Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: November 2010)

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Tierarten: → Adler; → Affe; → Ameise; → Antilope; → Bär; → Biene; → Blindschleiche; → Blutegel; → Bremse; → Dachs; → Damhirsch; → Eidechse; → Elefant; → Esel; → Eule; → Falke; → Fledermaus; → Fliege / Mücke; → Fisch; → Floh; → Frosch; → Fuchs; → Gämse; → Gazelle; → Gecko; → Geier; → Gewürm; → Habicht; → Hahn; → Hase; → Henne; → Heuschrecke; → Hirsch; → Hirschkuh; → Hornisse; → Hund; → Hyäne; → Ibis; → Igel; → Käfer; → Kamel; → Katze; → Käuzchen; → Klippschliefer; → Kobra / Natter; → Korallen; → Krähe; → Kranich; → Kriechtiere; → Krokodil; → Kröte; → Kuckuck; → Laus; → Leopard; → Löwe; → Made; → Maultier; → Maulwurf; → Maus; → Molch; → Motte; → Nachteule; → Nest; → Otter / Viper; → Pfau; → Pferd; → Rabe; → Raubtier; → Raubvogel; → Raupe; → Reh; → Reiher; → Rind; → Rohrdommel; → Schaf; → Schakal; → Schlange; → Schnecke; → Schwalbe; → Schwan; → Schwein; → Skorpion; → Sperber; → Sperling; → Spinne; → Stechfliege / Stechmücke; → Steinbock; → Steinhuhn; → Storch; → Strauß; → Taube; → Taucher; → Uhu; → Vogel; → Wachtel; → Walfisch; → Weihe; → Wespe; → Wiedehopf; → Wiederkäuer; → Wiesel; → Wildesel; → Wolf; → Wurm; → Wüstentiere; → Ziege / Ziegenbock.

1. Altes Testament

1.1. Einführung

Tier 01
Die Tierwelt Palästinas war in alter Zeit wesentlich zahl- und artenreicher als heute. Daher nehmen die biblischen Schriften häufig auf Tiere Bezug. Viele wilde Tiere kamen vor, so Löwen, Leoparden, Wölfe, Bären, Hyänen, Schakale und Füchse, ferner Gazellen, Damhirsche, Antilopen, Steinböcke und andere Wildziegen, Auerochsen, Wildesel, Wildschweine, Hasen, Klippschliefer, aber auch der syrische Elefant. Obwohl → Elfenbein als wertvolles Importgut bekannt war, ist im biblischen Hebräisch kein Begriff für den Elefanten überliefert. Auch für die Katze fehlt eine hebräische Bezeichnung. Aus Indien stammende Kriegselefanten setzten erst die → Seleukiden in ihrem Kampf gegen die → Makkabäer ein (1Makk 6,34 u.ö.). Von den kleineren Säugetieren sind Maulwurf, Igel, Maus, Ratte und Fledermaus erwähnt. Auch die Vogelwelt war äußerst vielseitig. Zu den häufigsten Reptilien gehörten Schlangen, Krokodile und Eidechsen. Unter den Insekten waren Heuschrecken besonders gefürchtet. Andere lästige Insekten waren Stechfliegen, Hornissen, Bremsen und Flöhe. Bienen galten als gefährlich (Dtn 1,44; Ps 118,12), aber auch als nützlich (Sir 11,3). Ferner werden Motten, Spinnen, Skorpione, Blutegel, Schnecke, Ameise und Wurm erwähnt. Fische werden im Alten Testament nicht nach Arten spezifiziert. Exotische Tierarten wie Affen oder Pfauen (das hebräische Wort תֻּכִּיִּים tukkijjîm lässt sich nicht sicher deuten) wurden vermutlich nach Israel importiert (1Kön 10,22). Viele dieser Tierarten wurden schon früh ausgerottet, so z.B. der syrische Elefant. Andere wie der syrische Braunbär konnten bis in die 1. Hälfte des 20. Jh. n. Chr. überleben. Auch das am meisten gefürchtete Raubtier, der Löwe, ist schon seit dem 13. Jh. n. Chr. aus Palästina verschwunden (Aharoni 1926). Der Sinaileopard dagegen hat bis heute in der Wüste Juda überlebt. Wichtig für das Überleben der Menschen waren wegen ihrer Produkte und ihrer Arbeitsleistung die Nutz- und Arbeitstiere, denen der Mensch seine besondere Fürsorge zukommen ließ (Spr 27,23-27; Sir 7,22 [Lutherbibel: Sir 7,24]) und in deren Wohlergehen sich der göttliche Segen manifestierte (Dtn 7,13; Dtn 28,4).

Tier 02
Vielfach ist umstritten, welche Tierarten genau sich hinter den hebräischen → Tiernamen verbergen, zumal die → Septuaginta und andere antike Übersetzungstraditionen zum Teil ein widersprüchliches Bild vermitteln. Eine weitere Schwierigkeit für die Identifikation besteht darin, dass etwa ein Drittel aller im Alten Testament genannten Tiere nur in den Katalogen der reinen bzw. unreinen Tiere (Lev 11; Dtn 14) genannt werden und sich hier kaum weitergehende Ausführungen finden.

1.2. Einteilung der Tiere

Die biblischen Schriften kennen keine zoologische Systematik wie sie C. von Linné begründet hat. So haben z.B. die neuzeitlichen Oberbegriffe wie „Säugetier“ oder „Vogel“ im Hebräischen andere oder keine semantischen Entsprechungen. בְּהֵמָה bəhemāh z.B. bezeichnet nicht die Säugetiere im Gegensatz zu Vögeln oder (kleineren) Kriechtieren, sondern die größeren Vierfüßler (Gen 6,7; 1Kön 5,13 u.ö.). Anders als die heutige zoologische Einteilung folgt das Klassifikationssystem Israels nicht einem Erkenntnisinteresse, sondern hat „im lebensdienlichen Umgang mit dem Benannten und Klassifizierten, letztlich im Überlebensinteresse seinen Ursprung“ (Müller 1995, 147). In der Tiertaxonomie geht es somit um die je eigene Rolle, die eine Gattung innerhalb eines größeren Bedeutungssystems spielte (Müller 1991, 191).

