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(erstellt: Mai 2024)

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Der Begriff „Magier“ entstammt ursprünglich der altpersischen Sprache und ist als Lehnwort in die griechische Kultur (μάγος / mágos) eingegangen. Er dient im Allgemeinen zur Bezeichnung für Menschen aus den orientalischen Ländern, die über magisches Wissen und Können verfügen, d.h. Symbolhandlungen vollziehen oder den Lauf der Sterne und Träume deuten können (Dan 2). Im engeren Sinne bezieht sich die Bezeichnung Magier auf die Angehörigen der persischen Priesterklasse (Apul. Mag. 25,11).

Das Judentum und in der Folge auch das frühe Christentum schwanken in der Bewertung von Magiern zwischen schroffer Ablehnung und Faszination: zum einen steht auf magische Handlungen nach alttestamentlichem Recht die Todesstrafe (z.B. Ex 22,17; Dtn 18,9–13; 1 Sam 28,3), zum anderen erzählen biblische Texte sowohl von magischen Gegenständen wie den Alraunen der →Lea (Gen 30,14–18) oder den Stäben →Jakobs (Gen 30,37–43), als auch von magischen Praktiken, wenn etwa mit Hilfe von Wäschestücken des →Paulus Menschen in Ephesus geheilt werden (Apg 19,11–12). Auch in der Bewertung von Magiern selbst zeigt sich diese Ambivalenz. Zum einen erfahren gerade Vertreter der östlichen Weisheit, die an Königshöfen anzutreffen sind und so ein gewisses Prestige aufweisen, eine hohe Wertschätzung in der Antike. Zum anderen erweisen sich die Magier als Gegner großer Gestalten der biblischen Tradition (z. B. bei Mose). Dass Gestalten des östlichen Kulturkreises, zu dem auch das Judentum gehört, aus römischer Sicht als Magier verstanden wurden, zeigt der Philosoph und Rhetor Apuleios in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr., wenn er Moses und Jannes in eine Reihe mit persischen Magiern stellt (90,5).

1. Magier in der Apostelgeschichte

Magier und ihre Zauberei spielen in der Apostelgeschichte eine besondere Rolle und werden dort zu Konkurrenten für die christlichen Missionare (Klauck, 11f.). In zwei Perikopen, in denen die griechischen Begriffe „Magier“ (μάγος / mágos); „Zauberei“ (μαγεία / mageía) bzw. „zaubern“ (μαγεύω / mageúō) belegt sind, versucht Lukas, seine eigenen Protagonisten von den Magiern abzuheben, obwohl diese Abgrenzung auf den ersten Blick nicht besonders leicht zu erkennen ist (Niklas, 66f.).

1.1. Der Magier Simon Magus (Apg 8)

In Folge der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem kommt Philippus nach Samaria und trifft dort auf Simon mit dem Beinamen Magus, von dem Lukas zweimal berichtet, er habe Zauberei betrieben (Apg 8,9; Apg 8,11) und das Volk dabei in Ekstase versetzt. Er vermutet in seinen Taten die Wirkmächtigkeit der göttlichen Kraft (Klauck, 26). Bevor es zur offenen Auseinandersetzung zwischen Philippus und Simon kommt, gibt sich Simon geschlagen und lässt sich taufen, denn er erkennt die Überlegenheit der göttlichen Kraft an, die in Philippus wirkt. Lukas versucht dabei, zwischen den Taten des Simon und des Philippus zu differenzieren, wenn er schon rein begrifflich das eine Zauberei, das andere „Machttaten“ nennt (Niklas, 73). Ein Grund für diese Differenzierung in der Bewertung desselben Vorgangs mag darin liegen, dass sich Simon selbst als „Großer“ bezeichnet, während Philippus die nötige Distanz zwischen sich und Gott, den er verkündet, einhält (Klauck, 30). Auf einen weiteren Unterschied weist die folgende Erzählung hin, wenn Simon die Fähigkeit der Geistspende für Geld zu erwerben versucht, um Wundertaten zu spenden und so – in der Logik der antiken Magier – selbst Geld zu erhalten: christliche Wundertäter agieren aus ihrer Überzeugung heraus, die Gegenwart der Gottesherrschaft zu symbolisieren und tun das nicht für Geld (Klauck, 32). Aus einer dritten Perspektive ist es die Wortverkündigung des Philippus, die dazu führt, dass sich das Volk taufen lässt, nicht seine Wundertaten (von Ungern-Sternberg, 177). Insofern versucht →Lukas eine Abgrenzung zwischen dem, was Magier tun, und dem, was christliche Missionare auszeichnet, zu definieren und damit jedem Synkretismus vorzubeugen.

