Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Januar 2015)

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Der Artikel gibt einen Überblick über methodologische Grundfragen der empirischen Religionspädagogik. Ausgehend vom Begriff Empirie als Material- und Formalobjekt der Religionspädagogik werden wissenschaftstheoretische Grundpositionen und deren Konsequenzen für den empirisch-theologischen Forschungsprozess aufgezeigt.

1. Empirie als Material- und Formalobjekt der Religionspädagogik

Empirie (von griech. empeiria = Erfahrung, Kenntnis) hat in der → Religionspädagogik eine doppelte Bedeutung:

Erstens meint Empirie das Materialobjekt der Religionspädagogik, ein Forschungsgegenstand aus der für die Disziplin relevanten sinnlich wahrnehmbaren Erfahrungswelt wie Interaktionen im Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, evangelisch; → Religionsunterricht, katholisch), Kinder- und → Jugendreligiosität, Einstellungen von Religionslehrerinnen und Religionslehrern oder Katechetinnen und Katecheten (→Katechese/Katechetik) u.a. Damit werden domänenspezifische Erfahrungen aus der religionspädagogischen Praxis zum Gegenstand der Forschung.

Zweitens bedeutet Empirie das Formalobjekt religionspädagogischer Forschung als methodologische Reflexion auf die Möglichkeitsbedingungen empirischen Forschens in der Religionspädagogik. Die Reflexion auf das klärt, welche Rolle Empirie an unterschiedlichen Stellen im Forschungsprozess spielt.

Die Reflexion auf Empirie in der Religionspädagogik hat vor diesem Hintergrund eine zweifache Motivation: Zum einen in der Gegenstandsauswahl nach möglichst erfahrungsnahen und praxisrelevanten Forschungsgegenständen; zum anderen in der Grundlegung der Religionspädagogik als eigenständige empirische Wissenschaft. Während das Materialobjekt eine möglichst große Nähe der Religionspädagogik zur Praxis erreichen will, um die Relevanz der jeweiligen Forschung deutlich werden zu lassen, intendiert das Formalobjekt eine bewusste Distanzierung zur Praxis durch Herausstellung der Wissenschaftlichkeit und systematischen Nachprüfbarkeit des Forschungsweges. Empirie als Formalobjekt ermöglicht demnach, auf intersubjektiv nachvollziehbaren Wegen Hypothesen und Theorien über Gegenstände aus der Praxis und deren Zusammenhänge zu generieren. Damit kann sich die Religionspädagogik als eigenständige Disziplin sowohl innerhalb der theologischen Fächer (→ Theologie) als auch im Wissenschaftsbetrieb profilieren und anschlussfähig an benachbarte empirische Wissenschaften wie Soziologie, Psychologie oder → Erziehungswissenschaft sein.

Idealtypisch sind drei Möglichkeiten der Beziehung zwischen Materialobjekt und Formalobjekt denkbar: empirisches Materialobjekt ohne empirisches Formalobjekt, nicht-empirisches Materialobjekt mit empirischem Formalobjekt oder empirisches Materialobjekt mit empirischem Formalobjekt. Der Artikel intendiert, die dritte Form herauszuarbeiten, um zu verdeutlichen, wie Religionspädagogik als empirische Wissenschaft Theorien über empirische Gegenstände erzeugt.

Da es unterschiedliche Realisierungen dieses dritten Weges gibt – von der selektiven und unsystematischen Verwendung einzelner empirischer Methoden bis zu ausgearbeiteten methodologischen Entwürfen einer empirischen Religionspädagogik oder empirischen (Praktischen) Theologie überhaupt – stellt der Artikel eine Möglichkeit einer empirischen Methodologie vor, die sich an wissenschaftstheoretischen Grundpositionen orientiert und von da aus ihre grundlegende Konzeption deutlich werden lässt, konkretisiert an den Paradigmen des Fachs und den Entscheidungen der Religionspädagoginnen und Religionspädagogen im Forschungsprozess. Der Artikel beschäftigt sich demnach mit der Methodologie einer empirischen Religionspädagogik; einzelne empirische qualitative, quantitative oder triangulative Methoden werden in einem eigenen Artikel behandelt.

2. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen

Die empirische Methodologie in der Religionspädagogik klärt die Voraussetzungen oder Möglichkeitsbedingungen neuer Erkenntnisgewinnung. Der Methodologie geht es um die Frage, wie intersubjektiv überprüfbare Erkenntnis zustande kommt. Hierbei sind zuerst wissenschaftstheoretische Grundpositionen zu unterscheiden, an denen sich eine empirische Religionspädagogik explizit oder implizit orientiert.

2.1. Positivismus – Induktion

Der Positivismus geht von empirisch vorgegebenen (lat. positivum = vorgegeben) Beobachtungen aus und verlängert die Beobachtungen zu einer Theorie. Ausgangspunkte sind die beobachtbaren Formalobjekte aus der Empirie, die zu einer Theorie hin erweitert werden. Der wissenschaftstheoretische Ort des Positivismus ist die Abgrenzung zur Scholastik und die Hinwendung zur Natur und ihren Gesetzen; gleichwohl ist der Positivismus auch heute noch verbreitet, etwa in der früheren → Grounded Theory (Glaser/Strauss, 1998). Grundannahme ist die Fähigkeit, sich möglichst ohne konzeptuelle Hypothesen dem Formalobjekt zu nähern und nur von den eigenen Beobachtungen ausgehend eine Theorie zu entwickeln. Das Formalobjekt orientiert sich formallogisch an dem Schlussmodus der Induktion, vom Fall zur Theorie: Wissenschaftliche Theorien emergieren aus den empirischen Beobachtungen ohne vorherige Hypothesenbildung.

2.2. Kritischer Rationalismus – Deduktion-Induktion

Der Kritische Rationalismus geht von bestehenden Hypothesen über ein empirisches Materialobjekt aus und versucht, diese Hypothesen zu widerlegen, zu falsifizieren. Ausgangspunkt sind Hypothesen, deren Gültigkeit so lange besteht, bis sie empirisch revidiert werden können. Der wissenschaftstheoretische Ort des Kritischen Rationalismus ist die Abgrenzung zum Positivismus. Wissenschaftliche Theorien sind spekulative Hypothesen, die bisheriges Wissen über Empirie abbilden und im Forschungsprozess abgelöst oder revidiert werden müssen. Wie Hypothesen aufgestellt werden, gehört im Kritischen Rationalismus nicht zur Wissenschaft selbst, sondern nur der Weg der empirischen Falsifizierung. Es kommt zu einer Trennung von Hypothesenerstellung (nicht-wissenschaftlich) und Hypothesenfalsifizierung (wissenschaftlich). Das Formalobjekt orientiert sich formallogisch an der Abfolge der Schlussmodi Deduktion-Induktion als leitendes Prinzip: Aus vorhandenen Hypothesen werden Ableitungen deduziert, die dann empirisch untersucht werden, indem ihnen Fälle zugeordnet werden (Induktion), oft im Vergleich zu anderen Hypothesen, um diese letztlich zu Fall zu bringen. Wissenschaft besteht darin, deduktiv Konsequenzen aus den Hypothesen abzuleiten und diese induktiv durch empirische Fälle zu falsifizieren. In einer abgeschwächten Form sind der Kritische Rationalismus ebenso wie der Positivismus weit verbreitet, etwa als linearer hypothesenüberprüfender Forschungsprozess.

