• DAS BUCH DANIEL
  • Dan 7-11

DIE VISIONEN DANIELS (Kapitel 7–12)

Daniels erste Vision: Die Weltreiche und das Gottesreich

71 Im ersten Regierungsjahr des babylonischen Königs Belschazzar hatte Daniel in der Nacht im Traum eine Vision. Er schrieb auf, was er geschaut hatte;

2 hier ist sein Bericht:

Ich sah in meiner nächtlichen Vision, wie aus den vier Himmelsrichtungen die Winde bliesen und das große Meer aufwühlten.

3 Vier große Tiere stiegen aus dem Meer; jedes hatte eine andere Gestalt.

4 Das erste Tier sah aus wie ein Löwe, hatte aber Adlerflügel. Während ich es betrachtete, wurden ihm die Flügel ausgerissen, es wurde aufgerichtet, dass es auf zwei Füßen stand wie ein Mensch, und es erhielt einen menschlichen Verstand.

5 Das zweite Tier sah aus wie ein Bär. Es war halb aufgerichtet und hatte zwischen seinen Zähnen drei Rippenknochen. Es erhielt den Befehl: »Steh auf! Friss dich voll mit Fleisch!«

6 Danach sah ich ein Tier, das aussah wie ein Panther. Es hatte vier Vogelflügel auf dem Rücken und vier Köpfe. Ihm wurde große Macht gegeben.

7 Schließlich sah ich in meiner Vision ein viertes Tier, das sah schreckenerregend aus und war sehr stark. Es hatte große Zähne aus Eisen, mit denen es alles zermalmte, und was es nicht hinunterschlingen konnte, zertrat es mit den Füßen. Es war völlig verschieden von den anderen Tieren und hatte zehn Hörner.

8 Während ich die Hörner beobachtete, brach ein weiteres Horn zwischen ihnen hervor. Drei von den vorigen Hörnern wurden seinetwegen ausgerissen. Das Horn hatte Menschenaugen und ein Maul, das großmächtig prahlte.

9 Dann sah ich, wie Thronsessel aufgestellt wurden. Jemand, der uralt war, setzte sich auf einen von ihnen. Sein Gewand war weiß wie Schnee und sein Haupthaar so weiß wie reine Wolle. Sein Thron bestand aus lodernden Flammen und stand auf feurigen Rädern.

10 Ein Feuerstrom ging von ihm aus. Abertausende standen zu seinem Dienst bereit und eine unzählbare Menge stand vor ihm.

Richter setzten sich und Bücher wurden aufgeschlagen.

11 Ich sah, wie das Tier, dessen Horn so prahlerisch dahergeredet hatte, getötet wurde. Sein Körper wurde ins Feuer geworfen und völlig vernichtet.

12 Schon zuvor war den anderen Tieren ihre Macht genommen worden; auf Tag und Stunde war die ihnen zugemessene Frist bestimmt.

13 Danach sah ich in meiner Vision einen, der aussah wie der Sohn eines Menschen. Er kam mit den Wolken heran und wurde vor den Thron des Uralten geführt.

14 Der verlieh ihm Macht, Ehre und Herrschaft, und die Menschen aller Nationen, Völker und Sprachen unterwarfen sich ihm. Seine Macht ist ewig und unvergänglich, seine Herrschaft wird niemals aufhören.

Die Deutung der Vision

15 Ich war verwirrt und erschreckt von dem, was ich sah.

16 Ich wandte mich an einen, der in der Nähe stand, und bat ihn, mir zu erklären, was das alles bedeutete. Er sagte zu mir:

17 »Die vier großen Tiere sind vier Weltreiche, die nacheinander auftreten werden;

18 aber zuletzt wird das heilige Volk des höchsten Gottes die Herrschaft ergreifen und sie behalten bis in alle Ewigkeit.«

19 Ich wollte Genaueres erfahren über das vierte Tier, das ganz anders war als die anderen, diese schreckliche Bestie mit Zähnen aus Eisen und Krallen aus Bronze, die alles zermalmte und verschlang und den Rest mit den Füßen zertrat.

