Deutsche Bibelgesellschaft

Dathe, Johann August

(1731-1791)

(erstellt: Mai 2024)

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1. Leben

Johann August Dathe wurde am 4. Juli 1731 in Weißenfels, damals Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Weißenfels, als Sohn des herzoglichen Rates und Amtmanns Georg Wilhelm Dathe (1693-1755) und dessen erster Frau Johanne Magdalene Eulenberg († 1737), die ebenfalls aus einer Ratsfamilie stammte, geboren. Über seine ältere Schwester Rahel Friederike Amalie (1725-1745) war er mit dem Leipziger Professor für Klassische Philologie und Theologie Johann August → Ernesti (1707-1781) verschwägert. Nach dem Besuch des Domgymnasiums in Naumburg studierte Dathe zunächst in Wittenberg (1751-1754), dann in Leipzig (1754-1756) und anschließend in Göttingen (1756-1757) Orientalische Philologie und Theologie. Nach der Habilitation für Philologie kehrte er an die Universität Leipzig zurück und wurde 1762 zunächst außerordentlicher Professor für Orientalische Sprachen und dann ordentlicher Professor für Hebräisch an der Philosophischen Fakultät. Von 1785 bis 1786 war er Rektor der Universität Leipzig. Einer seiner Schüler war Karl David → Ilgen (1763-1834). Dathe starb ledig am 17. März 1791 in Leipzig und wurde auf dem Alten Johannisfriedhof begraben. Die Grabstätte ist nicht erhalten.

2. Bedeutung

In der Aufklärungsepoche stand Dathe an der Universität Leipzig im Schatten des bedeutenderen Johann August Ernesti (1707-1781; zu ihm vgl. Beutel 2009, 137-139), dessen Schüler, jüngerer Kollege und nicht zuletzt Schwager (s.o.) er war. Zwar publizierte er anders als manche seiner Zeitgenossen fast ausschließlich in lateinischer Sprache, doch nahm er die neuen Ansätze der Bibelwissenschaft, die durch Ernesti und Johann David Michaelis (1717-1791) angeregt waren, auf. Dathe, den R. Smend (1991, 16; vgl. auch B. Seidel, in: DBI II, 251) als einen eher konservativen Gelehrten bezeichnet, wollte in seiner Auslegung einen Mittelweg gehen (vgl. Jobus 1789, v). Er wirkte vor allem durch seine Übersetzung des Alten Testaments (s.u. 3.) und durch die Edition und Bearbeitung zweier bedeutender Werke des 17. Jahrhunderts, der syrischen Psalterausgabe des Erpenius (s.u. 4.) und der „Philologia sacra“ des Glassius (s.u. 5.).

3. Übersetzung des Alten Testaments

Die Übersetzung des Alten Testaments in das Lateinische mit Anmerkungen begann Dathe 1773 mit den Kleinen Propheten und schloss sie 1789 mit dem zweiten Teil der Weisheitsbücher ab. Er beschränkte sich auf eine kritische bzw. philologische Kommentierung einzelner Textstellen und wollte damit den Theologiestudenten ein Hilfsmittel an die Hand geben (vgl. Pentateuchus 1781, vii). Sein Zeitgenosse J.D. Michaelis schrieb mit seiner kommentierten Übersetzung ins Deutsche „für Ungelehrte“ (13 Bde., 1769-1783), die er auch auf das Neue Testament ausdehnte (6 Bde., 1790-1792), für ein breiteres Publikum. Dathe legte seine methodischen Prinzipien in einem Universitätsprogramm („De difficultate rei criticae“; 1762) und in der Einleitung zur Neuedition der Prolegomena Brian Waltons zur Londoner Polyglotte (1777) vor. Auf Konjekturen verzichtete er möglichst (vgl. Prophetae minores 1773, xvi). In den Verfasserfragen urteilte er wie Ernesti noch traditionell. So stellte sich ihm im Falle der Klagelieder (→ Klagelieder Jeremias) z.B. nur die Frage, auf welches Ereignis der Prophet Jeremia Bezug nehme (vgl. Prophetae majores 1779, 411-413). Insgesamt zeugt seine Interpretation von einem „Bewusstsein der Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Urteils“ (Bultmann 2012, 192).

4. Syrischer Psalter

Dathe gab 1768 den syrischen Psalter mit lateinischer Übersetzung des Thomas Erpenius (1584-1624; „Psalmi Davidis regis et prophetae“; postum 1625) neu heraus und versah ihn erstmals mit Anmerkungen. Er vertrat die Ansicht, dass der Übersetzer des syrischen Psalters wegen seiner Hebräischkenntnisse ein getaufter Jude gewesen sei (1768, xxivf.; vgl. xv). Bis heute ist die Frage nach der Herkunft der unterschiedlichen Übersetzer der → Peschitta nicht entschieden. Diskutiert wird gegenwärtig das Verhältnis der syrischen Bibel zu den hebräischen, griechischen und aramäischen Texttraditionen (vgl. Tov 1997, 126f.; Fischer 2009, 164-167).

