2. Korinther (11,18.23b-30); 12,1-10 | 5. Sonntag nach Trinitatis | 30.06.2024
Einführung in den 2. Korintherbrief
Der 2 Kor
1. Verfasser
Paulus ist der einzige ntl. Autor, über den wir genauere Kenntnisse haben. Geboren (vermutlich zwischen 1 und 10 n.Chr.) in Tarsus, ist die Zeit vor seiner Berufung (32/33 v.Chr.) nur in Umrissen erkennbar; über die Zeit bis zum Beginn der selbständigen Mission in Europa (Philippi: 50 n.Chr.) gibt es schon wesentlich mehr Nachrichten, und über die letzten rund 12 Jahre seines Wirkens, d.h. bis zur Hinrichtung in Rom
2. Adressaten
Die im Jahre 51/52 n.Chr. gegründete „ekklesia“ war in sich keine homogene Einheit, wie bereits aus 1 Kor 1-3
3. Entstehungsort
Ob es ‚den‘ einen Entstehungsort gab, hängt davon ab, ob man den vorliegenden 2 Kor als Brief ansieht, der einheitlich abgefasst und abgeschickt worden ist, oder ob man ihn als eine spätere Kompilation mehrerer ursprünglich eigenständiger Briefe beurteilt. In der Literatur wird unter der Voraussetzung der Einheitlichkeit als Zeit der Spätherbst 55 und als Ort Makedonien, (d.h. eine der dortigen christlichen Gemeinden) genannt. Dies beruht auf den Angaben in 2,12f; 7,5-7. Rechnet man mit mehreren Briefen, sind Ort und Zeit der Abfassung für die einzelnen Briefe getrennt zu klären.
4. Wichtige Themen
Die Frage der Briefkompilation:
Ein in der Exegese des 2 Kor bis heute umstrittene Frage ist, ob es sich bei diesem Text um ein einheitlichen Brief handelt, ob er also in der vorliegenden Form abgefasst und als ganzer abgeschickt worden ist, oder ob es sich um eine Zusammenstellung mehrerer ursprünglich einzeln verfasster Briefe handelt. Grund für die Debatte sind massive Schwierigkeiten, die gegen die Einheitlichkeit sprechen:
1. In 2 Kor 7,5-16 herrscht (nach einer überwundenen Krise) volles Vertrauen zwischen Paulus und der Gemeinde, dagegen tobt in 10,1-13,10
2. Auch innerhalb von 1,1-9,15
- 1.Die in 2,12f begonnene Erzählung von der Reise des Paulus, um Titus zu treffen, wird abrupt unterbrochen und erst in 7,5 fortgesetzt. Dafür gibt es in den übrigen Briefen des Paulus keine Parallele.
- 2.In 6,12f; 7,2-4 (also direkt vor dem Neueinsatz 7,5) findet sich zudem ein Briefschluss, der sich von dem in 7,16 deutlich unterscheidet: Hier, in 6,12f; 7,2-4, wirbt Paulus um das Vertrauen der Gemeinde, das nach 7,15f doch vollständig wiederhergestellt ist.
- 3.In Kap 8 und 9 wird zweimal die geplante Kollekte für die Gemeinde in Korinth behandelt. Beide Kapitel sind untereinander unverbunden und haben auch keine Verbindung zu den übrigen Teilen des Briefes.
- 4.Schließlich ist 6,14-7,1
ein Fremdkörper, der mit seiner scharfen Abgrenzung nach außen wichtigen Aussagen des 1 Kor widerspricht und häufig für unpaulinisch gehalten wird (so F. Lang, D.-A. Koch, M.M. Mitchell).
