Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Tyros

(erstellt: August 2011)

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1. Name und Lage

Der phönizische Name für Tyrus, ṣr, findet sich wieder im hebräischen צֹר ṣr und im akkadischen ṣurru; im Ägyptischen wird das semitische ṣr mit ḏw3wj bzw. ḏr, im Griechischen mit Τύρος Tyros bzw. Τύριος Tyrios und im Lateinischen mit Tyrus wiedergegeben. Die Konsonantenfolge ṣr bezeichnet im Nordwestsemitischen einen Felsen; dieser Name dürfte mit der Lage der Stadt zusammenhängen.

Das antike Tyrus im heutigen Libanon war die südlichste der phönizischen Städte und befand sich auf einer 9 km südlich der Mündung des Nahr el-Liṭānī gelegenen, der Küste vorgelagerten Insel (Koordinaten: N 33° 16' 20'', E 35° 11' 40''). Der „ägyptische“ Hafen im Süden und der „sidonische“ Hafen im Norden der Stadt begünstigten die tyrische Seefahrt (Poidebard).

Aufgrund seiner besonderen geographischen Lage war Tyrus eines der bedeutenden wirtschaftlichen Zentren im östlichen Mittelmeerraum. Zum einen waren die Phönizier berühmt für die Produktion und den Export von Purpur (→ Farben), den man aus dem Sekret der Purpurschnecke herstellte (→ Schnecke; → Färben); zum anderen war insbesondere Tyrus ein zentraler Umschlagplatz für Waren aller Art (die Handelsliste in Ez 27,12-25 gibt einen Einblick in das breite Produktspektrum). Die Tyrer segelten dicht an den Küsten des Mittelmeeres entlang, handelten mit den jeweiligen Bewohnern als An- und Verkäufer und erlangten auf diese Weise eine ökonomische Machtposition im Mittelmeerraum, die ihnen unter den wechselnden Oberherrschaften des 1. Jt.s v. Chr. eine gewisse Autonomie sicherte.

Während der Belagerung der Stadt durch Alexander den Großen kam es 332 v. Chr. zur Aufschüttung eines Dammes, der die Insel mit dem Festland verband. Der Stadt auf dem Festland vorgelagert war eine akkadisch ušū und bei Josephus (Antiquitates IX 14,2; Text gr. und lat. Autoren) ἡ πάλαι Τύρος hē palai Tyros genannte Siedlung, die wohl auf dem Tell Rašīdīje anzusetzen ist; in ihrer Nähe befand sich wohl die Nekropole der Stadt.

2. Geschichte

Nach Herodots Angaben (Historien II 44; Text gr. und lat. Geschichtsschreiber) wurde Tyrus um 2750 v. Chr. gegründet; Josephus berichtet dagegen von einer Gründung 240 Jahre vor dem Jerusalemer Tempelbau (Antiquitates VIII 3,1). Möglicherweise wird Tyrus bereits in den älteren ägyptischen Ächtungstexten, sicher aber in der Amarnakorrespondenz genannt (EA 146-155); zudem berichtet das ugaritische Keret-Epos von einem Heiligtum der Aschera / Astarte (ugaritisch aṯrt; → Aschera; → Astarte) in Tyrus (KTU 1.14 IV 35ff).

Insbesondere die biblische Darstellung sowie die Berichte und Zitate bei Flavius Josephus sind für die Rekonstruktion der Stadtgeschichte unverzichtbar. In einem Zitat des griechischen Historikers Menander (Josephus, Contra Apionem I 18; Antiquitates VIII 5,3) wird als tyrischer König im 10. Jh. v. Chr. Hiram genannt. Nach 2Sam 5,11 unterhielten → David und → Hiram freundschaftliche Beziehungen; Hiram und → Salomo schlossen nach 1Kön 5,15-32 umfangreiche wirtschaftliche Abkommen. Die Historiker Menander und Dios berichten (Josephus, Contra Apionem I 17f; Antiquitates VIII 5,3) von einer immensen Bautätigkeit Hirams: Er habe den östlichen Teil der Stadt ausgebaut und befestigt, durch einen Damm die Stadt mit einer abgelegenen Insel, auf der ein Tempel des Zeus Olympios stand, verbunden, einen großen Platz angelegt, die alten Tempel niedergerissen und neue gebaut; zur Zeit Hirams habe es mindestens drei Tempel in Tyrus gegeben, einen für den Gott Baalschamem, einen für den Stadtgott Melkart und einen für die weibliche Gottheit.