1.2. Der Magier Barjesus Elymas (Apg 13)

Zu Beginn der ersten Missionsreise treffen →Paulus und →Barnabas in Paphos, der Hauptstadt Zyperns, nicht nur auf den Prokonsul Sergius Paulus, sondern auch auf einen jüdischen Magier mit Namen Barjesus Elymas (zum Doppelnamen Klauck, 63f.). Beide konkurrieren um Einfluss auf den römischen Prokonsul. Letztendlich sind es nicht primär die Wunder des Apostels, sondern die Lehre, die den Prokonsul zum Glauben bringen (Förster, 218).

Barjesus wird in mehrfacher Hinsicht negativ charakterisiert. Ganz zu Beginn wird er als Magier (Apg 13,6; Apg 13,8) bezeichnet, was durch Lukas eine eindeutig negative Beschreibung impliziert. Die zweite Qualifizierung als judäischer Lügenprophet nimmt eine alttestamentliche Debatte auf, die mit →Jeremia ihren Anfang nimmt und für die Leserinnen und Leser des Textes mehrere negative Assoziationen in einem Begriff bündelt. Wie die Gegner des →Jeremia (Jer 23,25– 29) hört auch Barjesus nicht auf die Stimme Gottes, sondern nutzt andere Möglichkeiten, wie z.B. eigene Träume oder die Deutung der Sterne (Förster, 221). Seine Bestrafung, das Licht der Sonne nicht mehr sehen zu können (Apg 13,11), könnte auf seine Tätigkeit als Astrologe anspielen (Klauck, 61). Wenn Barjesus eindeutig als Jude vorgestellt wird, zeigt das zum einen, dass das Judentum auch noch zur Zeit des Lukas keine einheitliche Gruppierung mit festgelegten (Glaubens-)Grundsätzen bildet, sondern auch Tendenzen volkstümlicher religiöser Praktiken intergiert. Dass es zum Ende des 1. Jhs. n.Chr. jüdische Magier in Zypern gibt, zeigt auch eine Notiz bei →Josephus (Ant Jud 20,142).

2. Magier im Matthäusevangelium

Mit der Ankunft der Magier aus dem „Osten“ in Jerusalem beginnt die Szenerie in Mt 2,1–12. Die Perikope lebt dabei von zahlreichen Oppositionen, von denen die des regierenden Königs Herodes (Mt 2,1; Mt 2,3; Mt 2,9) und des neugeborenen Königs →Jesus Christus (Mt 2,2) am deutlichsten hervortritt (Berghorn, 2023, 38f.). Die Magier dagegen werden durch Matthäus zu Gegenfiguren der etablierten Autoritäten des jüdischen Volkes.