Nimmt man ernst, dass hier ganz unterschiedliche Situationen im Verhältnis zwischen dem Apostel und seiner Gemeinde sichtbar werden, ist eine einheitliche Interpretation kaum möglich, auch wenn dies immer wieder versucht wird (so Th. Schmeller). Eine mögliche Rekonstruktion der Briefabfolge (und der Krise zwischen Apostel und Gemeinde) rechnet mit 5 Briefen (so M.M. Mitchell; D.-A. Koch):
Brief A: „1. Kollektenbrief“ (2 Kor 8; Mai 54): Paulus versucht die Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem
Brief B: „Apologie“ (2 Kor 2,14-6,13
Brief C: sog. „Tränenbrief“ bzw. „Kampfbrief“ (2 Kor 10,1-13,10
Die Briefe A/B/C sind von Ephesus aus verfasst. Danach reist Paulus zunächst nach Alexandria Troas, hat dort keine Nachricht von Titus, reist diesem im Winter 54/55 nach Makedonien entgegen (2,12f; 7,5-7); dort trifft er Titus, der von der erfolgreichen Versöhnung berichtet. Die Reaktion ist:
Brief D: „Versöhnungsbrief“ (2 Kor 1,1-2,13
Brief E: „2. Kollektenbrief“ (2 Kor 9; April/Mai 55): Die wiederaufgenommene Kollekte soll möglichst bald beendet werden.
Verfasst sind die beiden letzten Briefe in einer Gemeinde in Makedonien (also Philippi, Thessaloniki
5. Inhaltliche Schwerpunkte
Zentrales Thema von „Apologie“ und „Kampfbrief“ ist das Apostelamt, und zwar insbesondere die Schwachheit und das Leiden des Apostels. Dies passt nicht zu dem offensichtlich vielfach erwünschten Bild eines religiösen Heros, der in seiner Person die Überlegenheit der eigenen Botschaft anschaulich werden lässt. Paulus nimmt diese Kritik auf, ohne sich ihr anzupassen. Im Gegenteil: Wenn er der Apostel des Gekreuzigten ist (vgl. 1 Kor 2,2), dann sind Schwachheit und Leiden kein Zufall. Natürlich hebt Paulus die Größe seines „Dienstes“ hervor, der eine διακονία τοῦ πεύματος, ein „Dienst des Geistes“ ist (3,8), aber: „Wir haben diesen Schatz in tönernen Gefäßen“ (4,6). Insofern ist es kein Zufall, dass es in beiden Briefen B und C, den umfangreichsten Briefen innerhalb der Briefkompilation, sogar jeweils zwei Leidenskataloge gibt (Brief B „Apologie“: 4,8f; 6,4-10 / Brief C „Kampfbrief“: 11,24-29; 12,10). Die Aussagen über das Apostelamt kulminieren in der geradezu klassischen Definition dieses Amtes, das auf dem Versöhnungshandeln Gottes beruht und in dem seinerseits das Apostelamt als „Dienst der Versöhnung“ (5,16-6,2
Literatur:
- Eve-Marie Becker, Schreiben und Verstehen. Paulinische Briefhermeneutik im Zweiten Korintherbrief, NET 4, Tübingen 2002.
- Dietrich-Alex Koch, Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen 22014, 214‒315. 333‒337.
- Margret M. Mitchell, Art. Korintherbriefe, RGG4 4, 2001, 1688–1694.
Kommentare
- Friedrich Lang, Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986.
- Thomas Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther. Teilband I. 2 Kor 11,–7,4, EKK 7/1, Neukirchen-Vluyn/Ostfildern 2010.
- Margaret E. Thrall, The Second Epistle to the Corinthians, Volume I. Introduction and Commentary on II Corinthians I–VII / Volume II. Commentary on Corinthians VIII–XII, ICC, Edinburgh 1994 und 2000.
