Deutsche Bibelgesellschaft

Schönheit, bibeldidaktisch

(erstellt: Februar 2025)

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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.400059

1. Elementare Erfahrungen

1.1. Schönheit als biographischer Vorteil

Kinder und Jugendliche machen von klein auf die Erfahrung, dass Schönheit eine große Rolle bei der Beurteilung von Personen spielt und in vielen Bereichen des sozialen Zusammenlebens positive Auswirkungen hat. Nach Befunden der Attraktivitätsforschung werden Personen, die als attraktiv wahrgenommen werden, eher sozial erwünschte Persönlichkeitseigenschaften wie freundlich, zuverlässig, ehrlich, mitfühlend sowie kreativ, intelligent, leistungsstark und durchsetzungsfähig zugeschrieben. Attraktive Kinder und Jugendliche bekommen tendenziell mehr Aufmerksamkeit, sie sind bei Gleichaltrigen häufig beliebter und angesehener; auch von Lehrkräften werden sie hinsichtlich ihrer intellektuellen Fähigkeiten und Potentiale häufig höher eingeschätzt und bekommen mehr Aufmerksamkeit und tendenziell bessere Noten. Dies kann ihr Selbstwertgefühl sowie ihre Selbstmotivation, ihr Leistungsverhalten und ihre Bildungsverläufe positiv beeinflussen, z.B. bei der Entscheidung über die weiterführende Schule (vgl. Binkli, 2022, 100-102; Dunkake/Kiechle/Klein/Rosar, 2012, 146f.). Anzumerken ist aber, dass Schönheit nicht objektiv festlegbar ist, sondern vielmehr eng an die Ausstrahlung einer Person gebunden ist und in Beziehungen (Familie, Partnerschaft) zugeschrieben wird (siehe unten 2. Elementare Strukturen).

1.2. Schönheit als „gesellschaftlicher Imperativ“

Einen großen Einfluss auf Kinder und Jugendliche hat die Omnipräsenz makellos schöner Körper in Werbung, Medien und Öffentlichkeit. Schönheit und die Fähigkeit zur Selbstdarstellung verheißen im Kontext der Massenmedien einen sozialen Gewinn. Fernsehshows, zunehmend bereits Kinder- und Jugendshows, belohnen Selbstinszenierungen und körperliche Schönheit mit Anerkennung und Erfolg (vgl. Görtler, 2012, 13; Schreiber, 2021, 1f.20f.). Damit wird Schönheit gleichsam zum moralischen Gebot. In den sozialen Netzwerken kommt dem Körper als Instrument einer gezielten Selbstdarstellung zunehmend sinn- und identitätsstiftende Funktionen zu; Jugendliche werben hier um die Anerkennung in der Peer Group, indem sie sich möglichst vorteilhaft darstellen und gegenseitig überbieten. Die Möglichkeit der permanenten Bewertung und des damit einhergehenden Vergleichs legt eine Orientierung an beständiger Steigerung nahe (vgl. Schreiber, 2021, 21).

Im Zuge einer zunehmenden Flexibilisierung von Biographie und Lebensführung scheint Schönheit vielen Jugendlichen wichtig für die Teilhabe am sozialen Leben und als Mittel des sozialen Aufstiegs. Die Gestaltung, Verbesserung und Inszenierung des Äußeren erscheint als hilfreich und notwendig, um als zugehörig zu gelten, Anerkennung zu gewinnen und sich gegenüber anderen abzuheben, und wird so bedeutsam für die individuelle Handlungsorientierung (vgl. Schreiber, 2021, 275;280). Dabei sind Mädchen und Frauen (→ Mädchen/Frauen) einem höheren Druck ausgesetzt, gesellschaftlichen Schönheitsnormen zu entsprechen, da noch in der Gegenwart Schönheit oft unmittelbar mit Weiblichkeit assoziiert wird („schönes Geschlecht“). Sie werden weit stärker nach ihrem Äußeren beurteilt und Verstöße gegen gängige Schönheitsnormen sind häufiger mit Stigmatisierung und sozialer Schwächung verbunden, wogegen für männliche Attraktivität auch Charisma, Ausstrahlung oder gesellschaftlicher und ökonomischer Status entscheidend ist (vgl. Görtler, 2012, 11.21;38;49; Schreiber, 2021, 28).

Für viele Jugendliche relevant ist die YouTube Beauty Community, in der die Kopplung von Weiblichkeit und Schönheit, auf der Basis hierarchisierter Geschlechtsrollenzuschreibungen, beständig reaktualisiert wird (vgl. Richter, 2021, 320). Hier stehen die Akteurinnen vor der herausfordernden Aufgabe, sowohl Anforderungen normativer Weiblichkeit und Schönheit zu entsprechen, als auch authentisch zu wirken und die daraus resultierenden Spannungen und Belastungen souverän zu handhaben. Dabei kann die ständige, strategische Ausrichtung auf algorithmisch verwertbares Feedback als hidden agenda großen Druck verursachen (vgl. Richter, 2021, 321-323). Hier dient die Beauty Community als Ressource für Schönheitstechniken, Selbstvermarktung und das Bearbeiten von Druck- und Diskriminierungserfahrungen und als Ort gegenseitigen Austausches (vgl. Richter, 2021, 329f.).