1.2.1. Lebensraum

Die Einteilung der Tierarten geschah aufgrund ihrer Lebensräume Wasser, Luft und Land. Während Gen 2,20 nur Haustiere, Vögel und Tiere des Feldes unterscheidet und somit davon ausgeht, dass es Haustiere seit Beginn der Schöpfung gibt, diese also nicht erst in einem langen Prozess domestiziert wurden, enthält Gen 1 [→ Priesterschrift] die häufiger anzutreffende Aufteilung der Tierwelt in vier Gruppen: Wassertiere, geflügelte Tiere, Tiere des Landes und Kriech- und Kleintiere (Gen 1,20-23.24f [P]: vgl. Ps 8,8f; 1Kön 5,13; Ez 38,20 u.ö.):

a) Die Wassertiere (דְּגֵי הַיָּם dəgê hajjām) zerfallen in 2 Untergruppen: die תַּנִּינִם tannînim „große Seetiere“ (Gen 1,21) und das kleinere Getier (Gen 1,21).

b) Die geflügelten Tiere in der Luft (עוֹף הַשָּׁמַיִם ‘ôf haššāmajim „Vögel des Himmels“) umfassen alle fliegenden Tiere, also z.B. auch die Fledermaus (Lev 11,13b-19). Für kleinere Vögel findet sich auch צִפּוֹר ṣippôr.

c) Zu den Kriechtieren (רֶמֶשׂ הָאֲדָמָה ræmæś ha’adāmāh „Gewimmel des Bodens“ bzw. שֶׁרֶץ šæræṣ „Gewürm“) gehören alle Landtiere, die auf dem Boden kriechen. Diese können nach Lev 11,42 geflügelt oder ungeflügelt, vier-, vielfüßig oder fußlos sein.

d) Die Tiere, die auf dem Land leben, also Vierfüßler, die sich nicht kriechend fortbewegen, werden meist unterschieden in wilde (חַיַּת הָאָרֶץ chajjat hā’āræṣ „Tiere des Landes“ / חַיַּת הַשָּׂדֶה chajjat haśśādæh „Tiere des Feldes“) und domestizierte Tiere (בְּהֵמָה bəhemāh „Vieh“). Doch können beide hebräischen Ausdrücke auch für die gesamte vierfüßige Tierwelt gebraucht werden (Gen 9,2; Lev 11,2).

1.2.2. Reine – unreine Tiere

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Einteilung der Tierarten ist die Unterscheidung reiner, also zum Verzehr geeigneter, und unreiner, also nicht essbarer Tiere (Lev 11; Dtn 14; vgl. Kornfeld, Douglas, Houston; → rein / unrein). Dieser Unterscheidung liegen weder hygienische noch religiöse Gesichtspunkte zugrunde, wonach z.B. die heiligen Tiere bestimmter Götter für unrein erklärt wurden. Die Unterscheidung reiner und unreiner Tiere hat vielmehr kosmologische, soziologische und kulturelle Aspekte.

Ein wesentliches Reinheitskriterium ist, dass sich die Tiere entsprechend ihren Lebensräumen bewegen. Für die Landtiere bedeutet das, dass sie sich auf Füßen (mit gespaltenen → Klauen) fortbewegen. Die Wassertiere müssen Flossen und → Schuppen besitzen und die Flugtiere zwei Füße und Flügel. Alle Tiere, die diesen Maßstäben nicht oder nur unzureichend genügen oder die insgesamt die Ordnung der Welt infrage stellen, galten als unrein. Neben dem kosmologischen Aspekt gibt es innerhalb dieser Klassifikation auch noch einen sozialen: Das bedeutet, dass ein reines Tier alle notwendigen Attribute seiner Klasse besitzen muss. Andernfalls gilt es als unrein. In einer agrarischen Gesellschaft wie der des alten Israel waren Rinder, Schafe und Ziegen als die Haustiere schlechthin zugleich das Modell eines reinen Landtieres. Sie waren Paarzeher und Wiederkäuer, und diesen Kriterien mussten auch die übrigen Landtiere entsprechen, sollten sie als rein gelten (Lev 11,1-47). Unrein sind daher Kamel, Klippschliefer, Hase (alle nur Wiederkäuer; nach modernen zoologischen Erkenntnissen ist diese Klassifikation für den Hasen allerdings unzutreffend) und Schwein (nur Paarhufer). Für die Disqualifikation der unreinen Tiere war zudem ein kultureller Aspekt maßgeblich: Sie wurden nämlich mit dämonischen Mächten oder Lebensräumen in Verbindung gebracht, von denen für die Menschen diverse Gefahren ausgingen. Raubtier, Aasfresser, chthonisch lebende Tiere, aber auch alle Tiere, die Wüste, Steppe oder Ruinenstätten bewohnten, waren somit unrein.