20 Vor allem wollte ich wissen, was die zehn Hörner auf seinem Kopf bedeuten sollten und das elfte Horn, das zuletzt hervorbrach und vor dem drei andere weichen mussten – Menschenaugen hatte es und ein Maul, das großmächtig prahlte, und es sah größer aus als die übrigen Hörner.

21 Ich hatte beobachtet, wie dieses Horn mit dem heiligen Volk Gottes Krieg führte und es unterwarf;

22 aber dann kam der Uralte, um Gericht zu halten, und die Herrschaft wurde seinem Volk, den Heiligen des höchsten Gottes, übergeben.

23 Auf meine Frage bekam ich zur Antwort: »Das vierte Tier bedeutet ein viertes Reich, das anders ist als alle vorhergehenden. Es wird alle Völker der Erde zermalmen, verschlingen und zertreten.

24 Die Hörner bedeuten, dass zehn Könige in diesem Reich regieren werden, dann aber kommt ein elfter König an die Macht, der sich von allen seinen Vorgängern unterscheidet.

Drei Könige wird er vom Thron stoßen.

25 Er wird verächtlich über Gott, den Höchsten, reden und das heilige Volk des höchsten Gottes unterdrücken. Er wird versuchen, das Gesetz* Gottes und die heiligen Feste abzuschaffen.

Ein Jahr und zwei Jahre und ein halbes Jahr wird das Volk Gottes in seine Gewalt gegeben.

26 Dann aber tritt das himmlische Gericht zusammen und nimmt ihm seine Macht; er wird endgültig vernichtet.

27 Darauf wird der höchste Gott die Herrschaft über die Völker der ganzen Erde seinem heiligen Volk übertragen. Dessen Reich soll alle anderen Reiche ablösen und ihre Macht und Größe in sich vereinen. Gott aber behält die Herrschaft in alle Ewigkeit, alle Mächtigen der Erde werden ihm dienen und gehorchen müssen.«

28 Hier endete meine Vision. Ich, Daniel, war so erschrocken, dass alle Farbe aus meinem Gesicht wich; aber ich behielt im Gedächtnis, was ich geschaut hatte.

Eine zweite Vision: Der Zweikampf zwischen Widder und Ziegenbock

81 Im dritten Regierungsjahr des Königs Belschazzar hatte ich, Daniel, wieder eine Vision.

2 In der Vision sah ich mich in der Residenzstadt Susa in der Provinz Elam*, und zwar in der Nähe des Ulai-Kanals.

3 Als ich genauer hinsah, stand da am Wasser ein Widder mit zwei mächtigen Hörnern. Das eine Horn war größer als das andere, obwohl es erst nach dem anderen gewachsen war.

4 Ich sah, wie der Widder mit den Hörnern nach Westen, Norden und Süden stieß. Kein anderes Tier konnte sich gegen ihn behaupten, niemand konnte es mit ihm aufnehmen. Darum durfte er sich alles erlauben und wurde immer mächtiger.

5 Während ich den Widder beobachtete, kam plötzlich ein Ziegenbock von Westen. Er flog nur so über die Erde, ohne den Boden zu berühren; zwischen den Augen trug er ein einziges, starkes Horn.

6-7 Als er bei dem Widder am Wasser angekommen war, stürzte er sich wutentbrannt auf ihn. Der Zorn gab ihm solche Kraft, dass er dem Widder beide Hörner abbrach. Der Widder konnte ihm nicht standhalten; da ihm niemand zu Hilfe kam, warf der Bock ihn zu Boden und zertrampelte ihn.

8 Der Ziegenbock wurde immer mächtiger, aber auf dem Höhepunkt seiner Macht brach sein großes Horn ab. An seiner Stelle wuchsen vier kräftige Hörner, jedes nach einer anderen Himmelsrichtung.

9 Aus einem von ihnen kam ein weiteres Horn hervor, zunächst ganz klein, aber dann wuchs es gewaltig nach Osten und auch nach Süden zum Heiligen Land hin.