5. Philologia sacra

Der jung verstorbene Kieler und Jenenser Orientalist Johann Ernst Faber (1745-1774) regte eine zeitgemäße Neubearbeitung der „Philologia sacra“ (1623-1636) des Salomon Glassius (1593-1656), eines bedeutenden Lehrbuchs der Bibelwissenschaft des 17. Jh.s, an. Nach Fabers Tod übernahm Dathe die Bearbeitung und veröffentlichte 1776 einen ersten Band zur Grammatik und zur Rhetorik. Die beiden anderen Teile des Werkes, die Kritik und die Hermeneutik, klammerte er mit Hinweis auf die neutestamentliche Hermeneutik von Ernesti („Institutio interpretis Novi Testamenti“, 1761; vgl. 1776, xif.) aus. Eine grundlegende Umarbeitung des zweiten Teils des Werkes von Glassius führte schließlich Georg Lorenz → Bauer (1755-1806) 1795-1797 durch. Anders als Bauer griff Dathe im ersten Teil nur behutsam ein. Er kürzte überflüssige Zitate, fromme Erläuterungen und polemische Bemerkungen und nahm auch inhaltliche Veränderungen vor (vgl. 1776, iv-v.ix-xi; vgl. dazu Thouard 2011, 558-561).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Leipzig 1818-1889

  • Allgemeine Deutsche Biographie, München 1875-1912

  • Dictionary of Biblical Interpretation, Nashville 1999

2. Werke (in Auswahl)

(vgl. die Bibliographie bei H. Döring 1831, 320f.)

  • [Lebenslauf] Iohannes Augustus Dathe, in: Ernesti, J.A., [Invitatio] Ad solemnia disp. III. theologicarum et licentiae capessendi honores summos theol. tribuendae … concelebranda, [Leipzig 1769], xxxv-xxxix
  • Disputatio historico-critica de Origene interpretationis librorum ss. grammaticae autore, Leipzig [Langenheim] [1756]
  • Disputatio philologico-critica in Aquilae reliquias interpretationis Hoseae, Leipzig [Langenheim] [1757] (auch in: Opuscula, 1796, 1-60)
  • Prolusio de difficultate rei criticae in Vet. Test. caute diiudicanda, Leipzig [Breitkopf] [1762] (auch in: Opuscula, 1796, 61-105)
  • De ratione consensus versionis chaldaicae et syriacae Proverbiorum Salomonis, Leipzig [Langenheim] [1764] (auch in: Opuscula, 1796, 106-129)
  • Psalterium Syriacum recensuit et latine vertit Thomas Erpenius notas philologias et criticas addidit Ioannes Augustus Dathe, Halle [Waisenhaus] 1768
  • De ordine pericoporum biblicarum non mutando, Leipzig [Langenheim] [1769] (auch in: Opuscula, 1796, 130-196)
  • Disputatio philologica-exegetica in Canticum Mosis Deut. XXXII, Leipzig [Langenheim] 1769 (auch in: Opuscula, 197-250)
  • Prophetae minores ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versi notisque philologicis et criticis illustrati, Halle [Waisenhaus] 1773; 2. Aufl. 1779; 3. Aufl. 1790
  • Salomonis Glassii Philologia sacra his temporibus accomodata a D Io. Aug. Dathio. Tomus I Grammatica et Rhetorica sacra, Leipzig [Weygand] 1776
  • Briani Waltoni in Biblia Polyglotta prolegomena. Praefatus est D. Io. Aug. Dathe, Leipzig [Weygand] 1777
  • Prophetae majores ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versi notisque philologicis et criticis illustrati, Halle [Waisenhaus] 1779; 2. Aufl. 1785
  • Pentateuchus ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versus notisque philologicis et criticis illustratus, Halle [Waisenhaus] 1781; 2. Aufl. 1791
  • Libri historici … ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versus notisque philologicis et criticis illustrati, Halle [Waisenhaus] 1784; 2. Aufl., hg. v. H.E. Bindseil 1832
  • Psalmi ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versus notisque philologicis et criticis illustrati, Halle [Waisenhaus] 1787; 2. Aufl. 1794
  • Jobus. Proverbia Salomonis. Ecclesiastes. Canticum Canticorum ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum latine versus notisque philologicis et criticis illustrati, Halle [Waisenhaus] 1789
  • Opuscula ad crisin et interpretationem V.T. spectantia, ed. E.F.C. Rosenmüller, Leipzig [C.F. Koehler] 1796