Studien legen nahe, dass die Optimierung des Körpers für viele Teil der Lebensführung geworden ist. Selbst „radikale“ Körpermodifikationen wie Schönheitsoperationen werden angesichts ihrer medialen Dauerpräsenz zunehmend normalisiert (vgl. Schreiber, 2021, 21;23f.). Das allgemein anerkannte Ideal kann jedoch nur von Wenigen erreicht werden, die in der Lage sind, die erforderliche Menge an Zeit und Geld in die eigene Vervollkommnung zu investieren (vgl. Wolf, 2019,23f.). Die immer neuen Anforderungen an die Schönheitsoptimierung können zu Überlastung führen und dazu, dass das eigene Handeln subjektiv immer weniger als eigenes erfahren wird. Auch die durch die digitalen Möglichkeiten bedingte Unvereinbarkeit zwischen der makellosen virtuellen Repräsentation und der analogen Erscheinung kann Komplikationen hervorrufen (vgl. Wolf, 2019, 25; Schreiber, 2021, 281f.291). Herausfordernd für die Jugendlichen ist die Spannung zwischen der Orientierung an gesellschaftlichen Schönheitsnormen und dem Wunsch, durch den eigenen Körper Individualität sichtbar zu machen und die eigene Identität zum Ausdruck zu bringen (vgl. Teschmer, 2023, 275). Gleichzeitig finden sich aber auch Widerstände gegen den Konformitätsdruck und eine eigenständige Bearbeitung einer bestimmten Vorstellung körperlicher Schönheit, indem einige Jugendliche sich diesem entziehen und andere als höherwertig priorisierte Ziele verfolgen (vgl. Richter, 2021, 332f.; Schreiber, 2021, 275).

1.3. Schönheitsoptimierung und Zugehörigkeit

Aufgrund der zunehmenden Tendenz, den eigenen Wert über Schönheit und Attraktivität zu definieren, werden Körperoptimierungen als subjektiv bedeutsam erlebt, da sie auf biographisch konstituierte, innere Bedürfnisse nach Nähe, Anerkennung und Wertschätzung sowie auf Wünsche nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung antworten und mit Verheißungen von Glück und Zufriedenheit einhergehen (vgl. Schreiber, 2021, 267f.;270). Besonders in unsicheren sozialen Beziehungen erscheint das Bestreben, medial vermittelten Schönheitsnormen zu entsprechen, als vermeintlich praktikable „Lösung“, um ein biographisch bedingtes geringes Selbstwertgefühl oder eine psychische Belastung zu kompensieren und Anerkennung und Zuwendung zu bewirken (vgl. Schreiber, 2021, 277f.). Junge Mädchen in der → Adoleszenz sind oft deshalb empfänglicher für Schönheitsoptimierungsversuche, weil sie stärker familialen und sozialen Reglementierungen und Normierungen von Körperlichkeit unterliegen als Jungen und Männer, insbesondere in sozialen Kontexten, in denen aufgrund ungleich erlebter Geschlechterkonstellation Vorstellungen von hegemonialer Männlichkeit vermittelt werden. Die Anpassung an Schönheitsideale wird als Möglichkeit wahrgenommen, die Anerkennung (männlicher) Anderer zu gewinnen und dadurch mit Weiblichkeit verbundene Ohnmachtserfahrungen zu bewältigen (vgl. Schreiber, 2021, 276f.).

Problematisch daran ist, dass seelische Konflikte, Minderwertigkeitsgefühle, Ängste und Unsicherheiten nicht intrapsychisch verarbeitet, sondern über die Bearbeitung des Körpers abgewehrt werden; dieser ist jedoch nicht beliebig optimierbar, zudem tritt der erwartete Erfolg häufig nicht ein (vgl. Schreiber, 2021, 33-39.42). Der Versuch, Erfahrungen von Zuwendung und Anerkennung in Freundschaft oder Partnerschaft vorwiegend über äußere Schönheit herzustellen, kann dazu führen, dass andere unverzichtbare Dimensionen leiblich-affektiver Bindung, wie Nähe, Vertrauen und Solidarität, zunehmend vernachlässigt werden (vgl. Schreiber, 2021, 283).

Eine besondere Herausforderung bildet die Aneignung der körperlichen Veränderungen in der Pubertät, in der viele Jugendlichen sich intensiv mit dem eigenen Körper auseinandersetzen und es ihnen schwer fällt, diesen mit seinen Unzulänglichkeiten anzunehmen, besonders dann, wenn die körperlichen Wandlungen intersubjektiv gerahmt werden durch Erfahrungen von Ohnmacht, Missachtung oder Entwertungen seitens der Peer Group, die das Gefühl hervorrufen, unterlegen oder nicht gut genug zu sein. In dieser Umbruchszeit, die durch erhöhte Unsicherheit und Vulnerabilität gekennzeichnet ist, verheißt die Orientierung an Schönheitsstrategien einen Gewinn von Selbstgewissheit, Handlungsfähigkeit und Anerkennungschancen und kann so, insbesondere bei einer eher unsicheren sozialen Positionierung, als Halt und Orientierung gebend erfahren werden (vgl. Schreiber, 2021, 278-280; Teschmer, 2023, 268).

