Fasten ausriefen, bei dem „Groß und Klein Trauer anlegten“ (Jon 3,5; vgl. Jdt 14,10; Weish 12,2).

7. Wichtig für das Verständnis des Glaubensvorgangs im Alten Testament ist nicht zuletzt auch der Befund, dass die Wurzel אמן ’mn zwei charakteristische nominale Ableitungen kennt: אֶמֶת ’æmæt und אֶמוּנָה ’æmûnāh, die beide von Gott und dem Menschen ausgesagt werden können. Ersteres drückt die Verlässlichkeit, Treue aus, Letzteres die Wahrhaftigkeit und Beständigkeit, also ein Verhalten, mit dem sich einer treu bleibt. Während die Anwendung auf den Menschen oft zweifelhaft ist, gilt sie für Gott unbedingt: „Gott ist und hat אמת, er handelt in אמונה, sein Wort ist נאמן „zuverlässig“ und fordert daher האמין“ (Jepsen, 348). Glaube und Treue bzw. Beständigkeit sind nach diesem Befund nicht voneinander zu trennen. Dann aber ist Glauben auch Nachahmung des treuen und zuverlässigen Gottes, denn was dieser den Seinen erwiesen hat, erwartet er umgekehrt auch von ihnen (Ps 101,6; Jer 5,3). Programmatisch kommt dieser Sachverhalt in Jos 24,14 zur Sprache, wo Josua im Rückblick auf den Ägyptenexodus (→ Exodustradition) das Volk auffordert, Jahwe zu fürchten und ihm in vollkommener Treue zu dienen (vgl. 1Sam 12,24). Das treue Festhalten an Gott auch gegen den Augenschein sichert schließlich nach Hab 2,4 („Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben.“) dem Gerechten im Unterschied zu dem Frevler das Überleben im göttlichen → Gericht.

8. Inhaltlich ist der Glaube Israels kurz gesagt Glaube an Jahwe. Wer aber ist → Jahwe? Der Gott, der die Schöpfung als Erster und Letzter umgreift (Jes 44,6 u.ö.), der Gott, der sich in seinem Namen Jahwe (Ex 3,14: „Ich bin der ich bin da“) dazu verpflichtet hat, die Geschichte einer aus der Linie gottgewollter Entfaltung herausgefallenen Schöpfung (Gen 3; Gen 4; Gen 6-8) auf Erlösung hin mitzutragen und sie auf Vollendung bei ihm hinzuführen (Gen 2,2-3; Gen 3,21-22; Gen 8,20-22; Gen 9,1-17). Angesichts der Dynamik einer von Gott mit der Berufung Abrahams initiierten Heilsgeschichte (Gen 12,1-3) besteht die wahre Glaubenshaltung Israels darin, sich auf das immer wieder neu ergehende Wort dieses Gottes der Führung einzustellen. Weil aber dessen Führungswille wesentlich durch den von ihm gesandten Retter vermittelt wird, ist auch dieser aufgrund seiner hohen Stellung im Heilswerk Gottes ein Gegenstand des Glaubens (Ex 4; Ex 14; Ex 19).

3. Heilsgeschichtliche Dimensionen des Glaubens im Alten Testament

3.1. Glauben und murren

Mit Bezug auf die Führungsgeschichte Jahwes mit Israel stellt vor allem die deuteronomisch-deuteronomistische Tradition (→ Deuteronomismus) fest, dass das Gottesvolk keinen Glauben gezeigt und dem Walten seines Gottes gegenüber stumpf geblieben ist. Weder hat man auf Jahwes Stimme gehört (2Kön 17,14) noch auf seine Zeichen und Wunder geachtet (Num 14,11; Ps 78,22.32), sondern seiner Führung widerstrebt (Dtn 1,32; Dtn 9,23; Ps 106,24) und ihn nicht als Heiligen bezeugt (Num 20,12). Als Grund für den Unglauben wird zum einen die Angst des Volkes vor den mächtigen Bewohnern des verheißenen Landes genannt (Dtn 1,21.29), die dazu führt, dass der Ägyptenexodus in den Augen des angefochtenen und dann auch murrenden Volkes (Dtn 1,34; Num 14,27; → Murren) als ein Weg in die Vernichtung aufgefasst wird (Dtn 1,27), zum anderen der Ungehorsam und Trotz gegen Gott, dem Israel kein Vertrauen mehr entgegenbringt und dessen Wort es für unglaubwürdig erachtet (Dtn 9,23; 2Kön 17,14) – Verhaltensweisen, die dazu führen, dass die Betroffenen das verheißene Land nicht betreten dürfen und die, weil sie kein momentanes Versagen, sondern einen Dauerzustand in der Geschichte des erwählten Volkes darstellen, letztlich die Ursache für dessen sukzessiven Zusammenbruch sind (722 v. Chr. Untergang des Nordreiches Israel; 587 v. Chr. Zusammenbruch des Südreiches Juda; → Zerstörung Jerusalems); denn wer Gottes Wort gering schätzt, der vergeht.