1.3. Verhältnis des Menschen zum Tier

Viele Texte wissen um eine Schicksalsgemeinschaft von Mensch und Tier: Beide können von Katastrophen wie Hungersnöten, Dürre und Kriegsfolgeerscheinungen betroffen werden (Jer 14,2-6; Hos 4,3; Jo 1,18ff; Hag 1,11). In der Sintflut gehen Menschen und Tiere zugrunde (Gen 6,5-9,17), beide werden aber auch in den nachsintflutlichen Noachbund eingeschlossen (Gen 9,9-11 vgl. Hos 2,20; → Noah; → Bund), da Gott sie ebenso wie den Menschen vor dem Untergang bewahren will (Gen 8,1, vgl. Jon 4,11). Schon die Schöpfungstexte (→ Schöpfung) der → Genesis bezeugen die enge Gemeinschaft zwischen Mensch und Tier: Die Landtiere sind wie der Mensch aus Erdreich (Gen 2,19) bzw. am selben Tag erschaffen (Gen 1,24); beide werden durch den Lebensatem, der ihnen von Gott eingehaucht wird (Ps 104,30; vgl. Gen 2,7), lebende Wesen (næfæš chajjāh: Gen 2,7.19), beide verbindet aber auch das Geschick des Todes (Ps 49,13.21; Pred 3,19-21), zumal wenn ihnen von Gott der Lebensatem entzogen wird (Ps 104,29). Beide ernährten sich zunächst von vegetabilischer Nahrung (Gen 1,29f [P]; → Vegetarismus). Erst in der von Angst und Schrecken dominierten nachsintflutlichen Welt ist Fleischnahrung erlaubt (Gen 9,2f). Zwar kann nur der Mensch dem Menschen ein hilfreiches Gegenüber sein, doch stehen die Tiere, wie Gen 2 zeigt, in besonderer Nähe zum Menschen, was schließlich auch im Akt der Namensgebung sichtbar wird, wodurch der Mensch die Tiere ihren jeweiligen Lebensbereichen zuordnet und somit zugleich die Welt symbolisch gliedert (Gen 2,19f, vgl. Büsing). Ein Mensch aber, der aus Überheblichkeit sein wahres Menschsein vergisst, wird auf die Stufe der Tiere versetzt (Dan 4,13.22ff; Dan 5,21). Grausamkeit gegenüber Tieren ist nur selten belegt (Ri 15,4ff). Beim Lähmen der Rosse (Jos 11,6.9; 2Sam 8,4) ging es darum, die Streitmacht des Feindes entscheidend zu schwächen, da Pferde vor allem als Zugtiere vor dem Streitwagen (→ Wagen) eingesetzt wurden.

Nach der priesterschriftlichen Anthropologie (→ Priesterschrift) wurzelt die Aufgabe des Menschen gegenüber der Schöpfung in der → Gottebenbildlichkeit und konkretisiert sich in doppelter Weise. Der Mensch wird als Mandatar Gottes einerseits ermächtigt, die Erde in Anspruch zu nehmen, andererseits wird ihm die Herrschaft über die Tierwelt übertragen (Gen 1,26-30; Ps 8,6-9; vgl. Uehlinger 1991, 60-62; Janowski 1993, 194). Diese Herrschaft aber ist nicht gleichbedeutend mit uneingeschränkter Verfügungsgewalt. Der Herrschaftsauftrag zielt letztlich auf die Erhaltung der Tieren und Menschen gemeinsamen Lebenswelt, die ausdrücklich als „sehr gut“ (Gen 1,31) qualifiziert wird und unter dem Primat des → Segens steht, aber durch die „Gewalt allen Fleisches“ (Gen 6,11f), also von Mensch und Tier, zerstört wurde und so ihre ursprünglich intendierte Funktion, Lebensraum aller Lebewesen zu sein, verlor.

In besonderer Weise stehen die Haustiere im Mittelpunkt des menschlichen Interesses, war der Mensch doch sowohl von ihren Produkten wie auch von ihrer Arbeitsleistung abhängig. Die wichtigsten Arbeitstiere waren Rind und Esel. Sie halfen bei der Feldarbeit und wurden einzeln oder paarweise vor den Hakenpflug gespannt, mit dem man den steinigen Boden auflockerte. Esel und Maultiere brachten das zu Garben gebundene Getreide zum Dreschplatz. Das Rind war ferner Zugtier für schwere Lastkarren, der Esel vor allem Lasttier, in der Frühzeit auch Reittier (→ reiten) der Vornehmen.

1.4. Tier und Recht

Wie eng Tiere in die Lebensgemeinschaft des Menschen eingebunden waren, zeigt sich v.a. im Bereich des Rechts. Dem arbeitenden Rind sollte ein Teil des Ertrags seiner Arbeit zugute kommen; deshalb sollte man ihm beim Dreschen das Maul nicht verbinden (Dtn 25,4). Die Arbeitstiere hatten wie der Mensch Anteil an der Sabbatruhe (Ex 23,12; vgl. Dtn 5,14; Ex 20,10; → Sabbat). Besondere Bestimmungen betreffen das Verhältnis von Muttertier und seinem Neugeborenen (Lev 22,27f vgl. Keel 1980). Diesen sich in den Gesetzen widerspiegelnden fürsorglichen Umgang mit den Haustieren fasst Spr 12,10 zusammen, wonach der Gerechte die Bedürfnisse seiner Haustiere kennt. Daneben zeigt auch das häufige Bild des guten → Hirten, der seine Tiere schützt und pflegt, die enge Verbundenheit von Mensch und Tier auf (z.B. Ez 34,11ff).

Auch wilden Tieren gegenüber gibt es Schutzbestimmungen: Das Wild hat (wie das Vieh) Anteil am Ertrag des Sabbatjahres (Ex 23,11; Lev 25,7; → Brache / Brachjahr). Dtn 22,6f verbietet, eine Vogelmutter zusammen mit ihren → Eiern bzw. Jungen aus dem Nest zu nehmen.

Ex 23,5 verpflichtet dazu, dem unter seinen übergroßen Lasten zusammengebrochenen Esel des Feindes zu helfen. Hier ist mehr als Tierliebe im Spiel. Die wirtschaftliche Existenz des Feindes wäre gefährdet, wenn er den Esel verlieren würde, von dessen Arbeitskraft er abhängig ist.