A) Exegese kompakt: 2. Korinther 12,1-10
Der kanonische 2 Kor ist, anders als der 1 Kors Briefe alle von Paulus, und sie sind alle an die gleiche Gemeinde, Korinth, gerichtet. Geschrieben wurden sie alle im Anschluss an den 1 Kor. Eine klare Struktur ergibt sich, wenn man mit fünf Briefen rechnet, die alle innerhalb von etwa 12 Monaten verfasst wurden, aber im jetzigen 2 Kor nicht in ihrer ursprünglichen Abfolge enthalten sind. Ordnet man diese Briefe zeitlich, so ergibt sich als Reihenfolge:
A 8,1-24 "1. Kollektenbrief"
B 2,14-6,13
C 10,1-13,10
D 1,1-2,13
E 9,1-15 "2. Kollektenbrief"
In dieser Abfolge spiegelt sich eine tiefe Krise zwischen Paulus und der von ihm gegründeten Gemeinde in Korinth wider, die etwa eineinhalb Jahre, nachdem Paulus von Korinth nach Ephesos gewechselt ist, ihren Anfang genommen hat. Gegenstand der Krise war die Frage nach der Gestalt des Apostelamtes. Schon in der "Apologie" wird die Frage nach der "Befähigung" des Apostels gestellt (2,16; 3,5-6). In der Gemeinde bestand offensichtlich der Wunsch nach einem auch öffentlich überzeugendenden Apostel, der durch Auftreten, Erscheinung und Redekunst die Überlegenheit der neuen Botschaft auch glaubwürdig verkörpern konnte – ein Wunsch, dem Paulus nicht entsprechen konnte und auch nicht wollte. Bei einem spontanen Besuch in Korinth (in der Forschung als "Zwischenbesuch" bezeichnet) versuchte er, die Kritik auszuräumen. Das Gegenteil ist jedoch eingetreten. Es ist zu einer Konfrontation mit einem Mitglied der Gemeinde gekommen, die Gemeinde insgesamt hat offenbar ihren Apostel nicht unterstützt, der sich, u.U. auch durch eine krankheitsbedingte Schwäche, nicht durchsetzen konnte, so dass Paulus die Gemeinde gedemütigt verlassen musste. In dieser Situation schreibt Paulus, mit dem Rücken zur Wand, den „Kampfbrief", um die schon weitgehend verlorene Gemeinde doch noch zurückzugewinnen. Zu diesem Brief gehört auch der Predigttext 2 Kor 12,1-10.
Übersetzung
(1) Sich zu rühmen ist notwendig. Es ist zwar nicht nützlich, aber ich will zu den Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn kommen.
(2) Ich kenne einen Menschen in Christus, der vor vierzehn Jahren,
ob im Leibe, weiß ich nicht,
oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß (es),
entrückt wurde bis zum dritten Himmel. (3) Und ich kenne einen solchen Menschen,
ob im Leib, oder ohne den Leib, weiß ich nicht, Gott weiß (es),
(4) dass er entrückt wurde ins Paradies und unaussprechliche Worte hörte, die ein Mensch nicht (weiter)sagen darf. (5) Für einen solchen will ich mich rühmen, für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, es sei denn der Schwachheiten. (6) Wenn ich mich nämlich (selbst) rühmen würde, wäre ich nicht töricht, ich würde nämlich die Wahrheit sagen. Ich verzichte aber (darauf), damit mir nicht jemand (etwas) zurechne über das hinaus, was er mich (tun) sieht oder (was) er von mir hört (7) und wegen des Übermaßes der Offenbarungen.
Daher, damit ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Stachel für das Fleisch gegeben, der Engel des Satans, damit er mich misshandelt, damit ich mich nicht überhebe. (8) Seinetwegen habe ich dreimal den Herrn angefleht, damit er von mir ablässt. (9) Und er hat mir gesagt:
„Es genügt dir meine Gnade,
denn die Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“
Sehr gern will ich mich nun lieber meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi in mir Wohnung nimmt. (10) Deshalb willige ich ein
in Schwachheiten,
in Misshandlungen,
in Nöte,
in Verfolgungen und Bedrängnisse
um Christi willen.
Denn immer wenn ich schwach bin, bin ich stark.
1. Fragen und Hilfen zur Übersetzung
V. 7: Die geläufige Wendung vom "Pfahl im Fleisch" entspricht nicht dem griechischen Text: σκόλοψ kann zwar auch den Pfahl als Folterwerkzeug bezeichnen, in der Septuaginta jedoch den Dorn; und er ist τῇ σαρκί, d.h. „für das Fleisch" gegeben, also keine permanente Behinderung, sondern eine schmerzhafte, aber phasenweise Beeinträchtigung; dazu passt κολαφίζειν (schlagen, prügeln).