3. Sekundärliteratur

  • Beutel, A., 2009, Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung. Ein Kompendium (UTB 3180), Göttingen
  • Bultmann, C., 2012, Bibelrezeption in der Aufklärung, Tübingen
  • Catalogus bibliothecae Io. Augusti Dathii s. theol. nuper doct. & linguae hebr. prof. o. auctione publica in collegio rubro a die XXI. Novembr. MDCCXCI divendendae, Leipzig [Loeper] 1791
  • Deutsches Geschlechterbuch, 2004, Bd. 217. Allgemein, Bd. 59, Görlitz (zu Georg Wilhelm Dathe)
  • Döring, H., 1831, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert, Bd. 1, Neustadt a.d. Orla
  • [Ernesti, A.W.], Elogium viri s. reverendi et ampliss. D. Io. Augusti Dathii […] d. XXVII. Mart. A. MDCCXCI placide defuncti, Leipzig [Klaubarth] [1791]
  • Fischer, A.A., 2009, Der Text des Alten Testaments. Neubearbeitung der Einführung in die Biblia Hebraica von Ernst Würthwein, Stuttgart
  • Hein, M. / Junghans, H. (Hgg.), 2009, Die Professoren und Dozenten der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig von 1409 bis 2009 (BLUWiG A.8), Leipzig
  • Heinlein, H., 1844, Der Friedhof zu Leipzig in seiner jetzigen Gestalt oder Vollständige Sammlung aller Inschriften auf den ältesten und neuesten Denkmälern daselbst, Leipzig
  • Katalog der fürstlich Stolberg-Stolberg’schen Leichenpredigten-Sammlung, Bd. 1, Leipzig 1927, 509 (zu Johanne Magdalene Eulenberg)
  • Klein, O., 2007, Gymnasium illustre zu Weißenfels. Zur Geschichte einer akademischen Gelehrtenschule im Herzogtum Sachsen-Weißenfels, Bd. 2, Weißenfels (zu Georg Wilhelm Dathe)
  • Liebrenz, B., 2008, Arabische, Persische und Türkische Handschriften in Leipzig. Geschichte ihrer Sammlung und Erschließung von den Anfängen bis zu Karl Vollers (Schriften aus der Universitätsbibliothek Leipzig 13), Leipzig
  • Liebrenz, B., 2013, Johann Jakob Reiskes arabistische Schüler, in: H.-G. Ebert / T. Hanstein (Hgg.), Heinrich Leberecht Fleischer – Leben und Wirken. Ein Leipziger Orientalist des 19. Jahrhunderts mit internationaler Ausstrahlung (Leipziger Beiträge zur Orientforschung 30), Frankfurt a.M. u.a., 169-196
  • Meyer, G.W., 1809, Geschichte der Schrifterklärung seit der Wiederherstellung der Wissenschaften, Bd. 5, Göttingen
  • Michaelis, J.D., Deutsche Übersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte, 13 Bände, Göttingen Gotha [J.C. Dieterich], ab Bd. 7 Göttingen [Witwe Vandenhoeck] 1769-1783
  • Michaelis, J.D., Übersetzung des Neuen Testaments, 2 Bde., Göttingen [Vandenhoeck & Ruprecht] 1790
  • Michaelis, J.D., Anmerkungen für Ungelehrte zu seiner Übersetzung des Neuen Testaments, 4 Bde., Göttingen [Vandenhoeck & Ruprecht] 1790-1792
  • Preißler, H. / Kinitz, D., 2009, Arabistik, in: U. von Hehl u.a. (Hgg.), Geschichte der Universität Leipzig. 1409-2009, Bd. 4. Fakultäten, Institute, Zentrale Einrichtungen, 1. Halbbd., Leipzig, 415-438
  • Seidel, B., 1993, Karl David Ilgen und die Pentateuchforschung im Umkreis der sogenannten älteren Urkundenhypothese. Studien zur Geschichte der exegetischen Hermeneutik in der Späten Aufklärung (BZAW 213), Berlin u.a.
  • Smend, R., 1991, Über die Epochen der Bibelkritik, in: Ders., Epochen der Bibelkritik. Gesammelte Studien, Bd. 3 (BEvTh 109), München, 11-32 (auch in: Ders., Bibel und Wissenschaft. Historische Aufsätze, München 2004, 29-50)
  • Thouard, D., 2011, His temporibus accomodata. Über die Grenzen der Anbequemung der Philologia sacra des Glassius in der Aufklärung, in: C. Bultmann / L. Danneberg (Hgg.), Hebraistik – Hermeneutik – Homiletik. Die „Philologia Sacra“ im frühneuzeitlichen Bibelstudium (Historia Hermeneutica. Series Studia 10), Berlin / Boston, 557-568
  • Tov, E., 1997, Der Text der Hebräischen Bibel. Handbuch der Textkritik, Stuttgart u.a.

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