10 Dann wuchs es bis zum Heer des Himmels hinauf, es warf einige von dem Heer und von den Sternen auf die Erde und zertrat sie.

11 Sogar bis zum Herrn des Himmelsheeres drang es vor; es nahm ihm das tägliche Abend- und Morgenopfer* weg und entweihte sein Heiligtum.

12 In frevelhafter Weise setzte es einen anderen Opferdienst an die Stelle des täglichen Opfers und warf so die Wahrheit zu Boden. Alles, was es unternahm, gelang ihm.

13 Da hörte ich zwei Engel miteinander reden. Der eine fragte: »Wie lange soll das dauern, was in der Vision zu sehen war, dass die täglichen Opfer unterbunden werden und das Heiligtum durch frevelhafte Entweihung verödet? Wie lange darf er ungestraft die Macht des Himmels herausfordern?«

14 Ich hörte den anderen Engel antworten: »Zweitausenddreihundert Mal wird kein Abend- und Morgenopfer dargebracht. Erst dann wird die Ordnung des Heiligtums wiederhergestellt.«

Die Deutung der Vision vom Widder und vom Ziegenbock

15 Während ich über den Sinn dieser Vision nachgrübelte, sah ich plötzlich jemand dastehen, der wie ein Mann aussah.

16 Und ich hörte über dem Ulai-Kanal eine Stimme, die ihm zurief: »Gabriel*! Erkläre ihm, was er geschaut hat!«

17 Der Engel Gabriel trat auf mich zu und ich erschrak darüber so sehr, dass ich zu Boden stürzte. Er sagte zu mir: »Du Mensch, du hast geschaut, was in der letzten Zeit geschehen wird.«

18 Während er das sagte, lag ich wie betäubt am Boden, mit dem Gesicht zur Erde. Der Engel fasste mich bei der Hand und richtete mich auf.

19 Dann sagte er: »Ich enthülle dir jetzt, was geschehen wird, wenn das Strafgericht Gottes seinen abschließenden Höhepunkt erreicht. Denn es geht bei dem, was du geschaut hast, um die Zeit, in der das Ende kommt.

20 Der Widder mit den beiden Hörnern ist das Reich der Meder und Perser,

21 der zottige Ziegenbock das Reich der Griechen. Das große Horn zwischen den Augen des Ziegenbocks ist der erste König des Griechenreiches.

22 Dass das Horn abbricht und an seiner Stelle vier andere Hörner nachwachsen, bedeutet: Aus dem einen Reich werden vier Reiche entstehen, die jedoch nicht so mächtig sind wie das eine.

23 Wenn die Zeit dieser Reiche zu Ende geht und das Maß ihrer Untaten voll ist, wird ein anmaßender und hinterlistiger König auftreten.

24 Seine Macht wird groß sein, aber nicht durch eigene Kraft. Alles, was er unternimmt, wird ihm gelingen. Mächtige Gegner wird er vernichten, er wird aber auch gegen das heilige Volk Gottes vorgehen und unerhörte Zerstörungen anrichten.

25 Er wird dabei so geschickt vorgehen, dass er mit seinen Täuschungen Erfolg hat. Er wird überheblich werden und viele ahnungslose Menschen umbringen. Aber weil er sich gegen den höchsten Herrn erhebt, wird er ohne menschliches Zutun vernichtet werden.

26 Auch was du über die Abend- und Morgenopfer* gehört hast, wird eintreffen.

Halte geheim, was du geschaut hast; denn es betrifft eine ferne Zukunft.«

27 Ich, Daniel, war ganz zerschlagen und lag tagelang krank. Als ich wieder aufstehen konnte, nahm ich meinen Dienst beim König wieder auf; aber meine Vision ließ mir keine Ruhe, denn ich konnte sie immer noch nicht begreifen.