1.4. Schönheit außerhalb der Norm

Eine eigenständige Vorstellung körperlicher Schönheit jenseits des gesellschaftlichen Konformitätsdrucks ist besonders relevant bei Menschen außerhalb der Norm. InsbesondereMenschen mit körperlichen Behinderungen können den idealen Normvorstellungen von Schönheit oft schwerer oder nur teilweise entsprechen. Da viele das Ideal des schönen Körpers, mit dem sie von klein auf konfrontiert sind, verinnerlicht haben und versuchen, diesem mit dem eigenen Körper und den eigenen Fähigkeiten zu entsprechen, ist es für sie oft schwierig, den eigenen behinderten Körper und das eigene So-Sein liebevoll anzunehmen (vgl. Magdlener, 2022; Barten, 2017, 37f.). Dagegen kann die Erfahrung, von ihrem Umfeld in ihrem So-Sein anerkannt und wertgeschätzt zu werden, dazu beitragen, dass sie sich dagegen entscheiden, den gängigen Idealen zu folgen, sondern ihre eigene Schönheit in Verbindung mit ihren eigenen Erfahrungen und gelebten Körpern umdefinieren und sich „behindert*schön“ (Magdlener, 2022) finden.

Auch nicht-behinderte Menschen sind mit der Erfüllung der Normvorstellungen konfrontiert, etwas aufgrund ihrer kulturellen Herkunft, ihres Alters, der Hautfarbe oder diverser Geschlechtsidentitäten (→ Intersektionalität). Viele versuchen, sich anzupassen, um dazu zu gehören und anerkannt zu werden (vgl. Magdlener, 2022). Da sie dabei aber häufig an Grenzen stoßen, kann dies einen Lernprozess anstoßen, sich im eigenen Anders-Sein schön zu finden.

2. Elementare Strukturen: Schönheit in der Bibel

In der Bibel begegnet Schönheit in vielfältigen Facetten. Entsprechend gibt es in der hebräischen Sprache zahlreiche Begriffe für „schön“, die je nach Kontext weitere Bedeutungsfelder implizieren, wobei die Grenzen oft fließend sind. Die häufigsten sind die Adjektive tov: „gut, richtig, schön“; jafæh: „schön, lieblich“; na’am: „schön, anmutig“ und die Nomen hod: „Pracht, Schönheit“; hadar: „Herrlichkeit, Schönheit“ und kavod: „Schwere, Herrlichkeit, Schönheit“. Schön ist das, was gefällt, Ehrfurcht erregt oder fasziniert. Im NT finden sich häufig die griechischen Wörter kalós: „gut, schön, passend“ und agathos: „richtig, schön, gut“. Insbesondere tov und kalós umfassen die Aspekte sinnliche Schönheit, Angemessenheit und sittliche Qualität und zeigen so die Verbindung von äußerer Schönheit und inneren Werten (vgl. Loader, 2010, 1f.; Brockmöller, 2019, 28; Krüger, 2006, 359).

Im Alten Testament wird Schönheit meist positiv bewertet. Das Prädikat „schön“ bezieht sich häufig auf die körperliche Schönheit von Menschen; es begegnet doppelt so oft bei Frauen (z.B. Sara: Gen 12,11; Rebekka: Gen 24,16; Batseba: 2 Sam 11,2; Tamar: 2 Sam 13,1; Ester: Est 2,7; Judit: Jdt 8,7) als bei Männern (z.B. Josef: Gen 39,6; Mose: Ex 2,2; Saul: 1 Sam 9,2; David: 1 Sam 16,12), was die patriarchale Perspektive der Frau als Objekt des männlichen Blicks spiegelt. Auch Tiere, Bäume, Früchte (Ez 31,3.7ff; Jer 11,16), die Stadt (Zion: Ps 48,3) und weitere Phänomene werden als schön bezeichnet (vgl. Loader, 2010, 2f.; Krüger, 2006, 359). Dagegen findet Schönheit im Neuen Testament keine große Wertschätzung, was mit der Erwartung eines nahen Weltendes zusammenhängen kann (vgl. Krüger 2006, 360).

2.1. Wertschätzung von Schönheit

2.1.1. Liebe und Schönheit

Besonders ausführlich und überschwänglich wird menschliche Schönheit im Hohenlied (hebr. schir ha-schirim: „Lied der Lieder“) thematisiert, einer im dritten Jahrhundert v. Chr. zusammengestellten Sammlung von Liebesliedern, in denen eine Frau und ein Mann ihrer Liebe, Lust und der Freude an der Schönheit des und der Anderen sinnlich und bildreich Ausdruck verleihen (→ Sexualität, bibeldidaktisch). Im Kontrast zur patriarchalen Gesellschaft Alt-Israels preist hier auch die Frau die Schönheit des Mannes und die Geliebte bezeichnet sich selbstbewusst als „dunkel“ und „schön“ (Hhld 1,5), obwohl eine dunkle Hautfarbe als soziale Markierung des einfachen Volks in Spannung zum damaligen Schönheitsideal steht (vgl. Kügler, 2019, 43; Brockmöller, 2019, 27f.). Die sogenannten Beschreibungslieder illustrieren, in Anlehnung an ägyptische Liebeslyrik, das zeitgenössische weibliche (Hhld 1,8-11;4,1-5;7,1-6) wie männliche Schönheitsideal (Hld 5,9-16). Sie haben aber nicht bloß den Körper der geliebten Person vor Augen, sondern ihren Ausdruck und ihre Ausstrahlung und zeigen, dass sich Schönheit erst in der Beziehung wirklich offenbart. So stehen die Metaphern „Ziegen“ und „Tauben“ für Dynamik, wobei „Tauben“ die Augen als „Liebesbotinnen“ herausstellt (Hld 4,1;5,12). Das alttestamentliche „Schönheitsideal ist somit kein Körper- sondern ein Verhältnisideal“ (Schroer/Staubli, 2005, 22; vgl. Thöne, 2019, 38f.;41).

