Teufel/Satan, bibeldidaktisch
(erstellt: Februar 2020)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.TeufelSatan_bibeldidaktisch.200776
1. Elementare Zugänge
1.1. Teufelsvorstellungen bei Kindern und Jugendlichen
Nur eine Minderheit glaubt an die Existenz eines Teufels, Jugendliche aber mit einer Zustimmung von 24% (Zahlen von 1990: vgl. Streib, 2004) eher als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das könnte daran liegen, dass zur Bewältigung von Herausforderungen der eigenen Orientierung im Leben auch die Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Bösen gehört (vgl. Herrmann, 2002). Das Thema Teufel kann verschieden im Religionsunterricht eingebracht werden:
- 1.Offen interessierte Frage (vor allem bei jüngeren Kindern).
- 2.Artikulation eines dualistischen Weltbilds: Schülerinnen und Schüler, die von der Existenz des Teufels als eines Gegenspielers Gottes ausgehen, bringen diese Sicht auch in Diskussionen ein.
- 3.Interreligiöse Kontexte: Die Begegnung mit Teufelsvorstellungen der islamischen Tradition führt zu Klärungsbedarf auch in Bezug auf christliche Sichtweisen.
- 4.Satanismus: Der meist eher experimentelle „jugendzentristische Satanismus“ (Christiansen 2003, 65-66) kann ebenso Anlass zu Fragen geben wie die Auseinandersetzung mit anderen Spielarten des Satanismus.
1.2. Der Teufel als Figur der Vergangenheit und als Symbol
Frühere Vorstellungen vom Teufel, etwa in religiöser Kunst (vgl. dazu zahlreiche Darstellungen in Crispino/Giovannini/Zatterin, 1991), laden zu Beobachtung und Problematisierung aus der Distanz ein. In heutiger Rede vom Teufel ist zugleich das Feld für übertragene oder symbolische Verwendungen geöffnet. Lassen Redensarten wie „hol dich der Teufel“ oder „in Teufels Küche kommen“ noch Vorstellungen der Hölle und ihres Feuers erahnen, so verraten Redewendungen wie „der Teufel steckt im Detail“ keine solchen Wurzeln mehr – und ein Sachverhalt oder Verhalten kann ebenso als „teuflisch“ kritisiert wie als „teuflisch gut“ gewürdigt werden.
1.3. Der Teufel als mediale Figur
Die Figur des Teufels fasziniert und wird z.B. in Literatur und Film immer wieder bearbeitet (zur Zeit bis etwa 1985 vgl. Crispino/Giovannini/Zatterin, 1991). Die Reflexion medialer Personifikationen des Bösen wie z.B. Lord Voldemort (Harry Potter), Sauron (Der Herr der Ringe) oder Darth Vader (Star Wars) kann ein Zugang zur Frage nach dem Teufel sein – und zur Frage weiterführen, wie der Mensch zwischen Hoffnung und Realität oder zwischen Gut und Böse seinen Weg finden und gehen kann. Daneben begegnet die Figur des Teufels auch in gebrochener (Hellboy) bzw. ironisierender Form (z.B. in der Werbung).
2. Elementare Strukturen
2.1. Das mittelalterliche Konzept des Teufels
Der Teufelsglaube erreicht im Mittelalter seinen „Höhepunkt“ – erst hier ist ein geschlossenes Konzept des Teufels als einer Figur, die sich nach „Biogr[aphie]“, Verhalten und Eigenschaften beschreiben lässt, erreicht (Lang 2005, 185; vgl. Crispino/Giovannini/Zatterin, 1991). Biblische Texte gaben hierzu Impulse, werden aber zu Unrecht im ‚Licht‘ dieser späteren Konzeption interpretiert.
2.2. Aspekte biblischer Rede vom Teufel/Satan
Das zeigt exemplarisch die Paradieserzählung: Kaum jemand versteht die Schlange mit Gen 3,1
2.2.1. Altes Testament
Das hebräische Nomen „Satan“ ist wohl vom Verb für „anfeinden, verführen, beschuldigen, verhindern“ abgeleitet. Es wird meist für menschliche Gegner verwendet und dann z.B. mit „Widersacher“ (1. Kön 5,18
2.2.2. Neues Testament
Das Neue Testament verwendet neben anderen Bezeichnungen etwa gleich häufig „Satanas“ und „Diabolos“ – „Satanas“ ist Übernahme aus dem Hebräischen, „Diabolos“ (wohl vom griechischen Verb für „auseinanderbringen, durcheinanderwerfen“) und war schon in der Septuaginta die Übersetzung dafür.