2.3. Pragmatismus – Abduktion-Deduktion-Induktion

Der Pragmatismus integriert den Entdeckungskontext (Context of Discovery) selbst in den Forschungsprozess, nicht nur den Begründungskontext (Context of Justification) oder den Verwendungskontext (Context of Application; siehe dazu Reichenbach, 1938). Ausgangspunkt des Pragmatismus ist die konstitutionslogische Leistung des Forschenden selbst, d.h. wie Forscherinnen und Forscher überhaupt Materialobjekte auswählen und welche Erklärungen sie dafür finden. Dieser Prozess ist Gegenstand der Reflexion, nicht nur der anschließende empirische Forschungsprozess. Am Beginn des Forschungsprozesses steht ein überraschendes Phänomen, das nicht mit bisherigem Wissen erklärt werden kann und wozu daher neue Hypothesen gefunden werden müssen. Der Pragmatismus fragt im Unterschied zum Kritischen Rationalismus nach der Logik des Entstehens dieser Hypothesen, im Unterschied zum Positivismus verlängert er nicht das beobachtbare Phänomen zu einer Theorie, sondern entwirft Ableitungen und empirische Zuordnungen. Grundlegend für diese Ausrichtung ist die Abfolge der Schlussmodi Abduktion-Deduktion-Induktion: Am Anfang steht die Wahrnehmung eines überraschenden Phänomens, zu dessen Erklärung gedankenexperimentell Hypothesen entworfen werden (→ Abduktion). Hier zeigt sich, dass der Pragmatismus ursprünglich eine Bedeutungstheorie ist, die nach dem möglichen Spektrum von Bedeutungen zu Phänomenen fragt; die Hypothesen werden dann auf ihre Konsequenzen hin deduktiv abgeleitet und induktiv überprüft - ähnlich wie im Kritischen Rationalismus. Der wissenschaftstheoretische Unterschied zum Kritischen Rationalismus besteht aber darin, dass die Abduktion explizit in den Forschungsprozess integriert wird, ohne dass daraus natürlich eine vollständige Logik der Abduktion entwickelt wird. In neueren methodologischen Publikationen, die der Logik des Pragmatismus folgen, wird die Notwendigkeit der Offenlegung des Konstitutionsprozesses von Forschung besonders betont (Strauss/Corbin, 1996; Kelle/Kluge, 1999).

2.4. Handlungstheorie

Die Handlungstheorie fragt vom Pragmatismus ausgehend, welchen Möglichkeitsbedingungen wissenschaftliches Handeln als eine Form des Handelns unterliegt und welche Regeln und Strukturen zu beachten sind. Dabei kommt besonders die Form der Bedeutungskonstitution von Hypothesen als Sprachhandlung und kontextuelles „Sprachspiel“ (Wittgenstein) in den Blick. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treten durch die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs in bestimmte Lebensformen ein, an deren Regeln sie partizipieren. So ist es zu erklären, wie sich unterschiedliche Richtungen innerhalb eines Wissenschaftszweiges konstituieren, als Folge unterschiedlicher Lebensformen und damit der verschiedenartigen Bedeutungskonstitution von Hypothesen. Die Auswahl des Gegenstandes, der Gang der Forschung, die Theoriebildung etc. unterliegen bestimmten Interessen der Forscherinnen und Forscher, die wiederum im Kontext übergeordneter Interessen z.B. der Scientific Community, des Staates oder der → Gesellschaft stehen. Forschung entsteht also nicht losgelöst von Handlungen kontextuell eingebundener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die wiederum durch ein in der jeweiligen Disziplin vorherrschendes Muster geprägt sind. Der Begriff des Paradigmas steht exemplarisch dafür, der die transzendentalpragmatischen Bedingungen wissenschaftlichen Handelns auf den Punkt bringt. Ein Paradigma ist eine leitende Orientierung innerhalb einer Domäne. Dadurch wird deutlich, was gerade in der Domäne en vogue ist, woran sich die einzelnen Forscherinnen und Forscher orientieren – das können das Materialobjekt, das Formalobjekt oder beides sein.

3. Empirische Methodologie in der Religionspädagogik

3.1. Methodologie eines Forschungsdesigns

Die empirische Methodologie in der Religionspädagogik knüpft an die wissenschaftstheoretischen (→ Wissenschaftstheorie) Grundpositionen an und konkretisiert sie im Hinblick auf die Entwicklung eines empirischen Forschungsdesigns (Van der Ven, 1990; Ziebertz, 2004). Das Forschungsdesign lässt sich einer Grundposition zuordnen oder kombiniert diese. Standen anfangs noch eher positivistische und kritisch-rationalistische Designs im Vordergrund, so orientieren sich die Entwürfe mittlerweile eher am Pragmatismus und der Handlungstheorie (Heil, 2006). Für die empirische Religionspädagogik relevant sind zwei Konkretisierungen: die Orientierung an einem Paradigma sowie das Design eines empirischen Forschungsprozesses.

