VIII. Gottes Offenbarung und Hiobs Demütigung
1. Erste Rede Gottes und die Antwort Hiobs
a) Gottes Aufforderung an Hiob, ihm Rede zu stehen
1Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Wettersturme heraus folgendermaßen: 2»Wer ist’s, der da den Heilsplan Gottes verdunkelt mit Worten ohne Einsicht? 3Auf! Gürte dir die Lenden wie ein Mann, so will ich dich fragen, und du belehre mich (oder: gib mir Bescheid)!«
b) Fragen aus dem Gebiet der Weltschöpfung und der leblosen Natur sowie des Tierlebens, auf die Hiob die Antwort schuldig bleibt
4»Wo warst du, als ich die Erde baute? Sprich es aus, wenn du Einsicht besitzest (oder: Bescheid weißt)! 5Wer hat ihre Maße bestimmt (oder: ihren Bauplan entworfen) – du weißt es ja! –, oder wer hat die Meßschnur über sie ausgespannt? 6Worauf sind ihre Grundpfeiler eingesenkt worden, oder wer hat ihren Eckstein (= Grundstein) gelegt, 7während die Morgensterne allesamt laut frohlockten und alle Gottessöhne (d. h. Engel) jauchzten?
8Und wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es hervorbrach, aus dem Mutterschoß heraustrat? 9Als ich Gewölk zu seinem Kleide machte und dunkle Nebel zu seinen Windeln? 10Als ich ihm das von mir bestimmte Gebiet absteckte und ihm Riegel und Tore herstellte 11und sprach: ›Bis hierher darfst du kommen, aber nicht weiter, und hier soll sich der Stolz deiner Wellen brechen!‹
12Hast du jemals, seitdem du lebst, das Morgenlicht bestellt? Hast du dem Frührot seine Stätte angewiesen, 13daß es die Säume der Erde erfasse und die Frevler von ihr verscheucht werden? 14Sie (die Erde) verwandelt sich alsdann wie Wachs unter dem Siegel, und alles stellt sich dar wie ein Prachtgewand; 15den Frevlern aber wird ihr Licht entzogen, und der zum Schlagen schon erhobene Arm zerbricht.
16Bist du bis zu den Quellen des Meeres gekommen, und hast du die tiefsten Tiefen des Weltmeers durchwandelt? 17Haben sich vor dir die Pforten des Todes aufgetan, und hast du die Pforten des Schattenreichs gesehen? 18Hast du die weiten Flächen der Erde überschaut? Sage an, wenn du dies alles weißt!
19Wo geht denn der Weg nach der Wohnung des Lichts, und die Finsternis, wo hat sie ihre Heimstätte, 20daß du sie in ihr Gebiet hinbringen könntest und daß die Pfade zu ihrem Hause dir bekannt wären? 21Du weißt es ja, denn damals wurdest du ja geboren, und die Zahl deiner Lebenstage ist groß!
22Bist du zu den Vorratskammern des Schnees gekommen, und hast du die Speicher des Hagels gesehen, 23den ich aufgespart habe für die Drangsalszeiten, für den Tag des Kampfes und des Krieges?
24Wo ist der Weg dahin, wo das Licht sich teilt und von wo der Ostwind sich über die Erde verbreitet? 25Wer hat der Regenflut Kanäle gespalten und einen Weg dem Donnerstrahl gebahnt, 26um regnen zu lassen auf menschenleeres Land, auf die Steppe, wo niemand wohnt, 27um die Einöde und Wildnis reichlich zu tränken und Pflanzengrün sprießen zu lassen? 28Hat der Regen einen Vater, oder wer erzeugt die Tropfen des Taues? 29Aus wessen Mutterschoße geht das Eis hervor, und wer läßt den Reif des Himmels entstehen? 30Wie zu Stein verhärten sich die Wasser, und der Spiegel der Fluten schließt sich zur festen Decke zusammen.
31Vermagst du die Bande des Siebengestirns zu knüpfen oder die Fesseln (oder: den Gürtel) des Orion zu lösen? 32Läßt du die Bilder des Tierkreises zur rechten Zeit hervortreten, und leitest du den Großen Bären samt seinen Jungen? 33Kennst du die für den Himmel gültigen Gesetze, oder bestimmst du seine Herrschaft über die Erde? 34Kannst du deine Stimme hoch zu den Wolken dringen lassen, daß strömender Regen dich bedecke? 35Entsendest du die Blitze, daß sie hinfahren und zu dir sagen: ›Hier sind wir‹? 36Wer hat Weisheit in die Wolkenschichten gelegt oder wer dem Luftgebilde Verstand verliehen? 37Wer zählt die Federwolken mit Weisheit ab, und die Schläuche des Himmels, wer läßt sie sich ergießen, 38wenn das Erdreich sich zu Metallguß verhärtet hat und die Schollen sich fest zusammenballen?
39Erjagst du für die Löwin die Beute, und stillst du die Gier der jungen Leuen, 40wenn sie in ihren Höhlen kauern, im Dickicht auf der Lauer liegen? 41Wer verschafft dem Raben sein Futter, wenn seine Jungen zu Gott schreien und wegen Mangels an Nahrung umherirren?