Exkurs: Die Götter von Tyrus

Die innere Struktur des tyrischen Pantheons ist aus den überlieferten Quellen nicht mehr rekonstruierbar; aufgrund der verstreuten Nachrichten sind nur einige Grundlinien zu erkennen. Auf der einen Seite scheinen der eigentliche tyrische Stadtgott Melkart (phön. mlk qrt; vgl. KAI Nr. 201) und eine weibliche Gottheit, die in den kanaanäischen Religionen vielfach als Astarte hervortritt (vgl. KAI Nr. 17), zu stehen; es ist zu vermuten, dass Melkart als eine sterbende und wiederauferstehende Gottheit verehrt wurde (einige Reflexe darauf könnten sich in der antityrischen Polemik in Ez 28 finden). Auf der anderen Seite taucht neben dem Götterpaar eine Baalsgottheit (→ Baal) auf, die zum Typ des → Wettergottes gehört, im kanaanäischen Raum breit bezeugt und für Tyrus als Baalschamem, Baal Malage und Baal Zaphon belegt ist (vgl. TUAT I, 158f). Abgesehen von einigen inschriftlichen Zeugnissen finden sich zusammenhängende Nachrichten über die phönizische Religion vorrangig in späteren griechischen Quellen, etwa bei → Philo von Byblos, den → Euseb von Caesarea in seiner Praeparatio evangelica zitiert. Es spricht einiges dafür, dass die phönizische Religion und Götterwelt eng mit der aus ugaritischen Texten bezeugten kanaanäischen Religionswelt verwandt ist.

Für das 10.-9. Jh. v. Chr. findet sich bei Josephus eine Königsliste aus Menanders Geschichtswerk (Contra Apionem I 18), deren historische Zuverlässigkeit allerdings umstritten ist; erwähnt wird in dieser Liste ein tyrischer König Ittobaal, der der Vater der phönizischen Prinzessin → Isebel gewesen sein dürfte, die → Ahab von Israel zur Frau nahm (vgl. 1Kön 16,29-34; 1Kön 18,1-15; 1Kön 21,4-16; 2Kön 9,1-10).

Dass Tyrus im 9.-7. Jh. v. Chr. unter dem Expansionsdruck des neuassyrischen Reiches nicht zu einer assyrischen Provinz wurde, dürfte mit der Bedeutung der phönizischen Städte für den Seehandel zusammenhängen, den die Assyrer nicht gefährden wollten und daher eine gewisse Autonomie zuließen. Trotz alledem führte wohl nicht zuletzt der assyrische Druck zu einer Kolonisationstätigkeit der Phönizier, die sich über den gesamten Mittelmeerraum erstreckte; die bedeutendste tyrische Kolonie ist das nordafrikanische Karthago (phönizisch qrt ḥdšt), das wohl 814/813 v. Chr. gegründet wurde.

Die besondere Position der phönizischen Städte führte immer wieder zu Spannungen mit den Assyrern: Unter → Salmanassar III. überbrachte Tyrus seine Tributleistungen nach der Darstellung auf dem Bronzetor von Balawat mit Schiffen; unter → Tiglat-Pileser III. musste Tyrus mit militärischer Gewalt dazu gezwungen werden, seinen Tribut zu zahlen; Hiram II. von Tyrus soll mit → Rezin von Damaskus (vgl. 2Kön 16,6) ein illoyales Verhalten gegenüber dem assyrischen König geplant haben, der daraufhin Maḥālīb nördlich von Tyrus und weitere Ortschaften eroberte und hohen Tribut einforderte (TUAT I, 377).

Von → Asarhaddon wurde König Baal von Tyrus 677-676 v. Chr. als Vertragspartner anerkannt, wie ein Vertrag zwischen beiden belegt (TUAT I, 158f); dieses Abkommen hinderte Baal nicht daran, mit Hilfe Ägyptens gegen Assyrien zu konspirieren, so dass Asarhaddon 671 v. Chr. Tyrus von der Außenversorgung abschnitt; unter Assurbanipal kam es zu einer Konfrontation, in deren Verlauf Baal seine Nichten und Töchter dem assyrischen König übergab, auch seinen Sohn zu überstellen bereit war und Assurbanipal schweren Tribut entrichtete (TUAT I, 400).