Sexueller Umgang des Menschen mit Tieren (Ex 22,18; Lev 18,23: Sodomie) war ebenso wie die Kastration von Tieren (Lev 22,24) und die Kreuzung unterschiedlicher Tiergattungen verboten (Lev 19,19). Nicht erlaubt war auch das Anschirren unterschiedlicher Tierarten (Dtn 22,10). Mehrere Bestimmungen betreffen das Haftungsrecht für verloren gegangene Haustiere (Gen 31,39; Ex 22,9ff) bzw. von solchen verursachte Schäden (Ex 21,28-32.35f; Ex 22,4). Die → Todesstrafe konnte über Tiere, insbesondere über stößige Rinder, von denen erhebliche Gefahren ausgingen, verhängt werden (Ex 21,28ff).

1.5. Tier und Opfer

Tiere spielten im Zusammenhang des Opfers eine wichtige Rolle. In Israel konnten ausschließlich Haus- und Arbeitstiere geopfert werden, und zwar Boviden (Rinder), Capriden (Ziegen) und Oviden (Schafe), daneben auch Haus- und Turteltauben. Nicht geopfert werden durften dagegen Wildtiere sowie Hund, Schwein und Kamel, die zwar als Haustiere gehalten wurden, aber als unrein galten. Opferbar war nur ein fehlerloses Tier (Lev 1,3; Lev 22,22). Meist wurden männliche Tiere als Opfertiere genommen (Ex 12,5), da die weiblichen für die Nachzucht benötigt wurden. Von Raubtieren gerissene Tiere durften nicht verzehrt oder geopfert werden (Ex 22,30). Das Tieropfer, das dem Spender wertvollen Besitz entzog, war eine wesentliche Möglichkeit, die durch menschliche Schuld in Frage gestellte Beziehung zu Gott wiederherzustellen. Da im Tierblut der Sitz des Lebens zu lokalisieren ist, hat dieses sühnende Funktion (Lev 17,11) und durfte somit vom Menschen nicht genossen werden, sondern war der Gottheit vorbehalten (Gen 9,4, vgl. Dtn 12,16). Die → Erstlinge von Rind, Schaf und Ziege wurden JHWH geopfert (Lev 18,17).

1.6. Gott und Tier

Als Geschöpfe Gottes werden die Tiere von Gott versorgt, der ihnen besondere Lebensräume und Tageszeiten einräumt: So finden sich nach Ps 104 im Lebensbereich der → Wadis und Schluchten nur Wildtiere wie der Wildesel und Vögel (Ps 104,10-12, vgl. Uehlinger 1991; Zenger 1989, 79ff). Anderen wilden Tieren wie dem Steinbock, dem Klippschliefer oder dem Storch gehören die hohen Berge mit den hohen Bäumen (Ps 104,16-18). Dem Menschen und seinen Haustieren werden das kultivierbare Bergland als Ort des Arbeitens zugewiesen; aber selbst hier gibt es eine zeitliche Einschränkung, insofern dieser Bereich dem Menschen nur tagsüber zur Verfügung steht, während in der Nacht die Löwen dort auf Beutefang gehen (Ps 104,20-22). Eine nicht-anthropozentrische Sicht des Komos entwerfen auch die Gottesreden des → Hiobbuches (Hi 38-39; vgl. Keel 1978). Danach hat Gott als der Herr der Tiere auch die dem Menschen unzugänglichen Bereiche der wilden, nicht domestizierbaren Tiere geschaffen und sie so als unverzichtbaren Bestandteil in den Kosmos integriert (vgl. auch Ps 50,10). In ihrer Not können die Tiere Gott anrufen, der ihnen hilft (Ps 36,7) und sie mit dem Lebensnotwendigen ausstattet. Ihnen wird so eine besondere, eigene Gottesbeziehung zugeschrieben, wenn sie Gott um Nahrung bitten (Ps 104,21; Ps 147,9; Hi 38,41; Jo 1,20). Festzuhalten ist, dass Ps 104,21 im Rahmen dieser Aussage den Gottesnamen El und nicht JHWH verwendet. Aufgrund der göttlichen Fürsorge stimmen die Tiere zusammen mit der übrigen Natur in den Lobpreis Gottes ein (vgl. Jes 43,20; Ps 148,7-12).

Zwar betonen einige Texte, die das Schöpfungshandeln in der Tradition des → Chaoskampfes beschreiben (Ps 74,12-17; Ps 89,6-15), dass Gott zur Sicherung des Kosmos chaotische Kräfte wie → Leviatan, → Rahab und die Tannin (→ Schlange 3.2.) bekämpft, die die feindliche Macht des Meeres repräsentieren. Während das hebräische Tannin als Allgemeinbegriff sowohl Landschlangen (Ex 7,12; Dtn 32,33) als auch schlangenartige Meereswesen (Gen 1,21; Hi 7,12) umschreiben kann, sind Leviatan und Rahab eher individuelle Größen, die aber ebenfalls für im Meer zu lokalisierende, gefährliche Drachenwesen stehen.

Andere Traditionen betonen, dass diese Meerestiere, die die Gestalt einer Meeresschlange (Hi 26,12; Jes 27,1) oder eines Krokodils (Hi 41) haben und in Vergleichen mit dem ägyptischen Pharao identifiziert werden können (Ez 29,3; Ez 32,2), ebenfalls von Gott geschaffen wurden (Gen 1,21; Ps 104,26) und als Gottes „Spielzeug“ im Rahmen der Schöpfung ihren Platz haben (Ps 104,26; vgl. Hi 40,29; vgl. Brüning 1998).