3.2. Orientierung an einem Paradigma

3.2.1. Paradigmen Empirie-Hermeneutik-Pragmatik

Ein Paradigma ist die „Grundorientierung“ (Schweitzer, 2002, 48) einer Disziplin, an denen sie ihre Wege und Erkenntnisse ausrichtet. Im Anschluss an die Arbeiten von Kuhn meint das Paradigma die grundlegende Ausrichtung des Forschungsdesigns, mittels derer Erkenntnisse generiert werden. Ziebertz identifiziert drei Paradigmen, an denen sich der religionspädagogische Forschungsprozess orientiert: →Hermeneutik, Empirie, → Ideologiekritik. Alle drei Paradigmen stehen in einem komplementären Verhältnis, d.h. sie existieren nicht nebeneinander, sondern sind aufeinander bezogen, und zwar im gesamten Forschungsprozess: „Hermeneutik ohne Ideologiekritik läuft Gefahr, Ideologie zu produzieren; Hermeneutik ohne Empirie läuft Gefahr, die Wirklichkeit aus dem Blick zu verlieren. Empirie ohne Hermeneutik läuft Gefahr, positivistisch verstanden zu werden und Empirie ohne Ideologiekritik kann dazu führen, Faktenwissen unkritisch zu übernehmen oder als Herrschaftswissen einzusetzen“ (Ziebertz, 1994, 229). Diese drei Paradigmen einer empirischen religionspädagogischen Methodologie sind im Anschluss an die Handlungstheorie in die Religionspädagogik eingeführt worden und wirken bis heute, wenngleich der Begriff Ideologiekritik im Anschluss an den Pragmatismus durch Pragmatik im Sinne der Entwicklung von Handlungsmodellen ersetzt werden kann. Deshalb verwendet der Artikel die drei Paradigmen Hermeneutik, Empirie und Pragmatik.

3.2.2. Modelle der Komplementarität der Paradigmen

Die Komplementarität der drei Paradigmen kann in vier Modellen umgesetzt werden: angewandte Theologie, Multidisziplinarität, Interdisziplinarität und Intradisziplinarität (Van der Ven, 1990, 103-130).

Angewandte Theologie ist die Umsetzung systematisch-theologischer Erkenntnisse in praktische Kontexte. → Religionspädagogik wird verstanden als Transformator, der systematisch-theologische Begriffe in Bildungssituationen überträgt und damit eine Art Kunstlehre darstellt. Verfeinert wird dieser Prozess durch empirische Beobachtungen zur jeweiligen Situation, was die Umsetzbarkeit verstärken soll. Beispiel hierfür ist die Entwicklung didaktischer Arbeitshilfen zu vorgegebenen systematisch-theologischen Begriffen unter Berücksichtigung empirisch-situativer Einschätzungen.

Multidisziplinarität ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen zur Erforschung eines Gegenstandes in einer zweiphasigen, arbeitsteiligen Abfolge: In der ersten Phase wird ein Gegenstand in anderen empirischen Disziplinen erforscht (Sozialwissenschaft, Psychologie, Erziehungswissenschaft u.a.); in der zweiten Phase erfolgt dann die hermeneutische und pragmatische Reflexion in der Religionspädagogik. Aus dem erforschten Gegenstand folgen die Umdeutung für die Religionspädagogik und die Entwicklung passender Handlungsmodelle. Beispiel hierfür sind sozialwissenschaftliche Jugendstudien wie die Sinus-Studie oder die Shell-Studie, die dann in der Religionspädagogik rezipiert werden, um evtl. Folgen für die Praxis des Religionsunterrichts (→ Religionsunterricht, evangelisch; → Religionsunterricht, katholisch) oder der Katechese ( Katechese/Katechetik) abzuleiten.