Josephus berichtet aus der indischen und phönizischen Geschichte eines gewissen Philostratos, dass im 6. Jh. v. Chr. der Babylonier → Nebukadnezar Tyrus 13 Jahre lang belagert habe und dass Ittobaal zu dieser Zeit dort König gewesen sei (Antiquitates X 11,1; zur Belagerung vgl. Ez 26); Josephus überliefert zudem aus phönizischen Urkunden eine tyrische Herrscherliste, die zu Beginn ebenfalls Ittobaal als König von Tyrus nennt (Contra Apionem I 21). Von großer Bedeutung für das Verhältnis zwischen Tyrus und dem babylonischen Großreich nach 572/571 v. Chr. ist die Erwähnung eines šandabakku, der neben Baal II. von Tyrus 564 v. Chr. als babylonischer Oberkommissar politische Verantwortung getragen haben muss (Unger, 314); offenkundig stellten die Babylonier ihre Hoheit in Tyrus durch die dauerhafte Präsenz eines Regierungsstatthalters sicher.

Unter den Persern wurde Syrien-Palästina Teil der Satrapie aṯūrā, deren Sitz im 4. Jh. v. Chr. Tripolis war, das wohl von Arwad, Tyrus und Sidon gemeinsam gegründet wurde. Aufgrund des direkten Zugangs zum Meer, wegen der etablierten Handelsbeziehungen und vor allem aufgrund der Erfahrungen mit der Seefahrt hatte Tyrus als Partner der Perser einiges Gewicht (Herodot VII 98; VIII 67). Am Ende des 5. Jh.s v. Chr. kam es zu einem Abfall der Stadt von den Persern, als Euagoras von Salamis aus – wohl mit Unterstützung aus Athen und Ägypten – Tyrus einnahm; erst nach 386 v. Chr. drängten die Perser Euagoras zurück. Ausgangspunkt eines phönizischen Aufstandes, der sich wahrscheinlich um 347/346 v. Chr. ereignete, war Tripolis; als die Nachbarsatrapen der Lage in der 5. Satrapie nicht Herr werden können, rückt Artaxerxes III. selber an. Tyrus hat sich in dieser Situation wohl durch rechtzeitige Unterwerfung unter die Perser gerettet. Die Bedeutung von Tyrus in der Perserzeit lässt sich anhand der geographischen Ausdehnung des Stadtgebietes zeigen (Herodot IV 44). Es ist durchaus denkbar, dass die Erweiterungen des Territoriums mit Dienstleistungen der Tyrer gegenüber den Persern zusammenhängen.

Sidon, Tyrus und Arwad regelten ihre politischen Angelegenheiten mit den Persern wohl in einer ratsähnlichen Versammlung (Diodor XVI 41), die in Tripolis tagte; dass man mit den Persern außerhalb der alten phönizischen Küstenstädte verkehrte und dass man begann, eigene → Münzen zu prägen, spricht für die politische Autonomie der Städte in der Perserzeit, denen das alte Königtum belassen wurde (Herodot VII 98; VIII 67).

Als Alexander der Große 333-332 v. Chr. mit seinem Heer an die phönizische Küste kam, begann eine neue Epoche. Von Norden nach Süden ergaben sich Arwad, Byblos und Sidon; Tyrus dagegen widersetzte sich den Griechen. Durch einen Damm versuchte Alexander die Stadt mit dem Festland zu verbinden, konnte sie aber erst nach siebenmonatiger Belagerung im Verlauf eines Seekampfes einnehmen, bei dem er auf die Unterstützung der anderen phönizischen Städte angewiesen war; 2000 tyrische Krieger sollen nach der Eroberung durch Alexander an der Küste entlang gekreuzigt worden sein (Diodor XVII 46,3f; Curtius IV 4,17f).

Nach der Eroberung wurde die Stadt sehr schnell wieder aufgebaut und von aus Karthago zurückkehrenden einheimischen Tyrern, wohl aber auch von makedonischen Kolonisten, die die Stadt als Flottenbasis Alexanders ausbauten, besiedelt.