Die Verbindung zwischen Gott und Tier findet sich im alten Vorderasien und Ägypten häufig. Tiere begleiteten menschengestaltig vorgestellte Gottheiten: So war der Löwe Symboltier der kriegerischen Göttin → Ischtar. Der → Wettergott hatte einen Stier (vgl. Keel, 1992) und der Sonnengott ein Pferd als Postamenttier. Das heißt aber nicht, dass man diese Tiere selbst als Gottheiten verehrt hätte. Zwar ist für das Alte Testament anders als in Ägypten die Verbindung von Gott und Tiergestalt mit negativen Vorzeichen versehen, doch zeigen das Bilderverbot (Dtn 4,16ff) wie auch andere Belege (vgl. z.B. die Stierplastik von Dotan: Wenning / Zenger 1986; → Bull Site), dass es Tierbilder gab, die in Zusammenhang mit JHWH bzw. mit anderen Göttern gebracht wurden. Dass der JHWH-Kult nicht immer bildlos war, beweisen die → Stierbilder, die → Jerobeam I. in → Dan und → Bethel aufstellen ließ (1Kön 12,26-33) und die weniger als Manifestationen JHWHs, sondern eher als Postamente für den unsichtbaren Gott angesehen werden können (anders Art. → Stierbilder). Gegen diese, mit JHWH identifizierten Stierbilder richtet sich die Kritik → Hoseas (Hos 8,4b-6; Hos 10,5f; Hos 13,1-3). Dass JHWH auch mit einem Stier verglichen werden konnte, zeigen Gottesbezeichnungen wie „Starker / Stier Jakobs“ (Gen 49,24; Ps 132,2.5, vgl. Num 23,22; Num 24,8), die vermutlich auf die Kampfkraft des Stieres (und nicht auf dessen Fruchtbarkeit) abzielen (→ Rind). Als Symbol von Kraft und Fruchtbarkeit hatten Stierbilder im Jerusalemer Tempel eine wichtige Funktion als Träger des Ehernen Meeres (1Kön 7,25) und als Dekoration an den Gestellen der Wasserkessel (1Kön 7,29; → Kultinstallationen). Das kupferne bzw. bronzene Schlangenidol im Jerusalemer Tempel, das eine Kultlegende auf Mose zurückführt (vgl. Num 21,4-9), wurde von Hiskia schließlich aus dem Tempel entfernt (2Kön 18,4; → Nehuschtan). Andererseits finden sich im Umkreis JHWHs verschiedene tiergestaltige Wesen, wie die → Serafim, die, wie die Pentateuch-Belege (Num 21,6; Dtn 8,15) nahelegen, geflügelte → Uräen darstellen (Keel 1977, 46ff; Keel / Küchler / Uehlinger, 164-166), in Jes 6 aber eher als Greife mit der Funktion (gebändigter) Thronwächter anzusehen sind (vgl. Morenz; Schorch), oder die → Keruben, die JHWH als Gefährt bzw. als Postament dienen (Ps 18,11; 1Kön 6,23-28). Tiere können Träger numinoser Kräfte sein, wie → Bileams Eselin, die diesen instinktiv auf die von einem → Boten JHWHs ausgehende Gefahr aufmerksam macht. Das Tier ist in dieser Erkenntnis dem „blinden“ Seher überlegen (Num 22,22-35). Divinatorische Fähigkeiten (→ Divination) von Kühen zeigt auch die → Ladeerzählung (1Sam 6).

1.7. Tiere als Feinde des Menschen

Heuschrecke 2

Vor allem von den Raubtieren gingen große Gefahren aus (Gen 37,33; 1Kön 13,24 u.ö.). In Zeiten der Entvölkerung bestimmter Gebiete drohten Gefahren aufgrund der gewaltigen Vermehrung der Raubtiere (Ex 23,29f). So berichtet 2Kön 17,25, dass sich nach der Eroberung des Nordreichs durch die → Assyrer dort Löwen ausbreiteten, die die Neuansiedler aus anderen Regionen des assyrischen Reiches bedrohten. In Gerichtsdrohungen tauchen häufig wilde Tiere auf und erscheinen immer wieder als Gerichtswerkzeuge Gottes (Lev 26,22; Dtn 32,24; Ez 14,15). So wird dem Volk Israel für den Fall des Nichteinhaltens der göttlichen Gebote die vollständige Vernichtung durch wilde Tiere angekündigt (Dtn 28,26; Jer 7,33; Jer 16,4 u.ö.). Durch andere wilde Tiere wie Wildschweine (Ps 80,14), Wildesel und Wildstiere, aber auch durch Heuschrecken (Hos 2,14; Am 4,9; Am 7,1-3; Jo 1,4 u.ö.) drohten Ernte- und Flurschäden. Füchse z.B. verwüsteten Weinberge (Hhld 2,15), Löwen dezimierten die Herden (Ez 34,5.8), Schlangen galten als hinterlistig und heimtückisch und waren die Erzfeinde des palästinischen Bauern (vgl. Gen 3,14f). Frosch- (Ex 7,26-8,11) und Insektenplagen (Ex 8; Weish 19,10) führten zu Verunreinigungen und zu Erschwernissen des menschlichen Lebens, Mäuseplagen zur Übertragung von → Krankheiten (1Sam 6,4ff). Würmer riefen Pflanzen- und Holzschäden hervor (Jon 4,7; Dtn 28,39; Bar 6,20), wurden aber auch wegen ihrer chthonischen Lebensweise mit Verwesung und Tod in Verbindung gebracht (Hi 17,14; Jes 14,11; Sir 10,11 [Lutherbibel: Sir 10,13]). Die → Jagd auf Wildtiere hatte neben dem Nahrungserwerb auch die Funktion, die Kulturwelt gegen den Einbruch der durch die Wildtiere repräsentierten gegenmenschlichen Chaoswelt zu schützen. Allerdings finden sich im Alten Testament nur wenige Berichte über Jagden – im Unterschied zum Alten Orient, wo die Jagd vor allem Aufgabe der Könige war. Wüsten und Ruinenstätten waren von Schakalen, Straußen, Eulen, Raben und Wildeseln bevölkert, die zusammen mit → Dämonen bzw. Bocksdämonen eine gegenmenschliche Welt repräsentierten (Jes 13,21f; Jes 32,14; Jes 34,12, vgl. Zef 2,14; Ps 102,7). Ein gängiger Topos innerhalb von Gerichtsdrohungen ist daher die Ankündigung, dass eine Stadt zur Wohnung von Schakalen werden soll (Jer 9,10; Jer 10,22; Jer 49,33).