Interdisziplinarität ist die Kooperation verschiedener Disziplinen zu einem Forschungsgegenstand. Der Prozess der Erforschung eines Gegenstandes ist von vornherein auf eine gemeinsame Erforschung des Gegenstandes ausgelegt, also auch im empirischen Paradigma. Das Ideal ist der „herrschaftsfreie Diskurs“ der Disziplinen, die genau das aus Ihrer Disziplin Notwendige zur Erforschung des Gegenstandes beitragen; wie die Handlungstheorie jedoch gezeigt hat, spielen hier in der Person des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin unterschiedliche Interessen und Traditionen mit, so dass es neben dem Idealtypus den Realtypus gibt; im besten Fall ist ein Konsens möglich, im schlechtesten setzt sich eine Disziplin durch, ohne dass dies sachgerecht wäre. Beispiel für die Interdisziplinarität ist die „Francis-School“, die den interdisziplinären Ansatz konsequent verfolgt (Francis, 2002, 38), etwa in der Verwendung interdisziplinär standardisierter empirischer Messinstrumente (Skalen) und theoretischer Prämissen. Religionspädagogik ist danach ein Partner im gesamten Forschungsprozess und berücksichtigt das Zusammenspiel aller drei Paradigmen.

Intradisziplinarität ist die Integration von Theorien und Methoden anderer Disziplinen in die eigene Disziplin, um von dort aus einen Gegenstand zu erforschen. Die Religionspädagogik als Wissenschaft integriert damit Theorien und Methoden aus anderen Fächern, um einen Gegenstand angemessen zu erforschen. Das leitende Prinzip der Intradisziplinarität ist die Integration von anderen Wissenschaften, die zur Erforschung eines Gegenstandes notwendig sind, in die eigene Wissenschaft. Die Theorien und Methoden müssen dem Materialobjekt angemessen und mit dem Formalobjekt kompatibel sein. Dies sind die Kriterien für eine gelungene Intradisziplinarität. Durch Intradisziplinarität wird eine Disziplin gegenstandangemessen erweitert, ohne ihre Tradition zu verleugnen. Dadurch wird es möglich, zugleich perspektivisch und gegenstandadäquat an einen Gegenstand heranzugehen. Beispiel hierfür ist die mehrdimensionale empirische Erforschung von → Jugendreligiosität von der Religionspädagogik und ihren Fragestellungen hermeneutisch ausgehend, um für die Disziplin relevante Handlungsmodelle zu entwerfen.

3.3. Empirischer Forschungsprozess

Die grundlegende Ausrichtung empirischer Forschung an den drei Paradigmen Hermeneutik, Empirie und Pragmatik erfährt ihre Umsetzung im Entwurf eines empirischen Designs, das den Forschungsprozess strukturiert und die Prozessartigkeit des Forschens deutlich macht. Der Forschungsprozess besteht aus den drei erkenntnisgenerierenden Kontexten Entdeckungskontext, Begründungskontext und Verwendungskontext (Ziebertz, 2004; Heil, 2006).

Der Entdeckungskontext enthält Problem, Fragestellung und Ziel des Forschungsprozesses. Aufgrund dieser Fokussierung wird das Materialobjekt des Forschungsprozesses genau eingegrenzt, was jedoch in der Regel einer längeren Reflexion bedarf. Selten liegt bereits am Beginn des Forschungsprozesses diese Genauigkeit vor, was für die Komplementarität der drei Paradigmen spricht. Zu dem Materialobjekt werden theoretische Hypothesen als mögliche Antworten entwickelt, die im Sinne des Pragmatismus´ ein Bedeutungsspektrum generieren. Diese können aus der Literatur entstammen oder sind eine kreative Leistung des oder der Forschenden selbst. Die Auswahl eines Problems ist bereits die erste Konstitutionsleistung des oder der Forschenden und impliziert Normativität und biographische Verwurzelung.