Nach 323 v. Chr. fiel Phönizien an Laomedon, 322 v. Chr. für kurze Zeit an Attalos, einen der Kommandeure Alexanders. 320 v. Chr. besetzte Ptolemaios das Gebiet, das dann jedoch von Antigonos erobert wurde. Nach Diodor (XIX 58) musste Antigonos bei der Eroberung Phöniziens das seit Alexanders Dammbau mit dem Festland verbundene Tyrus 15 Monate lang belagern und sich eine Flotte bauen lassen, um die Stadt von der Außenwelt abschneiden zu können. Antigonos und sein Sohn Demetrios blieben – abgesehen von den Jahren 312 und 302 v. Chr., in denen Ptolemaios die Herrschaft wieder errang – bis zum Jahr 301 v. Chr. die Oberherren in Phönizien. Nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr., bei der sich Antigonos und Demetrios auf der einen und Seleukos mit weiteren Verbündeten auf der anderen Seite gegenüberstanden und in deren Verlauf Antigonos fiel, wurde Phönizien Seleukos zugesprochen. Bereits 290 v. Chr. fällt Tyrus jedoch wieder in die Hände der Ptolemäer, die sich nun für fast ein Jahrhundert an der Macht halten konnten. 275 v. Chr. nimmt Tyrus die hellenistische Staatsverfassung an; Inschriften aus Umm el-‘Awāmīd und Ma‘ṣūb datieren nach dieser Ära (KAI Nr. 18f).

Die Herrschaft der Ptolemäer über Phönizien wurde von den → Seleukiden in den folgenden fünf Syrischen Kriegen immer wieder bedroht. Doch erst im 5. Syrischen Krieg gelang es dem Seleukiden Antiochos III., die syropalästinische Landbrücke zu erobern. In den folgenden Jahrzehnten des fortschreitenden Zerfalls der seleukidischen Macht konnte Tyrus von den zugestandenen Freiheiten profitieren und seine Selbständigkeit weiter ausbauen.

64 v. Chr. erobert Pompeius die syropalästinische Landbrücke und Tyrus wird mit den anderen ehemals phönizischen Städten zu einem Teil des Imperium Romanum.

3. Tyrus im Alten Testament

Tyrus wird im Alten Testament mehrfach erwähnt (Jos 19,29; 2Sam 5,11; 2Sam 24,7; 1Kön 5,15-32; 1Kön 7,13-51; 1Kön 9,10-14; Jes 23; Jer 25,22; Jer 27,3; Jer 47,4; Ez 26-28; Hos 9,13(?); Jo 4,4; Am 1,9f.; Sach 9,2f.; Ps 45,13; Ps 83,8; Ps 87,4; 1Chr 14,1; 2Chr 2,2.10; Esr 3,7; Neh 13,16). Die Belege verdichten sich in nachexilischer Zeit in signifikanter Weise: Von den deuteronomistischen (→ Deuteronomismus) Texten der Samuel- und Königebücher aus der exilisch-frühnachexilischen Zeit über Passagen aus dem Esra-Nehemiabuch sowie der Chronik aus der Perserzeit und den Anfängen des Hellenismus bis hin zu sehr späten prophetischen Texten wie Jes 23,15-18 finden sich wichtige Hinweise auf Tyrus und die Tyrer. Sowohl in Hos 9,13 als auch in den auf vorexilische Grundformen zurückgehenden späteren Korachpsalmen Ps 45 und Ps 87 wird Tyrus en passant erwähnt, wenn es als Vergleichspunkt wie in Hos 9,13 oder als Hochzeitsgast wie in Ps 45* genannt wird. Innerhalb der nachexilischen Texte muss man zwischen solchen Texten, die ein neutrales Tyrusbild entwerfen, solchen, die eher eine wohlwollende Haltung der Stadt gegenüber an den Tag legen, und solchen, die eine ausgesprochen kritische Tyrusdarstellung bieten, unterscheiden. Einen ausgeglichenen, eher neutralen Bezug auf Tyrus nehmen die listenartigen Aufzählungen, in denen Tyrus als Fixpunkt einer geographischen Orientierung genannt wird; sowohl Jos 19,29 als auch 2Sam 24,7 lassen dabei eine gewisse Bewunderung erkennen. Beide Notizen finden sich im Kontext der deuteronomistischen Literatur, die in den Berichten über → David, → Salomo und → Hiram Tyrus als ökonomischen und kulturellen Partner Israels vorstellt. Die entsprechenden Paralleltexte aus den Chronikbüchern, aber auch die kurze Erwähnung der Tyrer in Esr 3,7 scheinen dieses wohlwollende Tyrusbild zu teilen, auch wenn bereits die Absicht zu erkennen ist, die Bedeutung von Tyrus im Kontext des Tempelbaus auf ein Mindestmaß zurückzudrängen, so dass hier ein Übergang in der Beurteilung von Tyrus zu greifen ist. Das gilt in ganz ähnlicher Weise für die Texte des → Jeremiabuchs, die bis in die Details der Textgeschichte hinein die ambivalente Bewertung der phönizischen Metropole widerspiegeln. Letztlich offen ist das Tyrusbild, das hinter Jes 23 steht: Auf den anfänglichen Klageaufruf, der sich wohl an ganz Phönizien richtet, folgen in Jes 23,15-18 Ermunterung, Verunglimpfung und Beschimpfung von Tyrus zugleich, wenn der „hurenden“ Stadt eine erneute Blüte angekündigt wird, von der allerdings vor allem die Jerusalemer Tempelumgebung profitieren soll. Hinter diesen knappen Worten scheint eine feinsinnige Umkehrung der Verhältnisse zu stehen, gegen die sich zum einen Am 1,9f und Jo 4,4-8 mit ihren Vorwürfen richten, Tyrus habe alte Bündnisse gebrochen und sich am Menschenhandel bereichert, gegen die sich zum anderen aber auch Neh 13,16 und – ohne Tyrus beim Namen zu nennen – Sach 14,21 mit ihren Anspielungen auf tyrische bzw. phönizische Handelsaktivitäten in Jerusalem wenden. Die außerordentliche Bedrängung des nachexilischen Juda durch die Phönizier, die sich wohl vor allem in Form der tyrischen Händler präsentierten, hat ihre Spuren in Ps 83 und Sach 9,1-8 hinterlassen, wo in unterschiedlichen Kontexten Tyrus deutlich aus dem Bereich des „Heils“ herausgenommen wird. Der literarisch vielschichtige Tyruszyklus des Ezechielbuches in Ez 26-28 kann in diesem Zusammenhang wie ein Kompendium der exilisch-nachexilischen Tyruskritik gelesen werden: Die in Ez 26,2 geschilderte Schadenfreude über den Untergang Jerusalems, der in Ez 27,13 erhobene Vorwurf des Menschenhandels, die Begründung des Untergangs von Tyrus aufgrund des Reichtums und des übergroßen Handels in Ez 28,4f – all das sind Elemente des nachexilischen Tyrusbildes.