2. Zur Struktur des Textes
Der Text besteht aus zwei Teilen: a) V. 2-6 handeln von den "Erscheinungen und Offenbarungen" des Paulus, in V. 7‒10 sind die "Schwachheiten" des Apostels, insbesondere seine Krankheit das Thema. Der erste Teil enthält zwei Parenthesen, die den Charakter der Erscheinung/Offenbarung erläutern (V. 2 und 3), der zweite Teil am Schluss einen sog. Peristasenkatalog (V. 10)
3. Kontext und Argumentation
Schon in dem vorangegangenen Brief, der "Apologie" (2,14-6,13
Der zweite Teil des Textes betrifft das Problem, an dem in Korinth vor allem Anstoß genommen wurde, das Problem der Schwachheit des Apostels. Die in Korinth (zumal nach dem missglückten Zwischenbesuch) vorherrschende Sicht hat Paulus in 10,10 selbst zitiert: "Die Briefe sind gewichtig und stark, aber die Erscheinung (παρουσία) des Leibes ist schwächlich und seine Rede ist jämmerlich". Was ihm in den Augen der Gegner fehlt, ist die überzeugende Präsenz im öffentlichen Auftreten, seine 'Performance'. Auf diese Kritik muss Paulus notgedrungen eingehen, und er tut das in einem beispiellosen Akt der Selbstentblößung: Er spricht von dem "Stachel für das Fleisch", der er als "Engel des Satans" bezeichnet, der ihn schlägt und misshandelt (V. 7), d.h. er spricht von seiner Krankheit.
Über die Krankheit des Paulus ist vielfach spekuliert worden, aber Paulus liefert keine Beschreibung seiner Krankheit, sondern er interpretiert sie sofort als Werk des "Engels Satans". Faktisch ist von schweren Muskelkrämpfen über Migräneanfälle bis zur Nierenkolik sehr vieles denkbar.
Im Rahmen des Themas der "Schwachheit" erfolgt jetzt etwas, was Paulus im Blick auf die "Erscheinungen und Offenbarungen" verweigert hat: Die Mitteilung eines Offenbarungsworts des Herrn. Paulus hat drei Mal zum Κύριος darum gebetet, von seinem Leiden erlöst zu werden, aber die Bitte ist abschlägig beschieden worden. Schon diese Tatsache selbst passt schlecht zu dem Bild einer strahlenden religiösen Persönlichkeit, das in Korinth eigentlich erwünscht ist. Die Antwort, „Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft vollendet sich in der Schwachheit“ ist negativ und positiv zugleich: Sein Leiden bleibt, aber ihm bleibt weiterhin auch die bisher schon gewährte Gnade, und diese kommt gerade in der Schwachheit des Apostels zum Zuge. Schon in der "Apologie" hat Paulus in 4,7 formuliert: "Wir haben diesen Schatz (gemeint ist das Apostelamt) in irdenen Gefäßen, damit das Übermaß der Kraft von Gott kommt und nicht von uns". Das begegnet hier jetzt in zugespitzter Form. Damit wird jedoch nicht "Schwachheit" als "Stärke" ausgegeben. Die menschliche Schwachheit bleibt Schwachheit, und Paulus hat sich sein Leiden nicht ausgesucht, sondern um dessen Beendigung gebetet. Aber er kann begreifen, dass die Gnade, die ihm zugesagt es, es ihm ermöglicht, trotz der Schwachheit Gottes Auftrag ausführen zu können. Es geht darum, dass nicht seine Kraft, sondern die Kraft Christi in ihm wohnt (V. 9), die ihn auch in den widrigen Umständen (Peristasen) hält und trägt.
4. Theologische Perspektivierung
Der Schlusssatz: "Denn wenn ich schwach bin, bin ich stark", klingt wie eine allgemeine Wahrheit, aber genau das ist sie nicht. Dass Paulus in das Leiden einstimmen kann, und seine Einsicht, dass gerade so Gottes Kraft die allein wirksame Größe ist, die ihn bestimmt und trägt, das ist unabhängig von der durchlittenen Situation nicht zu haben.