Der Begründungskontext gliedert sich in die vier Phasen Konzeptentwicklung, Erhebung, Aufbereitung und Auswertung. Bei der Konzeptentwicklung werden Ableitungen und mögliche Kausalzusammenhänge der Hypothesen im Sinne eines „wenn …, dann …“ entwickelt, um die empirische Erforschbarkeit des Materialobjekts deutlich werden zu lassen. Auf der Grundlage dieser Aufspannung eines weiteren Bedeutungs- und Lösungsspektrums entsteht die Konzeptualisierung, häufig übersichtlich dargestellt in einem konzeptuellen Modell – entweder als Umsetzung der theoretischen Begriffe oder als Typologie. Eine Typologie ist die Entwicklung von Idealtypen auf der Grundlage klar definierter Vergleichsdimensionen (Kelle/Kluge, 1999); dadurch werden bestimmte Merkmale vordefiniert und eingeschränkt, je nach Anzahl der Vergleichsdimensionen mit unterschiedlich hoher Zahl an Typen (→ Korrelation). Beispiel hierfür sind die bekannten Sinus-Milieus anhand der Vergleichsdimensionen Soziale Lage/Grundorientierung. Auf die Konzeptualisierung folgt schließlich die Operationalisierung, die das vorhandene Konzept durch eine gegenstandangemessene Methodenauswahl empirisch erforschbar macht, z.B. die Entwicklung von Items oder eines Interviewleitfadens mit der Auswahl dazu passender Auswertungsmethoden. Die folgenden Phasen Erhebung, Aufbereitung und Auswertung setzen dies um, wobei es natürlich immer wieder zu Rückschlüssen auf das Konzept kommen kann, wenn eine bestimmte Methode in der Forschungspraxis nicht funktioniert. Am Ende dieses Durchgangs stehen „empirically grounded“ Hypothesen, die zu einer Theorie zusammengefasst und erweitert werden.

Der Verwendungskontext schließlich fragt nach den Konsequenzen der entwickelten Theorie für die untersuchte Praxis. Dabei kommt es zu einer Diskussion der bisherigen Ergebnisse und deren Bedeutung für die Praxis, je nach Paradigma auf unterschiedliche Art und Weise von der direkten Umsetzbarkeit als Anwendung bis zum Aufzeigen von Möglichkeitsbedingungen bestimmter Situationen für die Umsetzbarkeit der Ergebnisse.

3.4. Empirisch-theologischer Forschungszyklus

Es stellt sich nun die methodologische Frage, wie die drei Kontexte im Forschungsprozess realisiert werden. Es könnte das Missverständnis aufkommen, dass die drei Kontexte linear verlaufen. Im Anschluss an den Pragmatismus und die Handlungstheorie stehen die Kontexte jedoch in einem iterativen, verschränkten Verhältnis, so dass der Forschungsprozess eher zyklisch verläuft. Das empirische Forschungsdesign des Forschungsprozesses kann daher übersichtlich als empirischer Zyklus dargestellt werden, z.B. bei Van der Ven, 1990; Ziebertz, 2004; Hermanns, 1993; Heil, 2004; Faix, 2007 u.a. Gemeinsam ist diesen Zyklen die Strukturierung des Forschungsprozesses unter Berücksichtigung der drei Kontexte in ihrem wechselseitigen Verhältnis. Unterschiede bestehen in Detailliertheit der Zyklen und der Abfolge der einzelnen Kontexte und damit des Verständnisses von zyklisch – zyklisch eher im Sinne des Durchgehens der einzelnen Phasen und des Wiederbeginns am Anfang oder zyklisch im Sinne einer ständigen Beziehung und Revision der einzelnen Phasen wie im Sinne der neuen → Grounded Theory. Unterschiedlich ist also, ob von der letzten Phase wieder zur ersten gegangen werden oder ob zwischen einzelnen Phasen nach Notwendigkeit gewechselt werden kann. Darin enthalten ist die Frage, ob es möglich ist, mehrmals in der Empirie tätig zu werden oder ob ein Durchgang reichen muss. Zur Verdeutlichung werden zwei Zyklen exemplarisch vorgestellt, die die grundsätzliche Revidierbarkeit und Umkehrbarkeit des Forschungsprozesses deutlich machen und Forschung daher nicht als linearen deduktionslogischen Prozess, sondern als Abfolge von Entscheidungen verstehen, die zum Teil durch Ableitungen, zum Teil aber auch durch abduktiv gewonnene Erkenntnisse fungieren:

Empirie Abbildung 1

Der empirische Forschungszyklus (Ziebertz, 2004, 216) verdeutlicht die Abfolge der drei Phasen im Forschungsprozess in ihrem iterativen Verhältnis zueinander. Die einzelnen Phasen folgen in der Darstellung aufeinander ab und geben idealtypisch eine Richtung vor, im Forschungsprozess ist dies jedoch keineswegs linear, sondern zyklisch, was durch die ständige Begleitung von Deduktion und Induktion sowie die Übergänge der einzelnen Kästchen angedeutet wird. Darin sind sehr viele einzelne Entscheidungen enthalten, die zum Teil auf kreativem, abduktivem Prozess beruhen und die handlungstheoretische Einbettung des Forschungsprozesses deutlich machen. Im Zyklus wird das empirische Design des Forschungsprozesses unter Berücksichtigung der wissenschaftstheoretischen Grundpositionen anschaulich umgesetzt.

Ausgehend von dem Modell des ‚empirischen Forschungszyklus' stellt die folgende Grafik die besondere Rolle der drei Schlussmodi → Abduktion, Deduktion und Induktion im Forschungsprozess und ihre jeweilige Akzentuierung in den drei Forschungskontexten vor:

Empirie Abbildung 2

Der empirisch-theologische Forschungszyklus nach Schlussmodi konkretisiert die Schlussmodi, die in den Forschungskontexten von besonderer Bedeutung sind (Heil, 2006, 43). Die drei Modi → Abduktion, Induktion und Deduktion sind in jedem Kontext und in jeder Subphase vorhanden, werden jedoch unterschiedlich akzentuiert, ausgedrückt durch die obige Stellung des jeweiligen Modus. Dies verdeutlicht, dass in den einzelnen Abschnitten des empirischen Zyklus unterschiedliche Denkmuster vorherrschend sind, je nach Bedeutung des Schlussmodus. Die vier Pfeile in der Mitte des Zyklus verdeutlichen die jederzeit flexible Struktur des Zyklus, d.h. es kann von jeder Phase zu einer anderen vor- oder zurückgesprungen werden, je nach Verknüpfung im Forschungsprozess. Das Modell verdeutlicht – ähnlich wie die Elementarisierung bei der Unterrichtsplanung – dass der empirische Forschungsprozess strukturiert und zielgerichtet auf die Entwicklung einer empirisch fundierten Theorie hin ist, der Weg dorthin jedoch nicht linear, sondern zyklisch verlaufen kann.

4. Fazit

Empirie kann in der → Religionspädagogik sowohl als Formal- als auch als Materialobjekt verwendet werden. Das Materialobjekt bezieht sich auf die Gegenstandsauswahl religionspädagogisch relevanter Phänomene, das Formalobjekt auf die methodologische Begründung einer empirischen Religionspädagogik. Will Religionspädagogik empirisch forschen, muss sie sich Rechenschaft geben, an welcher wissenschaftstheoretischen Grundposition sie sich orientiert bzw. welche sie kombiniert. Dies hat unmittelbare Folgen für die Orientierung an bestimmten Paradigmen des Fachs sowie die Entwicklung eines eigenen empirisch-theologischen Forschungsdesigns. Ein Forschungsdesign hat implizite methodologische Annahmen, die aufgedeckt werden sollten – die Methodologie bestimmt die Methodik. Bei dem Design eines Forschungsprozesses können wissenschaftstheoretische und methodologische Reflexionen helfen, den Weg der Wissensgenerierung und die am Ende stehende Theorie sowie deren Folgen transparent und nachvollziehbar zu machen.

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