Der kurze Abriss zeigt, dass die Phalanx der antityrischen Texte das eher positiv gestimmte Tyrusbild der deuteronomistischen Literatur übertönt – zumal auch die Deuteronomisten ihr Tyrusbild weit in die Vergangenheit der Anfänge des Königtums zurückverlagern und damit ganz im Sinne von Am 1,9f eine alte, mit Bündnissen und Verträgen untermauerte Beziehung zwischen Israel und Phönizien als ein Ideal entwerfen, vor dessen Hintergrund die von den Propheten beklagten illoyalen Verhaltensweisen der phönizischen Nachbarn nur noch schärfer hervortreten.

Dass die Phönizier von der Schwäche des nachexilischen Juda profitierten, hat in den literarischen Zeugnissen aus dieser Zeit zahlreiche Spuren hinterlassen, und es ist Hans-Peter Müllers Fazit unbedingt zuzustimmen: „Die Einengung Judas durch seine Nachbarn, für die die phönizische Unterwanderung Palästinas nur ein Beispiel ist, hat auf seine exilisch-nachexilische Geschichte nachhaltiger gewirkt als die Beeinträchtigung durch die Großmächte.“ (Müller, 1971, 201).

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • Karte zur Lage von Tyrus. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Eine Silbermünze aus Tyrus zeigt den Stadtgott Melkart und auf der Rückseite einen Adler (1. Jh. v. - 1. Jh. n. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Schiffe bringen Tributgaben für den assyrischen König von der Insel Tyrus ans Festland (Bronzetor von Balawat, 9. Jh. v. Chr.) © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Asarhaddon (681-669 v. Chr.) hält an zwei Bändern die besiegten Könige Taharqo von Ägypten und Balu von Tyrus (Stele aus Sendschirli). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Das Hippodrom der hellenistischen Zeit. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)
  • Die Kolonnadenstraße der römischen Zeit (2. Jh. n. Chr.). © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2004)

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