Die Aufstände von Abschalom und Scheba (Kapitel 13 bis 19)
Amnon und Tamar
1Bald darauf verliebte sich Davids Sohn Amnon in Tamar, eine Schwester von Davids Sohn Abschalom. Tamar war eine sehr schöne Frau. 2Amnon war so besessen von seiner Halbschwester, dass er vor Begierde krank wurde. Denn als unverheiratete junge Frau ⸂wurde sie sehr behütet⸃, und er sah keine Möglichkeit, an sie heranzukommen.
3Amnon hatte einen sehr klugen Freund. Er hieß Jonadab und war ein Sohn von Davids Bruder Schima. 4Er fragte Amnon: »Warum bist du jeden Morgen so niederschlagen, Königssohn? Willst du mir nicht sagen, was los ist?« »Ich bin verliebt in Tamar, die Schwester meines Halbbruders Abschalom«, gestand Amnon. 5Jonadab riet ihm: »Leg dich ins Bett und stell dich krank. Wenn dein Vater dich besucht, dann sag zu ihm: ›Meine Schwester Tamar soll kommen und mir etwas zu essen machen. Ich will ihr dabei zusehen und mir das Essen von ihr persönlich geben lassen.‹«
6Amnon legte sich also ins Bett und stellte sich krank. Als der König ihn besuchte, bat er: »Lass meine Schwester Tamar hierherkommen. Sie soll vor meinen Augen ein paar kleine Kuchen zubereiten und sie mir persönlich reichen.« 7David schickte jemand zu Tamar und ließ ihr sagen: »Bitte komm ins Haus deines Bruders Amnon und mach ihm etwas zu essen.«
8So ging Tamar zu Amnon ins Haus. Er lag auf seinem Bett und schaute ⸂durch die Tür seiner Kammer⸃ zu, wie sie den Teig knetete, die Kuchen formte und alles ⸂in der Pfanne⸃ backte. 9Schließlich nahm sie die Kuchen aus der Pfanne und legte sie auf einen Teller. Doch Amnon weigerte sich zu essen. »Die anderen sollen erst hinausgehen«, verlangte er. Als alle draußen waren, 10bat er Tamar: »Bring mir das Essen in die Kammer. Ich will, dass du es mir mit eigener Hand gibst.« Tamar nahm die Kuchen, die sie gebacken hatte, und brachte sie ihrem Bruder Amnon ans Bett. 11Doch als sie ihm davon geben wollte, packte er sie und sagte: »Komm, Schwester, schlaf mit mir!« 12»Nein, mein Bruder«, rief sie. »Zwing mich nicht dazu! Das ist in Israel nicht erlaubt. Begeh nicht eine solche Schandtat! 13Was würde dann aus mir? Ich könnte die Schande nicht ertragen. Und du würdest in ganz Israel als gewissenloser Schurke dastehen. Rede doch mit dem König. Er wird dir sicher erlauben, mich zu heiraten.«
14Aber Amnon wollte nicht auf sie hören. Er überwältigte und vergewaltigte sie. 15Danach schlug seine Liebe zu ihr in Hass um. Seine Abscheu war nun größer, als sein Verlangen gewesen war. »Steh auf«, herrschte er sie an, »und mach, dass du verschwindest!« 16»Nein, jag mich nicht weg«, flehte sie. »Das wäre noch schlimmer als das, was du mir gerade angetan hast.« Doch auch diesmal wollte Amnon nicht auf sie hören. 17Er rief seinen Kammerdiener und befahl ihm: »Schaff mir diese Frau aus den Augen! Wirf sie hinaus und verriegle die Tür hinter ihr.«
18Wie alle unverheirateten Töchter des Königs trug Tamar ein besonders prächtiges Gewand. Als der Diener sie hinausgeworfen und die Tür verriegelt hatte, 19streute sie sich Staub aufs Haar und zerriss ihr Gewand. Sie legte sich die Hand auf den Kopf und lief laut schreiend davon. 20⸂Als sie zu ihrem Bruder Abschalom kam⸃, fragte er sie: »Hat Amnon dir etwas angetan? Sag niemand etwas davon, meine Schwester. Er ist doch dein Bruder. Nimm dir diese Sache nicht so zu Herzen.« Von da an lebte Tamar als gebrochene Frau einsam im Haus ihres Bruders Abschalom.