2.1.2. Schönheit und Gottesnähe

Im Alten Testament werden wichtige Personen als „schön“ bezeichnet, um ihre Gottesnähe zu zeigen. Bei männlicher Schönheit spielen erotische Aspekte kaum eine Rolle; diese steht vielmehr in enger Verbindung mit Macht, Majestät oder Herrlichkeit, analog zur Verbindung von körperlicher Kraft und Macht in den altorientalischen Kulturen. Dies zeigt sich an der Schönheit von Menschen, denen Ehrfurcht oder sozialer Respekt gebührt, insbesondere von Königen und Herrschern, so den von Gott erwählten Königen Saul (1 Sam 9,2) und David (1 Sam 16,12.18;17,42; vgl. Ps 45,3; Jes 33,17; vgl. Kügler, 2019, 45f.; Loader, 2010, 3;5). Die Verbindung von Schönheit mit Gottesnähe und Gerechtigkeit illustriert das Lob des idealen Königs in Ps 45, der in seiner Herrschaft die Königsherrschaft Gottes vergegenwärtigt, sodass seine Macht unbezwingbar ist (vgl. Kügler, 2019, 48). Die Schönheit des kleinen Mose (Ex 2,2), die seine Rettung vom Kindermord bedingt, ist grundlegend für die spätere Rettung Israels aus Ägypten und spielt wohl auf seine künftige Lebensaufgabe an (→ Mose und Miriam, bibeldidaktisch, Grundschule; → Mose und Miriam, bibeldidaktisch, Sekundarstufe). Auch bei Rebekka zeigt sich ihre Schönheit in ihrem richtigen Handeln anlässlich der Brautwerbung für Isaak (Gen 24,16; vgl. Brockmöller, 2019, 29f.).

2.1.3. Schönheit und Rettung

Die Erzählungen von Judit und Ester illustrieren die enge Verbindung des Schönheitsmotivs mit Segen und Errettung. Die Erzählung von Judit (Jehudit: „Jüdin“), die das Judentum repräsentiert, verarbeitet Bedrohungssituationen der Geschichte Israels und stellt die absolute Macht JHWHs, des Gottes Israels, über menschliche Gewaltherrscher heraus (vgl. Wuckelt, 2019, 53). Die schöne und gottesfürchtige junge Witwe Judit (Jdt 8,6-8) lässt in einer massiven militärischen Notlage das Rettungshandeln Gottes durch ihr Handeln wirksam werden, indem sie ihre Schönheit, Weisheit und ihr absolutes Gottvertrauen als Kapital gegen Krieg und Gewalt einsetzt. Ihr gelingt es, den feindlichen Heerführer derart zu betören, dass er ihr hilflos ausgeliefert ist und getötet wird, (Jdt 12,1513,8; vgl. Wuckelt, 2019, 55-57). Auch die jüdische Waise Ester, die aufgrund ihrer außerordentlichen Schönheit zur Königin Persiens erhoben wird, setzt diese angesichts der drohenden Vernichtung ihres Volkes gezielt zu dessen Rettung ein. Durch ihre Schönheit und Klugheit findet sie Zugang zum König und seine Aufmerksamkeit und erreicht so die Entmachtung des mächtigen Gegners Haman und das Unterlaufen der geplanten Vernichtung der Juden und Jüdinnen (Ester 4,4-17;5,1-3;7; vgl. Wuckelt, 2019, 59f.).

2.1.4. Schönheit Gottes und der Schöpfung

Eine große Bedeutung kommt im AT der Schönheit Gottes zu, für die häufig das Wort kavod: „Pracht, Herrlichkeit“ steht und die als Gottes Ausstrahlung verstanden werden kann (vgl. Loader, 2010, 9; Reuter, 2019, 81). Die Schönheit bzw. Herrlichkeit Gottes ist untrennbar mit Gottes Wirken verbunden. Gott zeigt seine Herrlichkeit/Schönheit, wenn er sich als gnädig und barmherzig handelnder Gott erweist (vgl. Ex 33,18-23) und wenn er für Gerechtigkeit und Recht sorgt (vgl. Ps 97; vgl. Reuter, 2019, 82f.). Die Schönheit Gottes wird häufig in Verbindung mit der Schönheit und Pracht der → Schöpfung gepriesen, die Gottes Herrlichkeit illustriert, insbesondere in den Psalmen und zuweilen in der prophetischen Literatur (vgl. Ps 8;19;76,5;104;145,5.12; vgl. Jes 35,2; Hos 14,6f.; vgl. Loader, 2010, 9;11; Reuter, 2019, 85f.). In der Weisheitsliteratur bringen lyrische Texte eine tiefe Bewunderung für die Naturordnung zum Ausdruck, deren tief durchdachte Ordnung und wunderbare Verwaltung der Mensch nicht verstehen, sondern nur staunend bewundern kann (Hi 38-40). Kohelet sieht im Hin und Her des Lebens eine Grundstruktur göttlichen Ursprungs, die Welt ist „schön“ gerade in ihren Gegensätzen und unvorhersehbaren Wechselfällen des Lebens (Koh 3,1-11; vgl. Loader, 2010, 11;15; Brockmöller, 2019, 30f.).