2.1. Die heidnischen Magier als Gegenspieler zu den jüdischen Autoritäten

Die Magier weisen sich aufgrund ihrer Frage nach dem Ort des Judenkönigs (Mt 2,2) als Heiden aus (Konradt, 40) und lassen sich aufgrund ihrer Kenntnisse der Sternenkunde der Oberschicht zuordnen. Ihnen gegenüber stehen in Mt 2,1–12 die Hohepriester und Schriftkundigen des Volkes, die die jüdische Elite bilden (Lau, 190). Beide haben nacheinander eine Audienz bei Herodes und beiden wird der Geburtsort des Messias gezeigt, und zwar durch den Stern bzw. die Schrift (Blumenthal, 207). Während die Magier aber Jesus als Herrscher anbeten, ziehen die jüdischen Autoritäten aus ihrer Kenntnis keine solche Konsequenzen, sondern werden Jesus – wie der Verlauf des Evangeliums deutlich macht – töten wollen (Mt 27,1–2). Damit bringen sie den Plan, den bereits Herodes gefasst hatte (Mt 2,16), zu Ende. Anders als in der Apostelgeschichte belegt Matthäus die Magier als Kontrastfiguren mit positiven Charakterzügen. Bereits ihre Einführung als weise Astrologen nimmt positive Aspekte des antiken Magierbildes auf. Die große Freude der Magier bei ihrer Ankunft in Bethlehem (Mt 2,10) steht der Unruhe des Herodes und →Jerusalems (Mt 2,3), die die Nachricht von der Geburt des Judenkönigs erwirkt, entgegen. Die Magier machen sich bewusst nicht zu Komplizen des Herodes, sondern gehorchen Gott mehr als diesem (→Gottesfürchtige). Das erinnert an die Verbindungen zur Mosehaggadah, wo ebenfalls die ägyptischen Hebammen aufgrund ihrer Gottesfurcht den Befehl des Pharaos nicht ausführen (Berghorn, 2019, 170f.).

Abb. 1: Die Magier und Hohepriester bei Herodes; Mosaik in Santa Maria Maggiore in Rom (5. Jh.), aus: H. Karpp, Die frühchristlichen und mittelalterlichen Mosaiken in Santa Maria Maggiore zu Rom, Baden-Baden 1966, Abb. 26.

2.2. Die Proskynese der Magier

Mit der Proskynese der Magier, die ein Sich-zu-Boden-Werfen meint, wird ein zentrales Motiv des Matthäusevangeliums bereits angespielt, insofern in der folgenden Jesusgeschichte die Proskynese vor Jesus als Höhergestelltem oftmals mit der Bitte um Hilfe für sich oder andere verbunden wird (Mt 8,2; Mt 9,18; Mt 15,25). Das gilt sowohl für jüdische als auch heidnische Menschen. So ist es wohl kein Zufall, dass die Magierperikope Reminiszenzen an die Reise der Brüder →Josefs nach Ägypten wachruft, nach der die Brüder vor dem höhergestellten →Josef in seinem Haus niederfallen und ihm Geschenke bringen (Gen 43,26), um vor der Hungersnot gerettet zu werden (Berghorn, 2019). Implizit weisen sie damit voraus auf die Hoffnung auf Jesus als Retter für alle Menschen.

2.3. Wirkungsgeschichte

Die Erzählung von den Magiern aus Mt 2,1–12 hat eine breite und vielschichtige Wirkungsgeschichte erfahren.

2.3.1. Herkunft, Anzahl und Namen der Magier

Die Erzählung Mt 2,1–12 lässt die genaue Herkunft, Anzahl und die Namen der Magier offen. Aufgrund der drei Gaben, die die Magier dem Jesuskind in Mt 2,11 schenken, nimmt Justin Arabien als Herkunftsland an, denn in Jes 60,6 (und Ps 72,10) wird erzählt, wie bei der Völkerwallfahrt Weihrauch und Gold aus Saba nach Jerusalem gebracht werden. Vor allem hat sich in der künstlerischen Darstellung aber Persien durchgesetzt, weil die Magier hier landestypische Gewandung tragen. Abb.2

Die Anzahl der Magier lässt der neutestamentliche Text offen. Während die syrische Tradition oftmals mit zwölf Magiern rechnet (Luz, 2002), setzt sich in der westlichen Kirche auch gegen den späteren Widerstand der Reformatoren die Dreizahl durch. Die uns heute bekannten Namen Kaspar, Melchior und Balthasar lassen sich erst ab dem 6. Jh. belegen.

Abb. 2: Die drei Magier; Unterster Mosaikfries des Langhauses. Farbtafel VII Ravenna. Santa Apollinare Nuovo um 560, aus: Wladimir Sas-Zaloziecky, Die altchristliche Kunst, Frankfurt a.M. 1963, 112.

2.3.2. Magier als Repräsentanten der Menschheit

Schon im Matthäusevangelium werden die Magier als Heiden vorgestellt und in ihrer großen Freude über das Auffinden des Jesuskindes mit der negativen Reaktion des Königs Herodes und der →Jerusalemer Stadtbevölkerung kontrastiert. Beide Aspekte werden in der Auslegungsgeschichte weitergeführt.