21Als David von diesem Vorfall erfuhr, wurde er sehr zornig. Trotzdem brachte er es nicht übers Herz, Amnon zu bestrafen, denn er war sein erstgeborener Sohn, und David liebte ihn sehr. 22Abschalom aber sprach kein Wort mehr mit Amnon. Er hasste ihn zutiefst, weil er seine Schwester Tamar vergewaltigt hatte.
Abschaloms Rache an Amnon
23Zwei Jahre später feierte Abschalom Schafschur in Baal-Hazor bei der Stadt Efraim. Dazu wollte er alle Königssöhne einladen. 24Er ging zum König und sagte: »Mein Herr und König, ich lasse gerade meine Schafe scheren. Darf ich dich und deine Hofleute zu meiner Feier einladen?« 25»Nein, mein Sohn«, antwortete der König, »wir kommen nicht. Wir sind so viele, dass wir dir nur zur Last fallen würden.« Abschalom drängte auf Davids Kommen, aber der König ließ sich nicht umstimmen, sondern segnete ihn ⸂zum Abschied⸃. 26Da bat Abschalom: »Kann wenigstens mein Bruder Amnon mitkommen?« »Warum soll Amnon denn mitgehen?«, fragte der König. 27Doch Abschalom ließ nicht locker, und so erlaubte David schließlich, dass Amnon und alle anderen Königssöhne mit ⸂nach Baal-Hazor⸃ gingen.
Dort veranstaltete Abschalom ein großes Festmahl und bewirtete seine Gäste wie ein König. 28Seinen Dienern befahl er: »Wenn bei Amnon der Wein zu wirken beginnt, gebe ich euch ein Zeichen, und dann bringt ihr ihn um. Habt keine Angst, denn ihr tut es auf meine Verantwortung. Seid mutig und erweist euch als tapfere Männer.« 29Die Diener führten Abschaloms Befehl aus und töteten Amnon. Entsetzt sprangen die anderen Söhne des Königs auf, schwangen sich auf ihre Maultiere und flohen.
30Während sie noch unterwegs waren, wurde David das Gerücht zugetragen, dass Abschalom alle Königssöhne erschlagen habe und keiner entkommen sei. 31Da stand der König auf, zerriss seine Kleidung und warf sich auf den Boden. Auch die Hofleute, die bei ihm standen, zerrissen ihre Kleider. 32Schließlich ergriff Jonadab, der Sohn von Davids Bruder Schima, das Wort: »Mein Herr und König«, sagte er, »bestimmt wurden nicht alle deine Söhne umgebracht. Ich bin sicher, dass nur Amnon tot ist. Denn seit er Abschaloms Schwester Tamar vergewaltigt hat, war Abschalom fest entschlossen, sich an ihm zu rächen. 33Deshalb glaub dem Gerücht nicht, dass alle deine Söhne tot sind. Bestimmt wurde nur Amnon umgebracht.« 34– Abschalom war ⸂nach seiner Tat⸃ geflohen. –
In diesem Moment entdeckte der Wächter, der ⸂auf der Stadtmauer⸃ Ausschau hielt, eine große Gruppe von Menschen. Sie kamen auf der Straße vom Westen her den Berghang herunter. 35Da sagte Jonadab zu David: »Siehst du, mein Herr, da kommen deine Söhne! Es ist genau, wie ich gesagt habe.« 36Er hatte kaum ausgeredet, da kamen die Söhne des Königs herein und brachen in lautes Weinen aus. Auch der König und seine Hofleute weinten heftig.
37David trauerte sehr lange um seinen Sohn Amnon. Abschalom aber war nach Geschur zu König Talmai geflohen. 38Dort blieb er drei Jahre lang. 39Allmählich legte sich König ⸂Davids⸃ Zorn auf Abschalom, und er fand sich mit Amnons Tod ab.