Das Adjektiv tov: „gut, schön“ begegnet das erste Mal im biblischen Kanon als Gottes Bewertung seiner Schöpfungswerke im Sinne von „in sich stimmig, lebensförderlich“ im Schöpfungshymnus Gen 1 (V. 4.12.18.25.31), der als Gegenentwurf gegen die aktuelle Wirklichkeitserfahrung die schöpferische Macht Gottes entfaltet, um eine Hoffnungsperspektive zu vermitteln (vgl. Theuer, 2019, 87-89). Bedeutsam ist die Bezeichnung des Menschen als „Bild Gottes“ (Gen 1,26f.), welche die altorientalische Vorstellung des Königs als Repräsentanten Gottes auf alle Menschen ausweitet. Dieses Prädikat erkennt allen Menschen Gestaltungsmöglichkeit und Eigenverantwortung zu und sagt ihre prinzipielle Gleichwertigkeit aus, unabhängig von äußeren Faktoren. Die abschließende Beurteilung aller Schöpfungswerke, inklusive des Menschen, als „sehr schön/gut“ (1,31) zeigt, dass Schönheit im theologischem Sinn weniger physische Schönheitsmerkmale als die Übereinstimmung mit der göttlichen Bestimmung im Blick hat (vgl. Beiner/von Stemm, 2010, 73f.; Loader, 2010, 6).

2.2. Ambivalenz von Schönheit

2.2.1. Gefährdung durch Schönheit

Erotische Schönheit kann auch zum Verhängnis werden, da sie Anlass für Grenzüberschreitung sein kann. Neben der „romantischen“ Seite von Schönheit, Liebe und Begehren wie im Hohenlied besitzt diese Trias als Schattenseite auch die besitzergreifende Begierde, die zu sexuellen Übergriffen führen kann, insbesondere von Männern in Machtpositionen, was die Verflechtung von Sexualität, Geschlecht und Macht zeigt (vgl. Schlehahn, 2019, 62).

In der Erzählung von König David und Batseba (2 Sam 11) löst die sehr schöne Frau bei ihm sexuelles Begehren aus, sodass er sie holen lässt. Batseba ist es aufgrund seiner königlichen Machtposition nicht möglich, sich zu verweigern. Durch die aus dem Missbrauch resultierende Schwangerschaft gerät sie sogar in Lebensgefahr, da auf Ehebruch die Todesstrafe steht (Lev 20,10; Dtn 22,22) und ihr Mann an der Front ist (2 Sam 11,4; vgl. Schlehahn, 2019, 64f.). Als sie David ihre Schwangerschaft mitteilen lässt, versucht dieser zunächst vergeblich, ihrem Mann Urija das Kind unterzuschieben, worauf er dessen Tod an der Front anordnet und schließlich Batseba zur Frau nimmt (2 Sam 11,5-27).

Analoge Machtverhältnisse finden sich in der Erzählung von Tamar und Amnon (2 Sam 13,1-22). Amnon, der erstgeborene Sohn König Davids, hat ein ungezügeltes Verlangen nach seiner schönen Halbschwester Tamar, die für ihn tabu ist. Daher greift er zu einer List, damit sie in sein Haus geschickt wird, wo er sie vergewaltigt und anschließend hinauswerfen lässt, ohne auf ihre Bitten zu hören (2 Sam 13,11-14.15-17). Als Tamar durch das Ausführen von Trauerriten öffentlich ihr Leid zeigt und laut klagt, spielt ihr Bruder Abschalom das Geschehen herunter und befiehlt ihr, zu schweigen. Tamar wird ihre Würde und ihre Zukunft genommen, sie lebt fortan „zerstört“ im Haus ihres Bruders (2 Sam 13,19-20; vgl. Schlehahn, 2019, 66-69).

Die Gefährdung durch Schönheit zeigen auch die Erzählungen von der Preisgabe Saras und Rebekkas (Gen 12,11-20;20;26,7-11) und der sexuellen Belästigung Susannas durch zwei Männer (EÜ: Dan 13; vgl. Loader, 2010, 3). Auch Josef wird als Sklave im Haus Potifars seine Schönheit zum Verhängnis, da die Frau seines Besitzers ihn begehrt und von ihm fordert, ihr sexuell zur Verfügung zu stehen. Da er sich dem sexuellen Übergriff entzieht (Gen 39,8-9), bezichtigt die Frau Potifars aus Rache über die demütigende Zurückweisung Josef bei ihrem Mann der versuchten Vergewaltigung, sodass er ins Gefängnis geworfen wird (Gen 39,4-20). Die Texte illustrieren, dass das Zusammenspiel der Faktoren Schönheit, Geschlecht, sozialer Status und Macht sexualisierte Gewalt fördern kann, sowie, dass das alttestamentliche Verständnis stärker die sozialen Folgen der Gewalttat als die persönlichen Verletzungen fokussiert (vgl. Spiering-Schomborg, 2018, 681; Schlehahn, 2019, 62).

2.2.2. Relativierung von und Kritik an Schönheit

Vor allem in der Weisheitsliteratur findet sich im AT auch eine kritische Auseinandersetzung mit Schönheit. Diese mahnt, einen Menschen nicht nach seiner äußeren Schönheit zu beurteilen (Sir 11,2) und betont JHWH-Furcht als höheren Wert als die trügerische und vergängliche Schönheit einer Frau (Spr 31,30). Zudem wird davor gewarnt, sich von einer schönen Frau verführen zu lassen (Spr 6,25; Sir 9,8;25,21); die Verlockung der schönen „fremden Frau“ führe zu Armut und Vernichtung (Spr 5,1-23; vgl. Loader, 2010, 13).