Daniel bittet Gott um Erbarmen und Erleuchtung

91-2 Inzwischen war der Meder Darius, der Sohn von Xerxes, König über das Babylonische Reich geworden. In seinem ersten Regierungsjahr dachte ich darüber nach, was wohl die siebzig Jahre bedeuten, von denen ich in den Heiligen Schriften gelesen hatte. So lange nämlich sollte – nach einem Wort des HERRN an den Propheten Jeremia – Jerusalem in Trümmern liegen.

3 Ich fastete* und setzte mich im Sack* in die Asche. Dann wandte ich mich im Gebet an den HERRN, meinen Gott.

4 Vor ihm legte ich ein Bekenntnis unserer gemeinsamen Schuld ab und sagte:

»Ach HERR, du großer und ehrfurchtgebietender Gott! Du stehst in unerschütterlicher Treue zu deinem Bund* und zu denen, die dich lieben und nach deinen Geboten leben.

5 Wir sind schuldig geworden, wir haben dir die Treue gebrochen, wir haben uns gegen dich aufgelehnt und deine Gebote und Weisungen nicht befolgt.

6 Wir haben nicht auf die Warnungen deiner Diener, der Propheten*, gehört, die in deinem Auftrag unseren Königen und führenden Männern, den Sippenoberhäuptern und dem ganzen Volk ins Gewissen geredet haben.

7 Du, HERR, hast zu deinem Bund gestanden, du bist im Recht, wenn du uns so hart gestraft hast. Wir aber müssen beschämt vor dir stehen, die Leute von Juda und Jerusalem und alle Israeliten nah und fern, die du wegen ihres Treubruchs verstoßen und unter die Völker zerstreut hast.

8 Ja, HERR, wir sind voller Scham, wir, unsere Könige und führenden Männer und unsere Sippenoberhäupter;

9 du aber, HERR, unser Gott, bist voll Erbarmen! Wir brauchen deine Vergebung, denn wir sind dir ungehorsam gewesen!

10 Wir haben nicht auf dich, den HERRN, unseren Gott, gehört, als du uns durch deine Diener, die Propheten, gewarnt und auf den rechten Weg zurückgerufen hast.

11 Ganz Israel hat sich gegen dich aufgelehnt und deine Gebote missachtet. Deshalb traf uns der Fluch, mit dem im Gesetzbuch* deines Dieners Mose jeder bedroht wird, der dir nicht gehorcht.

12 Du hast Unheil über Jerusalem gebracht, das unter dem Himmel seinesgleichen sucht; aber du hast damit nur wahr gemacht, was du unseren Königen und führenden Männern für den Fall unseres Ungehorsams angedroht hattest.

13 Was im Gesetzbuch Moses angedroht war, ist alles eingetroffen; denn wir sind nicht umgekehrt von unseren falschen Wegen, um dich, den HERRN, unseren Gott, wieder gnädig zu stimmen, wir haben uns nicht nach deiner zuverlässigen Weisung gerichtet.

14 Deshalb hast du, HERR, das angedrohte Unheil über uns hereinbrechen lassen. Wir haben nicht auf dich gehört, darum bist du, unser Gott, im Recht mit allem, was du gegen uns getan hast.

15 HERR, wir sind schuldig, wir waren dir ungehorsam! Aber du, unser Gott, bist es doch, der sein Volk durch seine starke Hand aus Ägypten herausgeführt hat! In aller Welt hast du dir dadurch einen Namen gemacht.

16 Immer von Neuem hast du in der Vergangenheit deine Treue an uns erwiesen. Sei auch nun nicht länger zornig über deine Stadt Jerusalem und über den Zion*, deinen heiligen Berg!

Durch unsere Schuld und die Schuld unserer Vorfahren ist es so weit gekommen, dass alle Völker ringsum über deine Stadt Jerusalem und über dein Volk spotten.

17 Darum, unser Gott, höre mein Gebet, höre mein demütiges Bitten! Blicke wieder freundlich auf dein verwüstetes Heiligtum, tu es um deiner eigenen Ehre willen!