1.8. Tierfrieden

Während Lev 26,6 die Ausrottung der wilden Tiere bei der Inbesitznahme des Landes verheisst (vgl. Ez 34,25), entwerfen andere Texte, die von einem zukünftigen Tierfrieden sprechen (Jes 11,6-10; Jes 65,25), eine gewaltfreie Sicht der Beziehungen zwischen Mensch und Tier und zwischen den Tieren untereinander (→ Eschatologie 3.2.7.). Gefährliche Tiere, die in Palästina beheimatet waren wie Wolf, Leopard, Jungbär, Bärin, ausgewachsener Löwe, Kobra und Viper und deren Auftreten für Menschen und schwächere Tiere tödlich sein konnte, und gefährdete Lebewesen (Lamm, Böckchen, Jungstier, Kuh, Rind, Kinder) stehen einander gegenüber. Zu diesen gefährdeten Tieren gehören ausschließlich Haus- und Nutztiere. Der Tierfriede aber ist Resultat einer Entfeindung. Denn das gefährlichere Tier begibt sich zu dem schwächeren, um bei ihm als Gast zu weilen. Die vorfindliche Tierwelt mit ihren natürlichen Antagonismen wird sich, so die Grundaussage, in eine alles umfassende Welt von (pflanzenfressenden) Haustieren verwandeln, in der zugleich das Verderben ein Ende findet, weil auch die todbringenden Tiere Anteil an der → Erkenntnis JHWHs erhalten (Jes 11,9).

1.9. Tiere als „Lehrer“ des Menschen

Tier 05
In weisheitlichen Schriften (→ Weisheit) spielen Tiere eine wichtige Rolle. Schon → Salomo wird zugeschrieben, dass seine Dichtkunst alle Tiere umfasste (vgl. 1Kön 5,13). Die sich in dieser Dichtkunst äußernde Naturweisheit dürfte nicht in Zusammenhang mit der altorientalischen Listenwissenschaft stehen (so jedoch Alt I, 90-99). Wie die → Achikar-Sprüche zeigen, gab es in vorexilischer Zeit im südsyrischen Raum verschiedene Sammlungen von Naturbeschreibungen (Kottsieper 141ff). Die Weisheitsliteratur betont vor allem die Vorbildfunktion, die Tiere gegenüber dem Menschen einnehmen können (vgl. Riede, in: Janowski / Riede 1999, 65ff ). So rühmt Spr 6,6-8 die Klugheit der Ameise, die in der Erntezeit für ihre Nahrung im Winter vorsorgt, und stellt sie dem Faulen als Beispiel hin, dem nachzueifern ist. Der Zahlenspruch Spr 30,24-28 dagegen stellt mit Ameise, Klippschliefer, Heuschrecke und Gecko vier Tierarten zusammen, die ihre Kleinheit und Schwäche durch ein besonderes Maß an Weisheit wettmachen, das ihr Überleben garantiert (vgl. ferner Sir 11,3; ähnliche Zusammenstellungen kleiner Tiere mit großer Wirkung in ägyptischen Weisheitstexten: Pap. Insinger 535ff.555ff; s. Brunner, 295-349). Gerade Tiere können etwas von den der Schöpfung innewohnenden Naturgesetzen verstehen, wie Hahn und Ibis, die mit ihrem Kommen den Wechsel der Jahreszeiten anzeigen (Hi 38,36: vgl. Keel 1978, 60). Im Halten der göttlichen Ordnung werden die Zugvögel bzw. Rind und Esel geradezu zu Lehrmeistern des Menschen, der sich dieser Ordnung oft genug widersetzt (Jer 8,7; Jes 1,3). Darüber hinaus können Tiere dem Menschen durch ihr Dasein Gottes Schöpfermacht bezeugen und so zu Trägern einer eigenen (natürlichen) Theologie werden (Hi 12,7-11).

1.10. Tiere in der Metaphorik

Tier 06
Besonders häufig finden sich Tiere im Rahmen der Bildsprache. Hier zeigt sich, wie sehr der Mensch die ihn umgebende Tierwelt beobachtete und sich in ihr gespiegelt sah. Manche Eigenschaften der Tiere werden ihm zum Vorbild: Tiere werden bewundert, wie der Löwe, der König der Tiere (Spr 30,30), der zum Symboltier des Königtums wird (Ez 19,2-9) und Kraft, Mut und Raubgier verkörpert (Ez 22,25). Der Geier steht für Schnelligkeit (Dtn 28,49; 1Sam 1,23), kann aber ebenso wie das Krokodil einen machtvollen Herrscher (Ez 17,3.7 vgl. Ez 29,3) symbolisieren. Sprichwörtlich ist das Aussehen des Leoparden, der seine Flecken nicht abstreifen kann (Jer 13,23). In der Liebessprache erscheinen Steinbockweibchen, Gazellen und Hinden wegen ihrer Lieblichkeit und Anmut als Bild für den oder die Geliebte (Spr 5,19; Hhld 2,9.17; Hhld 8,14 u.ö.; vgl. Keel 1984, 78ff). Auch die Taube wird zum Symbol für die Geliebte (Hhld 5,2; Hhld 6,9), deren taubengleiche Blicke zu Liebesbotinnen werden (Hhld 1,15; Hhld 4,1). In der Natansparabel (→ Natan) steht ein Lieblingstier, ein gleichsam zur Familie gehörendes Lamm, für die geliebte Frau (2Sam 12,4ff). Mit einem kleinen, aber lästigen Floh vergleicht sich David, der von Saul mit einer riesigen Streitmacht verfolgt wird und der mit diesem Vergleich zugleich auf die Lächerlichkeit von Sauls Unternehmung aufmerksam macht (1Sam 24,15; 1Sam 26,20).