Positiv mit Blick auf den Anfang der Führungsgeschichte Jahwes mit Israel hebt die Tradition den Glauben an Jahwe sowie an → Mose als den Offenbarungsmittler hervor (Ex 4,1.5.8f; Ex 4,30f; Ex 14,31; Ex 19,9), der hier als Urbild eines → Mittlers wie kein anderer Mensch sonst im Alten Testament hervorgehoben wird: „Als Israel sah, dass der Herr mit mächtiger Hand an den Ägyptern gehandelt hatte, fürchtete das Volk den Herrn. Sie glaubten an den Herrn und an Mose, seinen Knecht“. Diese Kongruenz zwischen der glaubenden Beziehung zu Gott und der glaubenden Beziehung zu dem menschlichen Werkzeug seiner Heilsplanung weist auf, dass der Glaube an den in die Geschichte kommenden Gott die Bezeugung durch den Mittler wesenhaft einschließt: Durch den Mittler nämlich will Gott sich kenntlich machen, weshalb dieser Gegenstand – nicht Inhalt – des Glaubens ist, denn er verkörpert die Orientierung für den Glaubensvollzug des Volkes. Daran wird nicht zuletzt deutlich, dass glauben auch das Sicheinlassen auf etwas ist, das andere bezeugen.

3.2. Glauben und bleiben

Als eschatologisch ausgerichtete → Paränese fordert das Prophetenwort Jes 7,9 unter dem Eindruck der Heilswende nach dem Exilsgericht und angesichts der Neuorientierung im Glauben an das Erlöserwirken des einzigen und einzigartigen Gottes Jahwe (Jes 43,10; Jes 53,1) den Glauben als Voraussetzung für das Überleben des Gottesvolkes vor seinem Gott ein: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“. Dieses Wort steht auf dem Höhepunkt einer theologisch gestalteten Prophetenerzählung, die in ihrem Grundbestand auf das Fehlverhalten des Königs → Ahas zur Zeit der Bedrohung durch die antiassyrische Koalition Aram-Ephraim (734-733 v. Chr.; → syrisch-ephraimitischer Krieg), der Ahas nicht beitreten wollte und deshalb assyrische Hilfe erbeten hatte (2Kön 16,7-9), zurückblickt, und die in ihrem Jetztbestand als prophetische Mahnrede an den umkehrwilligen Rest des Volkes in der nachexilischen Zeit gerichtet ist (E. Haag). Angesprochen ist somit von der erzählten Zeit her das Haus → Davids und das ihm zugehörige Volk, von der Erzählsituation der Leser her jedoch der gerettete → Rest nach dem babylonischen Exil, der über den Grund für das Ende der Davidmonarchie belehrt und im Blick auf das in der Immanuelprophetie (2Kön 16,14f; → Immanuel) angekündigte Heil ermutigt werden soll, in der Ausrichtung auf die Offenbarung des Erlösergottes die fundamentale Orientierung für die Lebensgestaltung zu suchen.