18 Mein Gott, wende dich mir zu und höre mich! Sieh doch, wie elend wir dran sind und wie es um die Stadt steht, die dein Eigentum ist. Wir wissen, dass wir es nicht verdient haben. Wir vertrauen nicht auf unsere Leistungen, sondern allein auf dein großes Erbarmen.

19 Höre mich, HERR! Vergib uns! Sieh unser Elend und greif ein! Lass uns nicht länger warten! Tu es um deiner Ehre willen; denn du hast doch deine Stadt und dein Volk zu deinem Eigentum erklärt!«

Der Engel deutet Daniel das Geheimnis der siebzig Jahre

20 Während ich so vor dem HERRN meine Schuld und die Schuld meines Volkes bekannte und meinen Gott für seinen heiligen Berg, den Ort seines Heiligtums, anflehte,

21 kam schon der Engel Gabriel*, den ich vorher in meiner Vision gesehen hatte, in schnellem Flug auf mich zu. Es war um die Zeit des Abendopfers*.

22 Er öffnete mir das Verständnis für das Prophetenwort, über das ich nachgedacht hatte, und sagte zu mir: »Daniel, ich will dir helfen, den Sinn jenes Wortes zu verstehen.

23 Als du zu beten begannst, gab Gott mir eine Antwort für dich; denn er liebt dich. Ich bin hier, um sie dir mitzuteilen. Gib gut Acht auf das, was ich dir zu sagen habe, damit du die Vision verstehst!

24 Nicht siebzig Jahre, sondern siebzig Jahrwochen müssen nach Gottes Plan vergehen, bis er das Schicksal deines Volkes und der Heiligen Stadt* wendet. Dann erst ist die Auflehnung gebüßt und die Schuld vergeben. Dann bringt Gott alles für immer in Ordnung. Dann lässt er das Prophetenwort in Erfüllung gehen und der Tempel* wird von Neuem geweiht.

25 Gib Acht, damit du es verstehst: Von dem Zeitpunkt an, als das Wort erging, dass Jerusalem wieder aufgebaut werden soll, vergehen sieben Jahrwochen bis zu dem Zeitpunkt, an dem in Jerusalem von Neuem ein Oberhaupt durch Salbung* eingesetzt wird. Dann wird Jerusalem 62 Jahrwochen hindurch wieder aufgebaut und befestigt sein und dabei schwere Zeiten erleben.

26 Nach Ablauf dieser Zeit wird ein Gesalbter getötet werden; die Stadt und der Tempel werden durch das Heer eines fremden Herrschers verwüstet, über das jedoch die Vernichtung wie eine Flut hereinbricht; und bis zum Ende wird es Krieg und Verwüstung geben, wie es in Gottes Plan vorgesehen ist.

27 Der fremde Herrscher wird mit der Mehrheit des Volkes ein festes Abkommen treffen, das eine Jahrwoche lang Bestand hat. In der Mitte dieser Woche wird er den Opferdienst im Tempel unterbinden und den Altar eines fremden Götzen dort aufstellen, bis ihn selbst die Vernichtung trifft, die in Gottes Plan für ihn vorgesehen ist.«

Daniel wird auf eine abschließende Offenbarung vorbereitet

101 Im dritten Regierungsjahr des Perserkönigs Kyrus erhielt Daniel, der auch Beltschazzar heißt, eine Botschaft von Gott. Was ihm darin offenbart wurde, ist wahr und betrifft eine Zeit großer Not. Daniel suchte den Sinn der Botschaft zu verstehen und in einer Vision wurde ihm das Verständnis eröffnet. Er berichtet:

2 Damals trauerte ich, Daniel, drei Wochen lang über das Schicksal meines Volkes.

3 Ich aß die ganze Zeit über kein Fleisch und keine wohlschmeckenden Speisen, trank keinen Wein und pflegte mein Gesicht und mein Haar nicht mit Öl.

4 Am 24. Tag des 1. Monats stand ich am Ufer des Tigris

5 und als ich aufblickte, sah ich einen Mann in einem leinenen Gewand mit goldenem Gürtel.