B) Praktisch-theologische Resonanzen
1. Persönliche Resonanzen
Paulus kämpft um die Gemeinde in Korinth. Um „seine“ Gemeinde. Nein, das ist falsch gesagt, würde er sofort einwenden. Die Menschen gehören ja nicht ihm. Aber er hat ein gefährliches Abdriften beobachtet: Da stehen welche hoch im Kurs, die beeindruckend von unglaublichen spirituellen Erlebnissen reden. Influencer, die alles richtig machen. Danach lechzen die Leute. Der gekreuzigte und auferstandene Christus, eine Gemeinschaft aus höchst unterschiedlichen Menschen, die zusammenhalten sollen, ein Apostel, der immer wieder Schmerzanfälle hat, die ihn außer Gefecht setzen – das ist nicht anziehend. Die Christen in Korinth haben attraktivere Persönlichkeiten entdeckt, um die sie sich sammeln. Paulus kämpft um die Gemeinde in Korinth. Deshalb geht er auch auf das ein, das so attraktiv ist: Diese überwältigenden spirituellen Erfahrungen. Er kennt das auch! Aber nein, er schildert es nicht. Das ist ihm zu blöd. Nicht nur zu blöd, es ist einfach grundfalsch, damit punkten zu wollen. Deshalb erzählt Paulus auch nichts von seinen mystischen Erlebnissen. Er bietet da keinen Inhalt. Man kann gerade so heraushören: „Ich kenne intensive, himmlische Erlebnisse. Aber darauf kommt es nicht an. Das ist nichts, um sich herauszuheben.“
Aber dann, dann macht Paulus sich doch nackt. Spielt an auf etwas Beschämendes, Peinlich. Wird ganz persönlich: Er hat Einschränkungen. Was genau mit dem „Stachel für das Fleisch“ gemeint ist, darüber haben sich die Gelehrten seit zweitausend Jahren den Kopf zerbrochen. Man weiß es nicht wirklich. Aber es ist ein starkes Bild. Immer wieder Stiche, bösartige Schläge, die ihm wehtun. Eine Krankheit ist wohl gemeint, was genau, wissen wir nicht, jedenfalls sehr harte und klare persönliche Grenzen. Ganz ehrlich sagt Paulus, dass er die gerne los hätte. Und – dann, o Wunder! – zitiert er ein Wort des himmlischen Jesus ganz direkt: „Die Gnade genügt. Die – göttliche ‒ Kraft vollendet sich in den Einschränkungen.“ Deshalb gibt es doch was zu rühmen – nämlich genau diese Einschränkungen – und die Kraft Christi.
2. Thematische Fokussierung
Die Auseinandersetzung des Paulus mit der Gemeinde in Korinth führt zu einer Auseinandersetzung mit seinen eigenen Einschränkungen. Wie gehe ich mit meinen Grenzen um? Hilft das zehnte Video, zwanzigste Buch zur Selbstoptimierung? Was ist mit den Dingen, die ich eben gar nicht beeinflussen kann? Dabei ist noch eine Vertiefung wichtig: Paulus geht es nicht um Selbsterkenntnis oder die Verbesserung des eigenen Lebens, sondern darum, seinen Auftrag ausführen zu können. Der hat damit zu tun, Menschen mit Christus und Gott in Verbindung zu bringen und so als Gemeinde zusammenzuhalten. Anteil an diesem Auftrag haben wir alle, nur Mut!
3. Theologische Aktualisierung
Das berühmte Bonhoeffer-Diktum fällt mir ein: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
Meine 99jährige Freundin, die unter vielen Einschränkungen leidet, sagt: „Ich habe so viel Zeit. Da kann ich mich immer wieder in Ruhe hinsetzen und beten.“
Auf die Gnade Christi sich verlassen – es hört sich manchmal so wenig an und ist doch so viel.
4. Bezug zum Kirchenjahr
Der Sonntag ermuntert: Geht die Aufgaben an, die Gott euch gibt! Dazu müsst ihr nicht vollkommen sein, ihr seid ja „im Auftrag des Herrn unterwegs“! Dies verdeutlicht die AT-Lesung von Abrahams Berufung (Gen 12) und aus dem Evangelium Lukas 5 (der Fischzug des Petrus). Auftrag und Entlastung werden in einem ausgesprochen.
5. Anregungen
Paulus bietet sich an zur Identifikation. Zur Vorbereitung der Predigt müssen wir uns zunächst klar machen, was Paulus' Auftrag war und wie unsere Aufträge aussehen, dazu sei an 1 Kor 12 erinnert! Dann lohnt eine doppelte Suchbewegung: 1. Wo liegen die eigenen Grenzen und Einschränkungen? Habe ich es schon selbst erlebt, wie Gottes Kraft in, mit und unter diesen Grenzen wirkte? 2. Kenne ich Menschen mit offensichtlichen Handicaps, denen ich die Rede von Gott gerade deshalb abnehme? Oder in deren Nähe ich Gottes Nähe spüre?
Autoren
- Prof. a.D. Dr. Dietrich-Alex Koch (Einführung und Exegese)
- Dr. Bianca Schnupp (Praktisch-theologische Resonanzen)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/500049
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