Judits Gang ins feindliche Lager: 10,1–19
1Als sie ihr flehentliches Gebet zu dem Gott Israels beendet und alles gesagt hatte, 2stand sie auf, rief ihre Dienerin und stieg in das Haus hinab, wo sie sich am Sabbat und an den Festtagen aufzuhalten pflegte. 3Dort legte sie das Bußgewand ab, das sie trug, zog ihre Witwenkleider aus, wusch ihren Körper mit Wasser und salbte sich mit einer wohlriechenden Salbe. Hierauf ordnete sie ihre Haare, legte ein Haarband an und zog die Festkleider an, die sie zu Lebzeiten ihres Gatten Manasse getragen hatte. 4Auch zog sie Sandalen an, legte ihre Fußspangen, Armbänder, Fingerringe, Ohrgehänge und all ihren Schmuck an und machte sich schön, um die Blicke aller Männer, die sie sähen, auf sich zu ziehen. 5Ihrer Dienerin gab sie einen Schlauch Wein und ein Gefäß mit Öl; sie füllte einen Sack mit Gerstenmehl, getrockneten Feigen und reinen Broten, verpackte all diese Dinge sorgfältig und lud sie ihrer Dienerin auf. 6Darauf gingen sie zum Stadttor von Betulia hinaus. Dort trafen sie Usija sowie Kabri und Karmi, die Ältesten der Stadt, auf ihrem Posten. 7Als sie Judits verwandeltes Aussehen sahen und die Kleider, die sie angelegt hatte, kamen sie aus dem Staunen über ihre Schönheit nicht mehr heraus und sagten zu ihr: 8Der Gott unserer Väter gebe dir Erfolg und lasse dein Vorhaben gelingen, zum Ruhm Israels und zur Verherrlichung Jerusalems. 9Sie aber neigte sich vor Gott im Gebet und sagte dann zu ihnen: Gebt Befehl, dass mir das Stadttor geöffnet wird; ich will hinausgehen und tun, was ihr mit mir besprochen habt. Da befahlen sie den jungen Männern, das Tor für sie zu öffnen, wie sie es gewünscht hatte. 10Man öffnete das Tor und Judit ging mit ihrer Dienerin hinaus. Die Männer in der Stadt aber sahen ihr nach, bis sie den Berg hinabgestiegen und durch das Tal gegangen war und man sie nicht mehr sehen konnte.
11Als sie im Tal weitergingen, begegneten ihr assyrische Vorposten. 12Sie hielten sie fest und fragten: Zu welchem Volk gehörst du? Woher kommst du und wohin gehst du? Sie antwortete: Ich gehöre zum Volk der Hebräer und laufe von ihnen fort, weil sie euch doch bald zum Fraß vorgeworfen werden. 13Ich will zu Holofernes, dem Oberbefehlshaber eures Heeres, gehen und ihm eine zuverlässige Nachricht bringen; ich will ihm zeigen, welchen Weg er einschlagen muss, um das ganze Bergland in seinen Besitz zu bringen, ohne dass dabei einer von seinen Leuten Leib und Leben verliert. 14Als die Männer ihre Worte hörten und ihr Gesicht betrachteten, dessen Schönheit sie bezauberte, sagten sie: 15Du hast dein Leben gerettet, weil du dich beeilt hast, von dort oben unserem Herrn entgegenzugehen. Komm jetzt zu seinem Zelt! Einige von uns werden dich begleiten und dich ihm übergeben. 16Hab keine Angst, wenn du vor ihm stehst! Sag ihm, was du zu sagen hast, dann wird er dich gnädig behandeln. 17Darauf wählten sie von ihren Leuten hundert Männer zum Geleit für Judit und ihre Dienerin aus; diese führten sie zum Zelt des Holofernes.
18Im ganzen Lager entstand eine große Unruhe; denn die Nachricht von Judits Ankunft hatte sich schon in den Zelten herumgesprochen. Die Leute eilten herbei und umringten sie, als sie vor dem Zelt des Holofernes stand, bis man sie ihm angemeldet hatte. 19Sie bewunderten ihre Schönheit und bewunderten die Israeliten ihretwegen. Einer sagte zum andern: Wer kann dieses Volk verachten, das solche Frauen in seiner Mitte hat? Es wäre nicht klug, auch nur einen einzigen Mann von ihnen übrig zu lassen; wenn man sie laufen lässt, sind sie imstande, noch die ganze Welt zu überlisten.
Begegnung Judits mit Holofernes: 10,20–23
20Schließlich kamen die Leibwächter des Holofernes und sein ganzes Gefolge heraus und führten sie in das Zelt. 21Holofernes lag auf seinem Lager unter einem Mückennetz aus Purpur und Gold, in das Smaragde und andere Edelsteine eingewebt waren. 22Als man ihm Judit anmeldete, trat er in den Vorraum des Zeltes hinaus, wobei ihm silberne Leuchter vorangetragen wurden. 23Sobald er und sein Gefolge Judit erblickten, gerieten sie alle in Erstaunen über die Schönheit ihres Gesichts. Sie warf sich vor ihm nieder und huldigte ihm, doch seine Diener richteten sie wieder auf.