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Aus: Bibelreport, Deutsche Bibelgesellschaft.

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Den Vorschlaghammer weglegen

Bibel persönlich“ von Anna-Nicole Heinrich aus dem Bibelreport 1/2021

Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
Lukas 6,36

»Du bist mal wieder empathisch wie ein Vorschlaghammer!« – eine Aussage, die sich wie ein Stempel in mein Gedächtnis gebrannt hat. Ich höre diesen Satz oft, von unterschiedlichen Personen in unterschiedlichen Situationen. Manchmal beschäftigen mich die Momente, in denen mir dieser Satz entgegengebracht worden ist, noch im Nachhinein, manchmal tue ich sie einfach ab mit einem »Aber es ist doch die Wahrheit!«

Als ich die Jahreslosung vor ein paar Wochen zum ersten Mal schön gestaltet in irgendeinem Beitrag auf Instagram sah, dachte ich noch nicht, dass mir der Satz mit dem Vorschlaghammer direkt in den Kopf kommen würde, wenn ich die Bibel aufschlagen und mir den Kontext anschauen würde. Zugestanden, da wartete schon die erste Herausforderung auf mich. Ich schlage nicht allzu oft die Bibel auf und schaue mir den Kontext irgendeines herausgerissenen Bibelverses an. Ich erfreue mich in den meisten Fällen nur an den schön gemachten Beiträgen in den sozialen Netzwerken und den paar kurzen Impulsen, die mit ihnen verbunden sind.

»Seid barmherzig, so wie euer Vater barmherzig ist.« Nachdem ich nur diesen einen Vers gelesen hatte, stellte ich meine Selbstanalyse schnell an und kam ohne viel Zweifel zu folgendem Schluss: »Okay, so barmherzig wie Gott kann ich sicher nie werden, aber mein Streben danach ist schon beachtlich, ich mach da ´nen guten Job drin.« Doch nachdem ich den Kontext des Verses gelesen hatte, wurde mir klar: Jesu Barmherzigkeit ist ganz anders, als ich es ad hoc verstanden hatte. Ich dachte zum Beispiel an folgende Dinge, die mich barmherzig sein lassen: Die kleinen Spenden an Herzensprojekte. Das Gästezimmer, das ich gerne anbiete, wenn Freundinnen oder Freunde gerade mal keine Bleibe haben. Und die Rechnung beim Essen, die ich für meinen Kumpel übernehme, weil ich weiß, dass er es gerade nicht so dicke hat. Doch diese Dinge lassen mich irgendwie nur barmherzig wirken.

Es sind gute Dinge, die mir als Beispiele in den Kopf gekommen sind, doch es sind auch supereinfache Dinge. Barmherzigkeit hingegen, wie sie in Lukas 6 entfaltet wird, ist, wie ich finde, keine einfache Sache. In Vers 32 und weiter steht in der BasisBibel: »Wenn ihr nur die liebt, die euch auch lieben […] Wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun: Welchen besonderen Dank erwartet ihr von Gott?« Vermeintlich barmherzig sein, in Situationen, wo es mir mein Gegenüber dankt, kann ich gut. Die Rechnung, das Gästezimmer, die Spenden, all diese Dinge lassen mich gut dastehen und geben mir somit etwas Gutes zurück.

Doch in den Situationen, in denen mir vertraute Menschen den Satz »Du bist mal wieder empathisch wie ein Vorschlaghammer!« berechtigterweise an den Kopf werfen, stehe ich nicht gut da. Und das sind wohl die Situationen, in denen ich wirklich barmherzig sein könnte und es so selten bin. In Momenten zum Beispiel, wenn ich während einer Diskussion merke, dass mir die Person rhetorisch unterlegen zu sein scheint, nutze ich meine Überlegenheit oft aus, auch wenn die Argumente auf der anderen Seite hörenswert sind, sogar besser wären, und meine Überlegenheit vielleicht auch nur die Höflichkeit des Gegenübers ist. In Momenten zum Beispiel, wenn Freunde sich bei mir über ihre Vorgesetzten, ihre Partnerinnen und Partner oder über ihre Eltern aufregen und ich nur halbherzig zuhöre, weil ich ja eh nichts an der Situation ändern kann und dann auch noch blöde Rückfragen stelle wie »Aber hat er beziehungsweise sie nicht auch ein bisschen recht?«  

In all diesen Momenten ging es für mich bis jetzt eigentlich immer um nichts, außer darum, recht zu haben oder halt noch etwas gesagt zu haben. Aber begleitet von der Jahreslosung geht es mir in Zukunft in diesen Situationen um etwas anderes. Um das kurze Innehalten, das Wahrnehmen der Situation und dann hoffentlich öfter um das bedingungslose Annehmen des Menschen, der mir gegenübersteht – auf Augenhöhe und barmherzig!

Barmherzig sein heißt, weniger Vorschlaghammer sein! Es wird in vielen Situationen wohl eine noch größere Herausforderung sein, als die Bibel aufzuschlagen. Doch wenn ich eins noch lieber mag als recht haben, dann ist es eine gute Herausforderung! Und wenn mich mein Mitbewohner gleich fragt, ob er meine letzte halbe Zitrone haben kann, dann werde ich einfach nur »Ja, gerne!« sagen und ihn nicht im gleichen Atemzug fragen, warum er sich eigentlich selbst nie eine Zitrone kauft, wenn er meine so gerne mag. Und ich werde ihn auch nicht fragen, warum bei ihm eigentlich nie etwas übrigbleibt, was ich mir mal nehmen könnte. Sondern innehalten, lächeln, an die Barmherzigkeit denken und mir gewiss sein, dass die Situation für uns beide mit dem einfachen »Ja, gerne!« bereichernder bleibt.


Über die Autorin
Anna-Nicole Heinrich
geboren 1996 in Schwandorf, absolviert seit 2019 ein Masterstudium in »Digital Humanities« und »Menschenbild und Werte« in Regensburg. Zuvor hat sie dort ihren Bachelor in Philosophie abgeschlossen. Seit 2017 ist Heinrich Vorstandsmitglied der ev. Jugend in Deutschland (aej), seit 2018 Jugenddelegierte der EKD-Synode sowie Mitglied der Landessynode der ELKB. In ihrer Freizeit spielt sie Trompete und engagiert sich als Rettungsschwimmerin.


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