6 Sein Leib funkelte wie ein Edelstein, sein Gesicht leuchtete wie der Blitz und seine Augen brannten wie Flammen. Seine Arme und Beine glänzten wie polierte Bronze und seine Stimme klang wie das Rufen einer vielstimmigen Menschenmenge.

7 Nur ich allein sah diese Erscheinung; meine Begleiter sahen nichts. Doch packte sie ein großer Schrecken, sie liefen davon und versteckten sich.

8 Ich blieb allein zurück. Beim Anblick der gewaltigen Erscheinung verließ mich alle Kraft und das Blut wich aus meinem Gesicht.

9 Der Mann begann zu sprechen und kaum waren die ersten Worte an mein Ohr gedrungen, da stürzte ich ohnmächtig zu Boden und blieb mit dem Gesicht zur Erde liegen.

10 Sogleich griff eine Hand nach mir und zog mich hoch, sodass ich mich auf die Knie aufrichten und mit den Händen aufstützen konnte.

11 Der Mann sagte zu mir: »Gott liebt dich, Daniel! Steh auf und gib Acht auf das, was ich dir zu sagen habe. Gott hat mich zu dir gesandt.«

Zitternd stand ich auf

12 und er sagte zu mir: »Hab keine Angst, Daniel! Du hast dich vor deinem Gott gebeugt, um Einsicht in seinen verborgenen Plan zu erlangen; und schon am ersten Tag, als du damit begannst, hat er dein Gebet erhört. So lange bin ich schon unterwegs;

13 aber der Engelfürst* des Perserreiches trat mir in den Weg und hat mich 21 Tage lang aufgehalten. Dann kam Michael*, einer der höchsten Engelfürsten, mir zu Hilfe, sodass ich mich dort losmachen konnte.

14 Nun bin ich hier, um dir zu sagen, wie es deinem Volk am Ende der Zeit ergehen wird. Denn auch diese Vision handelt von einer fernen Zukunft.«

15 Als er das sagte, schlug ich die Augen zu Boden und konnte kein Wort herausbringen.

16 Da berührte er, der aussah wie ein Mensch, meine Lippen und ich konnte wieder reden. Ich sagte zu ihm: »Mein Herr! Als ich dich in meiner Vision erblickte, überfielen mich heftige Schmerzen und nahmen mir alle Kraft.

17 Wie kann ich kleiner Mensch mit einem so mächtigen Engel* sprechen? Der Atem stockt mir und alle Kraft hat mich verlassen.«

18 Da berührte er, der aussah wie ein Mensch, mich noch einmal und stärkte mich.

19 Dann sagte er zu mir: »Hab keine Angst! Gott liebt dich. Frieden sei mit dir! Sei stark und mutig!«

Ich fühlte mich so gestärkt, dass ich sagte: »Rede jetzt! Du hast mir die Kraft gegeben, dich anzuhören.«

20-21 Er erwiderte: »Weißt du nun, warum ich zu dir gekommen bin? Ich will dir offenbaren, was im Buch der Wahrheit geschrieben steht. Wenn ich dich verlasse, muss ich wieder mit dem Engelfürsten des Perserreiches kämpfen; und wenn ich den besiegt habe, muss ich gegen den Engelfürsten der Griechen antreten. Niemand steht mir gegen sie bei außer Michael*, dem Engelfürsten eures Volkes,

111 so wie auch ich ihm beistand im ersten Regierungsjahr des Mederkönigs Darius.«

Prophetischer Gang durch die Geschichte: Alexander der Große und sein Ende

2 Der Engel sagte: »Jetzt will ich dir mitteilen, was mit Sicherheit künftig geschehen wird. Noch drei Könige werden über Persien regieren; danach kommt ein vierter, der reicher sein wird als alle seine Vorgänger. Wenn er durch seinen Reichtum zu großer Macht gelangt ist, wird er sie gegen das Königreich der Griechen aufbieten.

3 Dann wird ein großer Held König von Griechenland werden. Er wird mit großer Macht regieren und alle seine Pläne ausführen.