Loewe 1
1. Bilder für Feinde. Vor allem in den Feind- und Ichklagen der Psalmen begegnen häufig Tierbilder (Riede 2000, 150ff.279ff). Wenn die Feinde des Beters mit angriffslustigen Löwen, zähnefletschenden Hunden und gewaltigen Stieren verglichen werden, dann zeigt sich in diesen Vergleichen die unheimliche, aggressive, chaotische Macht der (menschlichen!) Feinde, denen der Beter ausgeliefert ist und angesichts derer er einzig Gott zu Hilfe rufen kann (Ps 17,12; Ps 22,13f.21f; Ps 57,5; Ps 59 u.ö.). Wegen ihrer Giftigkeit und Gefährlichkeit können die Frevler auch mit Schlangen verglichen werden (Ps 58,5; Ps 140,4). Auch Fürsten, Richter und Propheten, die ihr Amt missbrauchen, werden mit reißenden Raubtieren verglichen (Ez 22,27; Zef 3,3; vgl. Mt 7,15).

2. Bilder für den Beter. In den Ichklagen der Individualpsalmen finden sich andere Tiere: der Vergleich des Beters mit einem Wurm zeigt auf, dass dieser sich den niederen Kriechtieren zurechnet und somit seine Menschenwürde zu verlieren droht (Ps 22,7). Die nach Wasser lechzende Hirschkuh steht für die Sehnsucht des Beters nach einer heilvollen Gottesbeziehung (Ps 42,2).

3. Bilder für Stämme. Auch die im Mose- und Jakobsegen überlieferten Stammessprüche nehmen auf Tiere Bezug und unterstreichen so die jeweiligen Eigenarten der Stämme: Der Wildstier, der niederstößt, steht für Efraim (Dtn 33,17), der raublustige Löwe für Dan (Dtn 33,20ff) bzw. Juda (Gen 49,9), Issachar gleicht wegen seiner Fronarbeit einem starken Esel (Gen 49,14f), Dan wegen seiner geringen Anzahl von Kämpfern einer listigen, aus dem Hinterhalt angreifenden Schlange (Gen 49,17). Auf die Beweglichkeit und Freiheitsliebe Naftalis bezieht sich der Vergleich mit einer Hirschkuh (Gen 49,21) und auf Benjamins Kriegstüchtigkeit der Hinweis auf einen reißenden Wolf (Gen 49,27). In Gen 16,12 wird Ismael ein Wildeselmensch genannt: Was den Wildesel ausmacht, kennzeichnet auch den Stamm Ismael: Wildheit, unzähmbarer Freiheitsdrang, aber auch der tägliche Kampf ums Überleben.

4. Bilder für Gott. Auch im Rahmen der Gottesmetaphorik erscheinen häufig Tiere, um das Gerichtshandeln Gottes zu charakterisieren. Die Könige der Land- und der Lufttiere, Löwe und Geier, aber auch andere gefährliche Raubtiere wie Bärin oder Leopard verkörpern in diesen Vergleichen das gefahrbringende Auftreten JHWHs (Hos 5,14; Hos 13,7f Klgl 3,10, vgl. Botterweck; Koenen). Die Ambivalenz der Tierbilder zeigen Stellen wie Hos 11,10; Jes 31,4f, wo das schützende und heilschaffende Tun Gottes im Bild von Geier und Löwe gezeichnet wird.

1.11. Tiere in der Apokalyptik

In der Apokalyptik werden Tiere Symbole gottfeindlicher Mächte. So steht das in Dan 7 genannte geflügelte, leopardenähnliche Wesen für das persische Reich (→ Perser) mit seinen Expansionsbestrebungen, der geflügelte Löwe für das babylonische (→ Babylonier), der Bär für das medische und das vierte, schreckenerregende Tier (möglicherweise ein Kriegselefant; vgl. dazu Staub, 351-397) für das seleukidische Reich (→ Seleukiden). In Dan 8 steht der Widder für das medisch-persische und der Ziegenbock für das Reich Alexanders des Großen und der Diadochen.