Die Glaubensaussage in 2Kön 16,9 erfolgt im Erzählkontext auf dem Hintergrund der prophetischen Mahnung an Ahas, sich zu hüten, still zu verhalten und nicht zu fürchten (2 Kön 16,4), da ein Scheitern der gegnerischen Pläne bei Jahwe beschlossen sei (2Kön 16,7-8), als ein bedingtes Heilsorakel, das den Fortbestand der Davidmonarchie von seinem Glauben abhängig macht. Die Aussage selbst ist als ein Wortspiel gestaltet, das sich auf zwei Formen des Verbums אמן ’mn bezieht und das in den Stammesmodifikationen Hifil und Nifal „Festhalten beweisen = glauben“ bzw. „festen Halt haben = bleiben“ bedeutet. Von daher kann man Jes 7,9 umschreibend wiedergeben: „Wenn ihr euch nicht festmacht, werdet ihr nicht gefestigt werden“. Das Verbum אמן ’mn ist hier absolut gebraucht, also ohne einen Akkusativ wie beispielsweise „an mich“ oder „an meine Verheißung“. Es geht somit nicht um das Fürwahrhalten der vorausgehenden prophetischen Aussage über den Untergang der feindlichen Koalition. Das diesbezügliche Urteil Jahwes ist durch Jes 7,9 nicht unter die Bedingung gestellt, so als hätte bei Nichterfüllung von Jes 7,9 der Plan der Gegner doch noch Erfolg. Es geht vielmehr um eine aus dem Wissen um Gott und seine Verheißung sich ergebende Haltung der Angesprochenen und ihre Zukunft. Ihr Bleiben in der Planung Gottes, ihr Überleben vor Gott hängt davon ab, ob die Haltung des Glaubens praktiziert wird, ob sie sich immer wieder neu in der Offenbarung Jahwes festmachen. In Blick auf die angesprochene davidische Dynastie spielt die Aussage auf die göttliche Beistandsaussage an das Haus Davids an, die sich literarisch in der Nathanverheißung (→ Nathan) 2Sam 7,16 niedergeschlagen hat: „Dein Haus und dein Königtum sollen durch mich auf Dauer bleiben (נֶאְמַן næ’man); dein Thron soll auf Dauer Bestand haben (יִהְיֶה נָכוֹן jihjæh nākôn)“. Von diesem Wort her hätte Ahas seine Glaubensfestigkeit beziehen sollen. Stattdessen verstrickten er und seine Nachfolger sich mehr oder weniger in eine Schaukelpolitik, an deren Ende der Untergang und die Dezimierung Judas stand. Diese Lehre aus der Geschichte hält der Verfasser von Jes 7,9 als eine Mahnung an den geretteten Rest der nachexilischen Zeit und den Leser generell fest: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (M. Luther) bzw. „Wer kein Amen erklärt, der kein Amen erfährt“ (H.W. Wolff, 23) und „Wenn ihr nicht vertraut, so bleibt ihr nicht betreut“ (M. Buber). Zu den Übersetzungsvarianten vgl. Wildberger, Jesaja I, 283.

Ebenfalls mit Bezug auf die Heilswende nach dem Exil ist die prophetische Ankündigung zu verstehen, dass derjenige, der an die Vollendung der Heilsoffenbarung Jahwes auf Zion glaubt, im kommenden Gottesgericht nicht zu weichen braucht: „Darum – so spricht Gott, der Herr: Seht her, ich lege einen Grundstein in Zion, einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist: Wer glaubt, der wird nicht weichen“ (Jes 28,16). Da Jahwe Jerusalem nach dem Maßstab Recht und Gerechtigkeit richten wird (Jes 28,17), bedeutet dies für die Glaubenspraxis, dass allein derjenige, der sich im Tun von Recht und Gerechtigkeit bewährt, im göttlichen Zorngericht bestehen wird. Der Prüfstein, an dem sich Heil und Unheil, Leben und Tod entscheiden, ist also der Glaube.

Schließlich hat Jes 7,9 in der chronistischen Kriegspredigt des judäischen Königs → Joschafat angesichts der Bedrohung durch die östliche Koalition von → Moab und → Ammon in 2Chr 20,20 eine ins Positive gewendete Auslegung erfahren: „…Beim Aufbruch trat Joschafat hin und rief: Hört mir zu, Juda und ihr Einwohner Jerusalems! Glaubt an Jahwe, euren Gott, dann werdet ihr bestehen. Glaubt an seine Propheten, dann werdet ihr Erfolg haben“. Entsprechend der paränetisch-didaktischen Absicht des Chronisten (→ Chronikbücher), an der nachsalomonischen Königsgeschichte den Zusammenhang von Schuld und Strafe sowie von rechtem Tun und Hilfe Gottes zu verdeutlichen, ist das Wortspiel um das Verb אמן ’mn „glauben“ hier auf den Propheten ausgeweitet und gipfelt in der Zusage des Erfolgs. Wenn also Israel Jahwe und seinen Propheten glaubt, d.h. sich in ihm bedingungslos festmacht, dann wird es als Volk der Erwählung eine Zukunft haben.