Im Jesajabuch und im Ezechielbuch wird aufgezeigt, dass irdische Schönheit von Gott fernhalten und zu Hochmut und Sünde verleitet kann, was die Strafe Gottes bewirkt (Jes 3,16-24; Ez 16,15;28,17). Die Erzählung der Erwählung Davids betont, dass JHWH nicht auf das Äußere, sondern auf das „Herz“ achtet (1 Sam 16,7). Grundlegend relativiert wird Schönheit beim „Gottesknecht“, der explizit als „nicht schön“ bezeichnet wird (Jes 53,2) und so die im AT häufige Verbindung von Schönheit mit Erfolg, Macht oder Weisheit kritisch in Frage stellt. Die spätere christliche Deutung des Gottesknechts auf Jesus enthält die Provokation und radikale Umwertung, dass hier der Messias explizit mit dem Hässlichen verbunden wird. Ausgangspunkt ist der Tod Jesu am Kreuz, der die radikale Auflösung männlicher Schönheit in Machtlosigkeit, Qualen und Ehrverlust bedeutet (vgl. Krüger, 2006, 360; Kügler, 2019, 49f.).

Im NT findet sich Schönheitskritik in Verbindung mit gesellschaftlichen Rollenmodellen, gemäß dem zeitgenössischen griechisch-römischen Ethos. Der erste Timotheus- und Petrusbrief ermahnen – im Aufgreifen gängiger „Frauenspiegel“ der griechischen Philosophie – christliche Frauen dazu, auf prachtvolle Kleider, Frisuren und Schmuck zu verzichten und stellen der äußeren Schönheit innere Werte (gute Werke bzw. Herz und Geist) gegenüber (1 Tim 2,9-11; 1 Petr 3,3-6). Die Verbindung der Ermahnung mit der Forderung der Unterordnung unter ihre Männer und dem Verbot, öffentlich aufzutreten, legt nahe, dass wohlhabende und angesehene Frauen, die in der Gemeinde öffentliche Funktionen innehatten und dies durch ihr Äußeres zum Ausdruck brachten, zurückgedrängt werden sollten (vgl. Bieberstein, 2019, 75-77).

3. Elementare Wahrheiten

Bedeutsam ist, dass Schönheit im AT als Beziehungsbegriff begegnet, nicht als objektives Kriterium. Schönheit existiert im biblischen Weltbild nicht an sich, sondern sie erweist sich über Aufgaben und Handlungen oder sie wird in Beziehungen und Begegnungen intersubjektiv zugesprochen (vgl. Brockmöller, 2019, 28). So wird im Hohelied die geliebte Person als schön wahrgenommen und bezeichnet sich selbst selbstbewusst als schön (1,4), in Spannung zur zeitgenössischen Schönheitsnorm. Relevant ist der Grundsatz „die Schönheit liegt im Auge der Betrachtenden“. Dies impliziert einen weiten Schönheitsbegriff, sodass auch Nicht-Gewohntes, fernab von Normen, als schön empfunden werden kann, was Jugendliche dazu ermutigen kann, sich nicht von gesellschaftlichen Schönheitsidealen abhängig zu machen.

Aus der Darstellung des Menschen als Geschöpf und Bild Gottes (Gen 1,27f.) (→ Schöpfung) lässt sich ableiten, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Äußeren, im Schöpferwillen Gottes begründet, von Gott anerkannt und einander gleichwertig sind und sich somit Anerkennung nicht erst erarbeiten müssen. Verschiedenheit ist somit als Vielfalt wahrzunehmen und den unterschiedlichen Ausprägungen mit Akzeptanz und Offenheit zu begegnen. Die Gottebenbildlichkeit, die eine ganzheitliche Sicht des Menschen mit der Dimension der Körperlichkeit impliziert, begründet autonomes Handeln und Gestaltungsfreiheit und ist ein kritischer Gegenpol zu einer an Leistung und Perfektionismus orientierten Gesellschaft. Dies kann Jugendliche im Prozess ihrer Identitätsentwicklung von dem Versuch befreien, bestimmten Schönheitsnormen und Erwartungen entsprechen zu müssen, um angenommen und geliebt zu werden (vgl. Teschmer, 2023, 276f.; Schreiber, 2021, 281; Grümme, 2016, 8).

Relevant ist auch die enge Verbindung von Schönheit mit Gottesnähe und inneren Werten (vgl. tov; Ps 45). Schönheit ist nicht abhängig von gesellschaftlichen Vorstellungen, sondern bedeutet ein Mit-sich-im Einklang-Sein, seiner Aufgabe zu folgen. Dies kann dazu anspornen, sich von kulturell vermittelten Imperativen der Selbstoptimierung zu distanzieren und alternative Weisen des Seins und Handelns in Orientierung an ethischen Kriterien zu entwerfen, um leiblich-seelisch Gottes Gegenwart präsent zu machen (vgl. Brockmöller, 2019, 29; Beiner/von Stemm, 2010, 74; Schreiber, 2021, 284).