In Anknüpfung an die Entwicklungen in Frühjudentum und Apokalyptik erscheint Satan als „der starke Gegenspieler Gottes“ (Brüning/Vorholt 2018, 63), z.B. sieht das Johannesevangelium in ihm den „Fürst dieser Welt“ (Joh 12,31
2.2.3. Exemplarische Betrachtung: Die Versuchung Jesu
Mk 1,12-13
Beides wird in Mt 4,1-11
2.3. Die Figur des Teufels im Koran
Der Koran setzt Motivlinien der jüdisch-christlichen Tradition fort, wenn er erzählt, wie „Iblis“ (vgl. „Diabolos“) sich dem Befehl Gottes an alle Engel widersetzte, sich vor Adam niederzuwerfen, woraufhin er des Paradieses verwiesen wird und fortan die Menschen zu Ungehorsam gegen Gott verführt (Sure 7,11-17; 38,71-85). Das tut auch der „Schaitan“ (vgl. „Satan“), der etwa für die Versuchung der ersten Menschen sorgt. Hier sind Iblis oder Schaitan in erkennbarer Nähe zu jüdischen und christlichen Vorstellungen gezeichnet. Noch deutlicher als in der biblischen Tradition wird dabei ausgeschlossen, dass eine teuflische Figur eine Machtstellung haben könnte, die die alleinige Allmacht Gottes (dualistisch) beeinträchtigt. Das Böse denkt der Islam daher vor allem als konkretes böses Handeln (→ Interreligiöses Lernen
3. Elementare Erfahrungen
Sofern die Rede vom Teufel keine Realität abbildet, sondern ein Versuch des Umgangs mit Ambivalenzen ist, kann nicht unmittelbar (jedenfalls nicht unstreitig) von einer „Erfahrung des Teufels“ gesprochen werden. Zugänglich sind aber jedenfalls Erfahrungen, die in solchen Deutungen verarbeitet werden – unverdientes Leid wie bei Hiob oder eine Versuchung wie bei Jesus.
Kinder und Jugendliche haben ein sensibles Gespür für Gerechtigkeit. Die Frage nach dem Bösen stellen sie nicht aus philosophischem Interesse, sondern mit existenzieller Notwendigkeit: Wie lassen sich entsprechende Erfahrungen in die Deutung von Welt und Leben einordnen? Diese Frage kann Gedankenspiele zum Teufel anregen. Damit der je eigene Erkenntnisweg zu der Einsicht führen kann, dass die Annahme einer dualistischen Gegenmacht zum Guten die Probleme nicht löst, sondern nur verlagert, muss diese Option durchdacht und geprüft werden. Zielperspektive einer solchen Prüfung ist aber die Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten innerweltlicher Gerechtigkeit.
In religiöser Perspektive lässt sich Gott als ein Garant dieser Gerechtigkeit verstehen, die theologische Dimension der Frage nach dem Bösen zielt damit auf eine Vergewisserung im eigenen Wunsch nach Gerechtigkeit. Dieses Ziel ist auch da im Blick, wo Kinder und Jugendliche in der dualistischen Option eine Antwort auf die Theodizeefrage suchen (vgl. → Theodizee
4. Elementare Wahrheiten
Eine bloße Ablehnung der Existenz des Teufels beantwortet nicht die mit dieser Vorstellung verbundenen Fragen, wie sie bisher entfaltet wurden. Diese müssen aber Antworten finden, damit es auch möglich wird, der dualistischen Option den Abschied zu geben. Es sind also komplexere Wahrheiten zu formulieren, wobei die Sicht der Bibel, dass keine Macht als Gegenmacht zu Gott bestehen und Menschen also im Vertrauen auf Gott und sein Wort den Weg der Gerechtigkeit gehen können, ein gutes Angebot ist. Entsprechende Impulse können eine individuelle Formulierung tragfähiger elementarer Wahrheiten in Auseinandersetzung mit den je eigenen Fragen fördern: „Ich glaube, …“; „Ich stelle mir vor, …“, „Mir ist wichtig, …“.
5. Elementare Lernwege
5.1. Die Frage nach dem Teufel aufnehmen
Der „Teufel“ begegnet als Thema weder in Lehrplänen noch in Schulbüchern für den Religionsunterricht. Wenn die Frage im Unterricht aufkommt, reicht aber weder ein Ausweichen vor der Thematik noch die bloße Ablehnung solcher Vorstellungen durch die Lehrkraft aus – die von Schwendemann (2019, 58) vorgeschlagenen Kompetenzen können helfen, hier zielgerichtet vorzugehen. Grundsätzlich ist die Energie hinter der Frage wichtig: Wird eine Lösung einer Sachfrage gesucht, kann eine Rückfrage auf kognitiver Ebene angezeigt sein, wird hingegen eine Angst offenbart, muss eine Reaktion auch emotional adressiert sein. In jedem Fall tragen Lehrkräfte Verantwortung dafür, dass die Ansichten der Kinder und Jugendlichen nicht lächerlich gemacht, sondern ernst genommen werden. Möglichkeiten für das Aufgreifen der Thematik je nach Gestalt der Frage (vgl. oben 1.1.