4 Aber kaum hat er sein Ziel erreicht, so bricht sein Reich wieder auseinander und zerfällt in vier Teile, nach den vier Himmelsrichtungen. Keines der Teilreiche erreicht die Macht, die er in seiner Hand vereinigt hatte, und nicht seine Nachkommen herrschen dort, sondern das Erbe fällt anderen zu; sein Königshaus wird vollständig ausgelöscht.

Die Rivalität zwischen Ptolemäer- und Seleukidenreich

5 Der König des südlichen Reiches wird mächtig sein; aber einer seiner Fürsten wird ihn an Macht übertreffen und im nördlichen Teil ein eigenes großes Reich begründen.

6 Nach einiger Zeit werden die beiden Reiche sich verbünden und zur Besiegelung des Bündnisses wird der König des Südens dem König des Nordens seine Tochter zur Frau geben. Aber sie wird ihren Einfluss verlieren und das Bündnis wird keinen Bestand haben. Sie selbst wird sterben müssen und ebenso die beiden, die diese Verbindung gestiftet haben, ihr Vater und ihr Mann.

7 Anstelle ihres Vaters wird einer ihrer Brüder König werden. Er wird den König des Nordens angreifen, sein Heer besiegen und seine Hauptstadt erobern und ausplündern.

8 Die Götterbilder samt ihren kostbaren Geräten aus Silber und Gold wird er nach Ägypten mitnehmen, doch sonst nichts gegen den König des Nordens unternehmen. Nach einigen Jahren

9 wird der König des Nordens in das südliche Reich einfallen, aber dann wieder heimkehren.

10 Doch seine Söhne werden sich zum Krieg rüsten und große Truppenmassen zusammenbringen. Einer von ihnen wird mit seinem Heer wie eine Sturmflut über den Gegner hereinbrechen und nachdem er seine Truppenmacht noch einmal verstärkt hat, wird er bis vor die befestigte Stadt kommen, die dem Südkönig gehört.

11 Da wird der König des Südens voller Wut gegen den König des Nordens in den Kampf ziehen und ihn trotz seiner Übermacht besiegen.

12 Von den feindlichen Kriegsleuten werden Zehntausende den Tod finden.

Dieser Sieg wird den König des Südens stolz und selbstsicher machen; aber er wird seine Überlegenheit nicht halten können.

13 Denn nach einigen Jahren wird der König des Nordens ein noch größeres Heer aufstellen und ihn angreifen.

14 Zu dieser Zeit werden sich viele gegen den König des Südens auflehnen. Sogar aus deinem eigenen Volk werden gewalttätige Leute sich gegen ihn erheben und damit eine Vision erfüllen; aber sie werden scheitern.

15 Der König des Nordens wird gegen eine stark befestigte Stadt anrücken, einen Wall aufschütten und sie belagern. Er wird sie einnehmen; das Heer des Südens wird nicht standhalten können, selbst die Elitetruppen sind nicht stark genug, um ihm zu widerstehen.

16 Der König des Nordens kann tun, was ihm gefällt, weil er nirgends mehr auf Widerstand trifft; er wird auch in das Heilige Land eindringen und dort Verwüstungen anrichten.

17 Er wird den Plan fassen, sich mit dem Reich des Südens zu verbünden, um es in seine Gewalt zu bekommen. Zu diesem Zweck wird er dem König des Südens eine seiner Töchter zur Frau geben; aber er wird sein Ziel nicht erreichen.

18 Dann wird er sich den Inseln zuwenden und viele erobern; aber ein fremder Heerführer wird ihm entgegentreten und ihm seinen Übermut austreiben.

19 Darauf wird er die Städte seines eigenen Landes ausplündern müssen und dabei den Untergang finden.

20 Sein Nachfolger wird einen Steuereintreiber in das Heilige Land schicken; aber nach kurzer Zeit wird er getötet werden, nicht im Krieg, sondern auf hinterhältige Weise.

Antiochus Epiphanes, der Feind des Gottesvolkes

21 Seinen Platz wird ein niederträchtiger Mensch einnehmen. Er hat keinen Anspruch auf das Königtum, aber er reißt es durch Intrigen an sich.