Ab dem frühen Mittelalter werden die Magier zu Repräsentanten der Menschheit. Schon Beda Venerabilis kennt im 7. Jh. den Bezug der drei Weisen zu den drei damals bekannten Erdteilen Asien, Afrika und Europa, deren Bewohner von den drei Söhnen Noachs abstammen (Beda 13A, 12-15). Insofern wird häufig einer der Magier mit dunkler Hautfarbe dargestellt. Damit einher geht auch ein antijüdischer Akzent, wenn etwa Johannes Chrysostomus den Magiern die ungehorsamen Juden gegenüberstellt und seine Leserinnen und Leser dazu auffordert, Jerusalem wie die Magier zu verlassen.

2.3.3. Die Magier als Könige

Bei Caesarius von Arles im 6. Jh. ist mit dem Verweis auf Jes 60,6 die Vorstellung bezeugt, dass es sich bei den Magiern um Könige handelt. So schreibt bereits der Kirchenschriftsteller Tertullian Anfang des 3. Jhs. im Rückgriff auf diese Bibelstellen über die Weisen, sie seien fast wie Könige aufgetreten.

2.3.4. Volksfrömmigkeit und Brauchtum

Seit dem Spätmittelalter und der Überführung der Reliquien der Magier aus Mailand nach Köln durch König Barbarossa kommt dem Reliquienkult um die Magier im deutschsprachigen Raum eine große Bedeutung zu: sie schützen demnach u.a. vor Feuergefahr und schlechtem Wetter und wehren Krankheiten ab. Aus dem Dreikönigssingen sind später die Sternsinger hervorgegangen.

Literaturverzeichnis

  • Berghorn, M., Die Genesis Jesu Christi aber war so … Die Herkunft Jesu Christi nach dem matthäischen Prolog (Mt 1,1–4,16) (BBB 187), Göttingen 2019.
  • Berghorn, M., The Kings and the Messiah. A Contribution to the Conflict History in the Gospel of Matthew, in: S. Breuer u.a. (Hgg.), Konflikte und Krisen im Neuen Testament und ihre Bewältigungsstrategien (WUNT II/587), Tübingen 2023, 31–58
  • Blumenthal, C., Basileia im Matthäusevangelium (WUNT I/416), Tübingen 2019.
  • Förster, N., Der besiegte Magier (Die Blendung des Barjesus Elymas) Apg 13,6–12, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Band 2: die Wunder der Apostel, Gütersloh 2017, 216–227.
  • Klauck, H.-J., Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas (SBS 167), Stuttgart 1996.
  • Konradt, M., Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen 2015.
  • Lau, M., 22020, Weder drei noch Könige. Der Stern von Bethlehem und die Magier auf seinen Spuren, in: T. Hieke / K. Huber (Hgg.), Bibel falsch verstanden. Hartnäckige Fehldeutungen biblischer Texte erklärt, Stuttgart, 185–194
  • Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus. Mt 1–7 (EKK I/1), Düsseldorf/Zürich 52002.
  • Von Ungern Sternberg, W., Konfrontation von Wunder und Magie (Philippus in Samaria – Simon der Zauberer) Apg 8,6 – 8.13.39f., in: R. Zimmermann u.a. (Hgg), Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Band 2: die Wunder der Apostel, Gütersloh 2017, 171–179.

Abbildungsverzeichnis

  • Abb.1 Die Magier und Hohepriester bei Herodes; Mosaik in Santa Maria Maggiore in Rom (5. Jh.), aus: H. Karpp, Die frühchristlichen und mittelalterlichen Mosaiken in Santa Maria Maggiore zu Rom, Baden-Baden 1966, Abb. 26
  • Abb. 2 Die drei Magier; Unterster Mosaikfries des Langhauses. Farbtafel VII Ravenna. Santa Apollinare Nuovo um 560, aus: Wladimir Sas-Zaloziecky, Die altchristliche Kunst, Frankfurt a.M. 1963, 112

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