1. Offen interessierte Frage. Diese ermöglicht eine ebenso offene Diskussion; vgl. mit anregenden Ideen Freudenberger-Lötz, 2004
2. Artikulation eines dualistischen Weltbilds. Wenn hier auch Angst mit im Spiel ist, kann bibeldidaktisch mit der Vaterunserbitte „Erlöse uns von dem Bösen“ gearbeitet werden: Gottes Macht begrenzt „den Bösen“. Hierzu lassen sich weitere Gebete vergleichen, z.B. Formulierungen aus Klagepsalmen oder Luthers Morgen- und Abendsegen
Verweise einzelner auf den Teufel stehen in Lerngruppen oft im Kontrast zu einer aufgeklärten oder uninteressierten Ablehnung seiner Existenz durch die anderen. In einer solchen Konstellation entsteht eine konstruktive Diskussion nicht von selbst, helfen kann evtl. ein Zugang zu symbolischen Ebenen der Rede vom Teufel – z.B. über eine Diskussion von Redensarten wie „den Teufel nicht an die Wand malen“, die Verwendung von Teufel-Emojis in sozialen Netzwerken oder eine Kontrastierung mit medialen Figuren („Gibt es Darth Vader wirklich?“), auch die Motivaufnahme in der Werbung ist interessant (z.B. Dirt Devil, 2011
3. Interreligiöse Kontexte. Teufelsvorstellungen aus der islamischen Tradition (Iblis, Schaitan, symbolische Steinigung des Teufels im Rahmen des Haddsch) können Interesse wecken an einem Vergleich einschlägiger Stellen in Bibel und Koran (siehe oben 2.3.
4. Satanismus. Einzelne Jugendliche markieren deutliches Interesse an der Thematik (Böhm/Schnitzler, 2008, 109). Nötig ist hier kritische Aufklärung, bloße Ablehnung hingegen wird auch hier nicht überzeugen. Zeitschriften (Nicklas, 2002) und Netz (etwa über https://material.rpi-virtuell.de/
5.2. Die Frage nach dem Teufel einplanen
Manche Unterrichtsthemen lassen die Frage nach dem Teufel vorhersehen und ihre Bearbeitung also im Vorfeld planen. Zum Teil können die genannten Impulse helfen, z.B. Überlegungen zum Umgang mit angstbesetzten Vorstellungen, wenn zum Leben nach dem Tod Fragen nach Teufel und Hölle auftreten.
Häufig begegnet die Figur des Teufels beim Thema Reformation, etwa wenn die mittelalterliche Heilsangst thematisiert wird oder Luther das Tintenfass gegen den Teufel schleudert. Hier ist schon in der Planung zu überlegen, wie vom Teufel zu reden ist, damit sich zumal für jüngere Kinder der Eindruck einer Realität dieser Figur nicht verfestigt. Kurze Texte zur Entwicklung der Teufelsvorstellung könnten hier helfen (vgl. z.B. Nicklas, 2002, 67-68 [M 2 I und II]), es ließe sich aber in eine solche Unterrichtseinheit auch eine eigene Prüfung dieser Vorstellung an biblischen Texten einbauen – immerhin stammen die entscheidenden Impulse der Reformation aus einem neuen Lesen der Bibel.
Schließlich gibt es biblische Themen, die zu Fragen nach dem Teufel Anlass geben. In Gen 3
An Hiob 1-2
In den Dämonenaustreibungen Jesu steht nach Mk 3,22-27
5.3. Die Frage nach dem Teufel vertiefen
Eine Erarbeitung der Erzählung von der Versuchung nach Mt 4,1-11
Eine lebensweltlich fokussierte Vertiefung kann mit dem Jugendbuch „Die 666. Reinkarnation oder Shit happens“ (vgl. Adam, 2009) anvisiert werden: Josh versteigt sich in der Orientierungskrise der Pubertät in den Gedanken, ein neuer Jesus zu sein, der wichtige Ziele verfolgt (seine Schwester vor Hänseleien bewahren und nicht mit den neuen Römern kollaborieren) und sich zu Tarnungszwecken auch mal als Teufel verstellt. Der Roman lässt bei allem Humor den Reiz der dualistischen Weltsicht für Josh nachvollziehbar werden. Anspielungen auf die biblische Tradition werden markiert, z.B. ‚demaskiert‘ Josh eine Unterhaltung mit seinem Vater anschließend im Gespräch mit seinem ziemlich überforderten Schutzengel (dem Ich-Erzähler) als Variation der Versuchung Jesu (vgl. Adam 2009, 41-46). Buch und Bibeltext lassen sich hier gut aufeinander beziehen. Eine mediale Vertiefung der Versuchungsgeschichte ist (gegebenenfalls ergänzend) auch mit Filmausschnitten möglich (vgl. Tiemann, 2002).
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