3.3. Glaube und Vollendung

Im Blick auf die an → Abraham ergangene Nachkommen- und Landverheißung stellt Gen 15 den Glauben des Erzvaters als idealtypisch für die → Gerechtigkeit im Sinn einer gottgemäßen Lebensführung und Bekenntnistreue dar. Denn nachdem Abraham aufgrund zweifelnder Rückfrage angesichts der immer noch ausstehenden Erfüllung der göttlichen Verheißung mit der Ansage einer unzählbaren Nachkommenschaft eine neue, größere Verheißung erhalten hat, in der Jahwe mit Blick auf die Vollendung des Verheißungsgeschehen sein Versprechen an den Erzvater bekräftigt, ist diesem eine besondere Glaubenskraft abverlangt: „Und er (Abraham) glaubte Jahwe, und er (Jahwe) rechnete es ihm (Abraham) als Gerechtigkeit an“ (Gen 15,6; vgl. Ps 106,31). In dieser kontrovers diskutierten Feststellung ist zu beachten, dass der auf das zukünftige Heilshandeln Gottes ausgerichtete Glaube kein blindes Vertrauen meint. Vielmehr setzt Jahwe selbst den Menschen Abraham durch die Vergabe seiner Verheißung in den Stand, dass er im Glauben antworten kann. Aufgehen kann Abraham die Wahrheit der Heilszusage Jahwes in ihrer geschichtswirksamen Kraft aber nur, weil er - vom Habitus her gesehen - offen für Gott und sein Handeln ist. In ihm hat er den Halt für sich erkannt, sodass er seinen Glauben in den geschichtlichen Widerfahrnissen zu bewähren in der Lage ist. Dass er mit dieser Haltung eine Bestätigung durch Gott erhält und selbst in Jahwes Plan einbezogen wird, erläutert der zweite Teil der Aussage von Gen 15,6.

Der Begriff צְדָקָה ṣədāqāh „Gerechtigkeit“, der hier die Bestätigung Abrahams in den Augen Gottes umschreibt, ist von Haus aus ein Ordnungsbegriff und meint im Alten Orient ein Verhalten entsprechend der göttlichen Gerechtigkeitsordnung, die der Welt eingestiftet ist und aufgrund derer sich Natur und Kosmos segensreich entfalten. Dieser Auffassung von einer statischen Gerechtigkeitsordnung für Natur und Welt stellt das Alte Testament die Dynamik einer auf Vollendung ausgerichteten Heilsordnung gegenüber, weshalb Gerechtigkeit von Gott her gesehen dessen Heilstaten zur Aufrichtung und Durchsetzung einer Heilsordnung meint. Wird der Begriff Gerechtigkeit vom Menschen ausgesagt, wie dies in Gen 15,6 der Fall ist, geht es folglich nicht um eine moralische Qualität oder ethische Tugend, sondern um ein Handeln in Entsprechung zu dem Heilswirken Gottes. Nicht der im landläufigen Sinn „anständige“ Mensch ist gemeint, sondern der Mensch, der Maß nimmt an der Gerechtigkeits- und Heilsordnung Jahwes (vgl. Lev 19,26). Daraus folgt: Das Prädikat „gerecht“ wird dem zuerteilt, der sich einem bestehenden Gemeinschaftsverhältnis gegenüber richtig verhält, der also den Ansprüchen gerecht wird, die von diesem Gemeinschaftsverhältnis an ihn gestellt werden. Merksatzartig gesprochen: Gott wird sich gerecht, wenn er seine Heilsordnung für das von ihm Geschaffene aufrichtet; der Mensch wird Gott gerecht, wenn er sich in seinem Tun dieser Heilsplanung Gottes zuordnet.

Die von Abraham praktizierte Glaubenshaltung erfährt von Gott her eine Bestätigung, ausgedrückt mit dem Verbum חֹשב ḥšb „erachten / halten für / anrechnen“, das die Vorstellung einer rechnerischen Bewertung und Einschätzung vermittelt. Wahrscheinlich greift der Verfasser hier auf eine im Schuldrecht vorgeprägte Redeweise zurück (2Sam 19,20; Ps 32,2). In einer analogen Weise wird in Gen 15,6 mit der Feststellung des Anrechnens ein abschließendes Urteil über die Glaubenshaltung Abrahams gesprochen und damit auf die Modellfunktion Abrahams für den gläubigen Menschen hingewiesen. Zwei Sachverhalte sind für die in diesem spätnachexilischen Text thematisierte Glaubenshaltung von Bedeutung: 1. Der Glaube Abrahams an die Verheißung Jahwes wird zum Wesensmerkmal einer Gerechtigkeit vor Gott erklärt, die der Mensch sich nicht selber anrechnen, sondern die nur Gott allein beurteilen und feststellen kann. 2. Dieses Urteil Jahwes bedeutet, dass Abraham eine Modellfunktion für einen eschatologisch geprägten Glauben hat, der sich nicht von einem den Verheißungen zuwiderlaufenden Augenschein, sondern von den Zielen der Planung Gottes bestimmen lässt. Diese eschatologische Dimension ist dem biblischen Glauben wesenseigen (→ Eschatologie).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glaube als Sichfestmachen in und Vertrauen auf Jahwe auch und gerade angesichts einer Verborgenheit Gottes in seiner Weltlenkung in dieser Hinsicht sicherlich ein Thema des gesamten Alten Testamentes ist, wenngleich der Sachverhalt im Wort אמן ’mn Hif. als einer Art „Oberbegriff für das rechte Gottesverhalten“ (K. Haacker) in besonderer Weise zur Sprache kommt.

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