Deutsche Bibelgesellschaft

7.4. Der 2. Clemensbrief (2Clem)

Übersicht über den 2. Clemensbrief

1,1-8 Proömium
2,1-7,6 Christi Heilstat und christliches Leben (1. Hauptteil)
  2,1-7 Auslegung zweier Schriftzitate
  3,1-5 Das Bekenntnis der Christen als Antwort auf Christi Heilstat
  4,1-5 Das Tun der Gerechtigkeit als das wahre Bekenntnis zu Christus
  5,1-6,9 Aufruf, die Taufe rein und unbefleckt zu bewahren, um in das Reich Gottes hineinzukommen
  7,1-6 Das Leben der Christen als Wettkampf
8,1-14,5 Mahnung zur Buße (2. Hauptteil)
   8,1-3 Aufruf zur Buße in dieser Welt
   8,4-9,5 Das „Fleisch“ wird gerichtet werden und auferstehen
   9,6-11 Die Liebe als Erfüllung des Gotteswillens
   10,1-5 Aufruf, die Gottlosigkeit zu fliehen
   11,1-7 Warnung vor dem Zweifel, Aufruf zur Hoffnung
   12,1-6 Vom Kommen des Gottesreiches
   13,1-4 Mahnung zum Tun der den Worten Gottes entsprechenden Werke, damit „der Name“ nicht gelästert wird
   14,1-5 Die Verheißung der Zugehörigkeit zur geistlichen, präexistenten
15,1-18,2 Verheißung und Gericht (3. Hauptteil)
   15,1-5 Die dem freimütigen Beten gegebene Verheißung
   16,1-4 Aufruf, Buße und fromme Werke zu tun, solange noch Zeit ist
   17,1-18,2 Aufruf zur Buße angesichts des kommenden Gerichts (Schluss der Rede)
19,1-20,4 Zusammenfassende Bemerkungen mit besonderer Berücksichtigung des Problems des Reichtums der Ungerechten und der Not der Frommen (späterer Zusatz)
20,5 Schlussdoxologie

Der Verfasser und Adressaten

In drei Handschriften ist mit dem 1Clem ein zweites Schreiben verbunden, das ebenfalls auf den römischen Clemens als Verfasser zurückgeführt wird. Es soll ein weiterer von ihm an die Gemeinde in Korinth gerichteter Brief sein.

Betrachtet man das Schreiben unabhängig vom 1Clem, stellt sich heraus, dass diese Angaben dem Schreiben sekundär hinzugefügt worden sind. 2Clem selbst nennt weder Verfasser noch Adressaten, es handelt sich nicht einmal um einen Brief (s. u.).

Die Abfassungssituation

Die Abfassungssituation des Schreibens ist nur schwer genauer zu bestimmen. Direkte Polemik fehlt vollkommen. Da der Verfasser in 12,2 ein ursprünglich aus gnostischen Kreisen stammendes Herrenwort  ethisch umdeutet und auch sonst gelegentlich gnostisches Vokabular (vgl. 1,2b u. ö.) aufnimmt, kann man annehmen, dass es in seinem Umfeld gnostische Christen gegeben hat. Vor allem aus der Passage 8,6-9,11 mit ihrer Betonung des „Fleisches“ scheint hervorzugehen, dass sich der Verfasser mit der in der Gnosis vertretenen radikalen Abwertung alles Irdischen auseinandersetzt.

Der Abfassungsort ist unbekannt. Aufgrund der Nähe zur Gnosis ist Ägypten vorgeschlagen worden. Daneben gibt es Indizien, die auf Syrien weisen. Die Abfassungszeit lässt sich nicht genauer als auf die Mitte des 2. Jh. festlegen.

Literarischer Charakter

Der 2Clem bezeichnet sich selbst als „Rat über die Enthaltsamkeit“ (15,1). Der Form nach handelt es sich nicht um einen Brief, da alle brieflichen Elemente fehlen, sondern um eine Mahnrede (vgl. 19,1). Häufig wird das Schreiben auch als Homilie bezeichnet. Das hat sein Recht darin, dass die Rede offenbar nach der Schriftlesung vorgetragen worden ist (vgl. die Wendung „nachdem der Gott der Wahrheit geredet hat“ in 19,1).

Die Gliederung des 2Clem fällt schwer, da weder ein strenger Aufbau noch ein klare Gedankenführung erkennbar sind. So ist der hier gebotene Aufriss nur eine von mehreren Möglichkeiten der Strukturierung. Ein zusätzliches Problem bedeutet der Abschnitt 19,1-20,4, der sich formal und inhaltlich von den vorangegangenen Kapiteln unterscheidet (vgl. z. B. die veränderte Anrede). Vermutlich ist er nach der schriftlichen Fixierung der eigentlichen Mahnrede verfasst worden und bildete ihre Einleitung bei erneutem Vortrag. Als 2Clem mit 1Clem verbunden wurde, rutschte die Passage an ihren jetzigen Platz vor die Schlussdoxologie der Mahnrede. Dieser neue Platz ist insofern sinnvoll, als 19,1-20,4 zugleich eine gewisse Zusammenfassung der ursprünglichen Rede bilden.

Im 2Clem finden sich eine Reihe von Zitaten. Der Verfasser zitiert sowohl aus der Schrift (AT) als auch Herrenworte. Dabei fällt auf, dass viele der zitierten Herrenworte zwar der synoptischen Tradition nahestehen, aber nicht aus einem der kanonischen Evangelien stammen. Darüber hinaus finden sich auch Herrenworte, die keine oder nur sehr entfernte Parallelen im NT haben (4,5; 5,2-4; 12,2; 13,2). Möglicherweise hat der Autor eine Evangelienschrift benutzt, die später als apokryph aus der Überlieferung verschwand.

Inhalt

Inhaltlich bietet der 2Clem überwiegend Mahnungen zum Tun der Gerechtigkeit und zur Buße. Der Verfasser ermahnt seine Adressaten, „die Taufe rein und unbefleckt“ zu bewahren und „im Besitz frommer und gerechter Werke“ erfunden zu werden (6,9). Er redet von der „Gegenleistung“ und der „Frucht“, die die Christen Christus schulden (1,3). Man sollte den 2Clem trotzdem nicht einfach unter das Stichwort „Werkgerechtigkeit“ fassen, sondern ernstnehmen, dass der Verfasser die frommen Werke und die Buße als Antwort auf das Heilshandeln Jesu Christi und die Güte Gottes versteht (vgl. 1,2f.; 9,7-10).

Dieser Zug wird durch den Autor der Kap. 19,1-20,4 noch verstärkt, der ausdrücklich betont, dass es den Christen um Gottesverehrung und nicht um einen Handel mit Gott (fromme Werke gegen Heil) gehen soll (20,4).

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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