2. Neues Testament

2.1. Tiere in der Metaphorik

Das Neue Testament, in dem die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren aufgegeben wird (Mk 7,15; Apg 10,15), nimmt vielfach in Bildworten auf Tiere Bezug (Rengstorf, Gerlitz): Die Sorglosigkeit der Vögel, die von Gott mit Nahrung versorgt werden und die selbst in ihrem Sterben in Gottes Hand sind (Mt 10,29.31), dient dem Menschen zum Vorbild (Mt 6,26; Lk 12,24), ebenso wie die Sanftheit und Lauterkeit der Tauben und die Klugheit der Schlangen den von Verfolgung bedrohten Jüngern (Mt 10,16). Füchse galten als listig (Lk 13,32). Die Vorstellung von der Taube als Liebesbotin steht im Hintergrund von Mk 1,10f, wenn der wie eine Taube herabsteigende Heilige Geist die Liebe des Vaters zum Sohn offenbart. Haustiere erscheinen in der Fülle der Arten: Die Henne ist Symbol der mütterlichen Fürsorge (Mt 23,37), der Hahn Künder des neuen Tages (Mk 14,72). Die Gewissheit der Gebetserhörung verdeutlicht Mt 7,10 mit dem Gegensatz von Fisch und Schlange. Tauben, Schafe und Ziegen sind als Wirtschaftstiere im Blick. Vor allem das Bild des Hirten und seiner Herde wird mehrfach aufgenommen und auf Jesus und die Gemeinde übertragen (Mt 9,36; Joh 10,1ff u.ö.). Häufig ist vom Fischfang die Rede. Hier spiegelt sich ein Stück Lokalkolorit, da Jesus vor allem im Bereich des fischreichen Sees Gennesaret wirkte und die ersten Jünger Berufsfischer waren (Mt 4,18-22), was sich in Detailschilderungen aus dem Alltagsleben der Fischer niederschlägt (z.B. Mt 17,27). Das Kamel als das größte Haustier der palästinischen Umwelt erscheint in dem scherzhaften Bildwort vom Seihen der Mücken und vom Verschlucken der Kamele (Mt 23,24). Es begegnet aber auch in einem sarkastischen Sprichwort, wonach ein Kamel eher durch ein Nadelöhr passe, als dass ein Reicher den Zugang zum → Reich Gottes erhalte (Mt 19,24). Die negative Sicht des halbwilden Pariahundes übernimmt auch das Neue Testament: So betont 2Petr 2,22, dass Hunde zu dem von ihnen Ausgespienen zurückkehren (vgl. Spr 26,11). Judenchristliche Gegner der Gemeinde und männliche Prostituierte werden als Hunde apostrophiert (Phil 3,2; Apk 22,15). Und wenn Hunde das Blut des Lazarus lecken, dann unterstreicht das seinen erbarmungswürdigen Zustand (Lk 16,21). Die geschätzten Haushunde dagegen fütterte man regelmäßig mit Tischabfällen; darauf spielt ein Bildwort an, das den Vorrang der Juden vor den Heiden betont (Mt 15,26f; Mk 7,27). Auch das Schwein wird im Neuen Testament negativ bewertet, was in Lk 15,15f die Verkommenheit des verlorenen Sohnes unterstreicht. Um der Tiere willen wird sogar die zeitweise Aussetzung des Sabbatgebots in Kauf genommen, etwa um ein in einen Brunnen gefallenes Tier zu retten (Lk 14,5) oder um die durstenden Tiere zu tränken (Lk 13,15). Wölfe bildeten eine ständige Gefahr für das Kleinvieh, vor allem für die Lämmer (Lk 10,3). Die Nutzlosigkeit und Unstetigkeit irdischen Reichtums zeigen Mt 6,19f; Lk 12,33; Jak 5,2 auf, wenn kostbare Kleider Motten anheimfallen. Die paulinischen Texte nehmen nur selten auf Tiere Bezug. In 1Kor 9,9 findet sich eine allegorische Auslegung von Dtn 25,4, wenn Paulus das Recht der Apostel, von ihrer Arbeit zu leben, mit dieser Schriftstelle begründet (vgl. ähnlich 1Tim 5,18).

2.2. Tiere in der Apokalyptik

Auch im Neuen Testament werden in Aufnahme alttestamentlicher Vorstellungen dämonische, widergöttliche Mischwesen genannt. So steht das leopardenähnliche, mit Bärentatzen, Löwenrachen, 7 Häuptern und 10 Hörnern ausgestattete Mischwesen in Apk 13,2 für den römischen Kaiserkult. Apk 12,9.14f wird die mit → Satan gleichgesetzte Schlange zum Symbol der Bedrohung des Lebens. Apk 9,3-10 nennt apokalyptische heuschreckenartige Ungeheuer mit Skorpionenschwänzen. Zur Drangsal der Endzeit gehören auch die apokalyptischen Reiter mit ihren Rossen, die Krieg und Tod mit sich bringen (Apk 6). Der nicht sterbende Wurm ist Zeichen ewiger Verdammnis (Mk 9,48). Allerdings umfasst die dem auferstandenen Jesus verliehene Herrscherstellung die gesamte Schöpfung, so dass auch gefährliche Tiere wie Schlangen und Skorpione ihre Schrecken verlieren (Mk 16,18; Lk 10,19).

2.3. Tierfrieden

Die Gemeinschaft Jesu mit den Tieren stellt den ursprünglichen Schöpfungsfrieden wieder her (Mk 1,12f, vgl. syrischer Baruch 73; TestNaf 8,4-6 [→ Testament der 12 Patriarchen]; Frühjüdische Schriften), eine Erwartung, die auch Paulus in Röm 8,19-22 formuliert (vgl. Holzmeister, Fascher, Gräßer 1986.1990).

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

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  • Der hebräische Begriff šāfān wurde mit Kaninchen, Häschen, Dachs, Igel, Springhase oder Bergmaus wiedergegeben, bis sich Ende des 19. Jh.s die Identifikation mit dem Klippschliefer durchsetzte, der bis heute bei En-Gedi lebt. © public domain (Foto: Klaus Koenen, 2014)
  • Siegel des „Asarjahu, (Sohn des) Gebah“; Gebah bedeutet „Heuschreckenschwarm“ und könnte die Darstellung einer Heuschrecke erklären (Juda; um 700 v. Chr.). Aus: O. Keel / M. Küchler / C. Uehlinger, Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd. 1, Zürich u.a. 1984, 169 Abb. 93; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
  • Edward Hicks, Das Königreich des Friedens (1840) – der Tierfriede realisiert sich aktuell darin, dass William Penn mit den Indianern Frieden schließt.
  • Das Siegel „des Jaasanja, des Dieners des Königs“ zeigt einen Kampfhahn mit übergroßem Sporn in geduckter Haltung (Stempelsiegel; Tell en-Naṣbe; 7. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Das Motiv „Löwe tötet Stier“ veranschaulicht im Rahmen der Königsideologie symbolisch den Sieg des Königs (Elfenbeinschnitzerei; Samaria; 9./8. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Ein brüllender Löwe findet sich als Symbol königlicher Herrschaft auf dem Siegel des Schema’, des Dieners Jerobeams (Megiddo; 8. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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