Auch die Schönheitskritik in 1 Tim 2 kann dazu anregen, den aktuellen Trend zur Selbstoptimierung und Selbstdarstellung im Hinblick auf äußere Schönheit zu hinterfragen und ethische Kriterien entgegenzusetzen, sich also nicht mit der Brille gesellschaftlicher Klischees, sondern vorurteilsfrei zu betrachten und sich von einengenden äußeren „Normen“ zu distanzieren. Insbesondere die Identifizierung Jesu mit dem von Gott erwählten, nicht schönen Gottesknecht in Jes 53,2-3 kann dazu beitragen, Schönheitsnormen grundlegend zu relativieren und die Augen dafür öffnen, dass nichts an menschlichen Körpern abgelehnt werden muss. Die Einsicht, dass Christus uns in jeder Gestalt begegnen kann, öffnet den Weg, Begegnungen mit Menschen außerhalb der Schönheitsnorm, auch mit körperlichen und seelischen Behinderungen, als Gottesbegegnung zu leben (vgl. Brockmöller, 2019, 31). Es geht darum, den eigenen Körper wertzuschätzen und schön zu finden und sich nicht über die abwertenden Maßstäbe anderer definieren zu lassen, sondern selbstbewusst zu zeigen, wie vielfältig und individuell Schönheit ist (vgl. Magdlener, 2022).

4. Elementare Zugänge

Vermittelt durch die sozialen Medien kommen bereits Kinder im Grundschulalter mit dem Thema Schönheit in Berührung, auch wenn dieses häufig noch keine große Rolle spielt. Für sie relevant sind aber damit verbundene Themen wie Identität und Zugehörigkeit. Kinder stellen sich existentielle Grundfragen wie: Wer bin ich? Wer mag mich? Es bietet sich an, diese Fragen anhand biblischer Erzählungen zu thematisieren und – mit Verweis auf die Gottebenbildlichkeit und die Zuwendung Jesu zu allen Menschen – herauszustellen, dass der eigene Wert und die Akzeptanz durch andere nicht vom Aussehen oder von besonderen Fähigkeiten abhängig ist, was wiederum impliziert, niemanden aus der Gemeinschaft auszuschließen.

In der Sekundarstufe ist das Thema Schönheit besonders während der Pubertät von großer Relevanz, einer Umbruchsituation, die durch die Suche nach der eigenen Identität sowie durch Verunsicherung und Selbstzweifel geprägt ist und in der das Angenommen-Sein durch die Anderen eine zentrale Bedeutung hat (→ Adoleszenz). Die Jugendlichen stehen hier vor der Herausforderung, sich mit dem sich entwickelnden und nur bedingt kontrollierbaren Körper zu arrangieren und diesen anzunehmen (vgl. Fuchs, 2019, 303). Hilfreich ist eine körpersensible Unterrichtskultur, die beim Subjekt ansetzt, der zunehmenden Virtualisierung jugendlicher Lebenswelten körperliche Erfahrungsräume entgegensetzt, und die durch theologisch-religionspädagogische Perspektiven vertieft wird.

Da etliche Jugendliche in der Pubertät versuchen, durch Körpermodifikationen aktuellen Schönheitsnormen zu entsprechen, um dadurch Akzeptanz und Zugehörigkeit zu erreichen, sollten die Schülerinnen und Schüler sich im Religionsunterricht kritisch damit auseinandersetzen, um sich ihr eigenes Urteil über ästhetische Gestaltungen und Inszenierungen von Körpern zu bilden und dieses im Dialog zu reflektieren. Es geht darum, zur Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls beizutragen und die Anerkennung der eigenen Leiblichkeit und die Entwicklung des je eigenen Selbstbilds in Vielfalt zu fördern. Da dieses durch Identifikation und Abgrenzung entsteht und die Meinung der Anderen eine große Rolle spielt, erfordert dies soziale Interaktionen mit Möglichkeiten zur Inszenierung des Körpers und ein offenes Gespräch darüber (vgl. Teschmer, 2023, 269-271;279; Beiner/von Stemm, 2010, 73). Ein zentraler theologischer Ansatz zur Anerkennung der eigenen Leiblichkeit ist die Gottebenbildlichkeit aller Menschen (Gen 1,26-28) mit der dadurch bedingten Einzigartigkeit, Würde und Gleichwertigkeit jedes und jeder Einzelnen.Dies kann dazu beitragen, sich selbst und die Anderen in ihrer Vielfalt anzunehmen und sich von gesellschaftlichen Schönheitsnomen zu distanzieren.

5. Elementare Lehr- und Lernwege

5.1. Bibeltexte als Gegenpol zum Schönheitsdruck

Um zu Beginn der Sekundarstufe eine kritische Auseinandersetzung mit der Orientierung an gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu initiieren, können die Schülerinnen und Schüler zunächst in (geschlechtsspezifischen) Gruppen Elemente oder Bilder von Frauen und Männern sammeln, die sie als schön empfinden. Danach werden die Schönheitsideale miteinander verglichen und die Kriterien im Gespräch reflektiert, auch unter der Fragestellung, inwiefern sich die Ideale der Mädchen- und Jungengruppen unterscheiden; dabei wird herausgearbeitet, dass die Merkmale sich auf äußere Schönheit beschränken. Danach betrachten die Schülerinnen und Schüler das Beschreibungslied Hld 4,1-17 und gehen den Fragen nach: Was lösen die Bilder in mir aus? Entspricht die Beschreibung meinen Vorstellungen von Schönheit? Nach der Information bzw. eigenen Erarbeitung anhand von Quellen, welche Assoziationen damals mit den Bedeutungsspendern (Tauben, Ziegen) verbunden wurden, wird im Gespräch herausgearbeitet, dass Schönheitsideale immer im Wandel sind und dass Schönheit in Beziehungen zugeschrieben wird.

Als Einstieg eignen sich auch Fotos von bekannten Personen, z.B. aus der Politik, dem Showbusiness, online-Medien (z.B. Influencerinnen), gefolgt vom Gespräch über die Zusammenhänge zwischen äußerem Erscheinungsbild und eigenem Selbstverständnis, gesellschaftlicher Stellung und Rollenvorstellung. Die Jugendlichen überlegen für sich, was sie mit ihrer äußeren Gestaltung (Make up, Frisur, Kleidung, Schmuck, Tatoos) zum Ausdruck bringen wollen und inwiefern dies je nach Anlass variiert, und tauschen sich in Kleingruppen darüber aus. Anschließend wird 1 Tim 2,9-15 gelesen und kritisch diskutiert, mit dem Fokus auf dem Zusammenhang zwischen äußerem Erscheinungsbild und gesellschaftlichen Rollenerwartungen. Ziel ist, einengende gesellschaftliche Normen kritisch zu betrachten und sich davon zu distanzieren.

Als Gegenpol zur Fokussierung auf äußere Schönheit in den Medien bietet sich die Betrachtung von Ps 45,3-8 an, mit der Fragestellung, welche Aspekte hier mit Schönheit verbunden werden. Die enge Verbindung mit Macht, Herrschaft und Gerechtigkeit kann eine Diskussion anregen, inwieweit in der heutigen Gesellschaft Schönheit mit Macht und mit ethischen Werten verbunden ist. Weiterführend kann ein Abschnitt aus dem vierten Gottesknechtslied gelesen (Jes 52,1353,3) und dabei im Gespräch der Fokus auf die Hässlichkeit des von Gott Erwählten gelegt werden, die in Spannung zu gängigen Männerbildern steht. Die Schülerinnen und Schüler gehen der Frage nach, inwiefern diese Diskrepanz Einfluss auf ihre eigene Wertung von Schönheit hat.

In der Primar- wie Sekundarstufe ist es relevant, auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,26-28) Bezug zu nehmen, um die Gleichwertigkeit und Selbstverantwortlichkeit aller Menschen abzuleiten, was die Freiheit vom Druck gesellschaftlicher Schönheitsnormen und Erwartungen ermöglicht.

Da sich das jugendliche Zusammenspiel von Begegnung, Bewertung und Beziehung häufig online und im Modus des Foto-/Selfie-Postings abspielt, bietet sich im Religionsunterricht eine konkrete, mediale Anforderungssituation an (vgl. Fuchs, 2019, 304).

Um die Engführung von Schönheit vom Körper auf die Schöpfung auszuweiten, können in der Primarstufe auch verschiedene Naturbilder bzw. Naturmaterialien (z.B. Steine, Wurzeln, Muscheln etc.) ausliegen bzw. mitgebracht werden. Die Schülerinnen und Schüler suchen sich ein Bild oder Objekt aus, das sie besonders schön finden und stellen es sich gegenseitig vor. Danach werden Psalmverse betrachtet, die die Schönheit der Schöpfung und des guten Miteinanderlebens der Geschöpfe als Ausdruck der Schönheit Gottes preisen (siehe oben Kap. 2.1.4.) und im Gespräch vertieft. Abschließend ergänzen die Kinder auf Karten den Satz „Ich finde schön …“ oder „Gottes Schönheit zeigt sich …“. Die Sätze werden reihum vorgelesen oder ausgelegt.

5.2. Körperorientiertes Vorgehen

Da der Grundsatz der Subjektorientierung die anthropologische Dimension der Leib- und Körperlichkeit beinhaltet (→ Leib und Körper), kann der Religionsunterricht geschützte Räume für konkrete Erfahrungen eröffnen, z.B. durch Wahrnehmungs- und Körperübungen. Diese können ästhetische Erfahrung, Sinnlichkeit und Achtsamkeit initiieren und einen Reflexionsprozess auslösen und dadurch zur Selbstvergewisserung und zur Akzeptanz des eigenen Körpers beitragen und zudem eine Tiefendimension für existentielle wie theologische Fragen eröffnen.Dabei sind aber Hemmungen der Jugendlichen, ihren Körper vor anderen zu präsentieren, zu respektieren. Möglich ist, dass sie in verschiedene Rollen schlüpfen und diese körperlich inszenieren, um sich nicht selbst outen zu müssen, gefolgt von einem Auswertungsgespräch. Grundprämisse ist eine Atmosphäre bedingungsloser Anerkennung und Wertschätzung, gegenseitiges Vertrauens, Raum für positive wie negative Gefühle, ein sensibles Vorgehen sowie Möglichkeiten zur Distanzierung (vgl. Teschmer, 2023, 273f.).

Ein mögliches Vorgehen ist, dass die Schülerinnen und Schüler fiktive Körperumrisse nach ihren Schönheitsvorstellungen individuell gestalten und sich zunächst in Kleingruppen darüber austauschen. Daran schließt sich ein Gespräch an, inwieweit ihre Schönheitsvorstellungen ihre Individualität zum Ausdruck bringen oder durch mediale Vorbilder geprägt sind. Dies kann Reflexionsprozesse und neue Sichtweisen auf den eigenen Körper anstoßen und die Jugendlichen dafür sensibilisieren, nicht unrealistischen Idealen nachzueifern, sondern sich selbst in ihrer Unvollkommenheit zu akzeptieren und Mut zur Abweichung zu haben (vgl. Teschmer, 2023, 274-276).

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