22 Alle Heere, die in sein Land einfallen wollen, vernichtet er.

Auch ein Oberhaupt des Gottesvolkes findet durch ihn den Untergang.

23 Es hat seine Freundschaft gesucht, aber er hintergeht es, zieht gegen die Heilige Stadt und bringt sie in seine Gewalt, obwohl er nur eine kleine Truppe bei sich hat.

24 Unversehens fällt er in wohlhabende Landstriche ein, raubt sie aus und verteilt die Beute verschwenderisch unter seine Gefolgsleute. Keiner seiner Vorgänger hat je so etwas getan. Seine Pläne richten sich auch gegen die befestigten Städte. Aber das dauert nur eine Zeit lang.

25 Dann nimmt er alle seine Kraft zusammen und zieht mit einem großen Heer gegen den König des Südens, der ein noch größeres Heer gegen ihn aufgestellt hat. Der König des Südens hat kein Glück, denn es werden Intrigen gegen ihn gesponnen.

26 Seine eigenen Vertrauten stürzen ihn; sein Heer zerstreut sich und viele finden den Tod.

27 Darauf verhandeln die beiden Könige miteinander, sie sitzen am selben Tisch, aber sie meinen es nicht ehrlich. Ihre Pläne gelingen nicht, weil die Zeit für das Ende noch nicht reif ist.

28 Der König des Nordens kehrt mit reicher Beute in sein Land zurück. Auf dem Weg dorthin aber führt er aus, was er sich gegen das Gottesvolk und seinen Glauben vorgenommen hat.

29 Nach einer von Gott bestimmten Zeit zieht er von Neuem mit einem Heer gegen das Reich des Südens; aber diesmal wird es nicht so enden wie beim ersten Mal.

30 Von Westen her treffen Schiffe ein und zwingen ihn durch Drohungen zur Umkehr. Darauf lässt er seinen Zorn am Gottesvolk und seinem Glauben aus.

Er verbündet sich mit denen im Volk, die ihrem Gott untreu geworden sind,

31 und schickt seine Truppen. Diese werden das Heiligtum entweihen, die täglichen Opfer abschaffen und das entsetzliche Scheusal* dort aufstellen.

32 Er bringt die Menschen, die es mit dem Bund* Gottes und seinem Gesetz* nicht ernst nehmen, mit List und Tücke so weit, dass sie ihren Glauben preisgeben; aber die anderen, die ihrem Gott treu sind, bleiben fest und halten sich weiter an Gottes Gesetz.

33 Einsichtige Männer aus dem Volk werden viele auf den rechten Weg weisen. Dafür werden sie eine Zeit lang mit Feuer und Schwert verfolgt; man verhaftet sie und plündert ihren Besitz.

34 Während der Verfolgungszeit erfahren sie von gewisser Seite ein wenig Hilfe, aber viele andere schließen sich ihnen nur dem Schein nach an.

35 Auch von ihnen selbst kommen einige zu Fall; denn das Volk Gottes muss geprüft werden, damit es am Ende rein und geläutert dasteht. Und noch ist das Ende nicht da.

36 Der König aber wird schalten und walten, wie er will. Er wird sich einbilden, er sei mächtiger als alle Götter; sogar über den höchsten Gott wird er verächtlich reden. Aber das kann er nur, solange Gott es im Zorn über sein Volk zulässt; denn es geschieht alles genau nach Gottes festem Plan.

37 Dieser König missachtet selbst die Götter, die seine Vorfahren verehrten, auch den Lieblingsgott der Frauen – jeden Gott ohne Ausnahme verachtet er, über jeden erhebt er sich.

38 Stattdessen verehrt er den Gott der Festungen, den seine Vorfahren noch nicht gekannt haben; er wird ihm Gold, Silber, Edelsteine und andere Kostbarkeiten zum Geschenk machen.

39 Mithilfe dieses fremden Gottes wird er starke Festungen zu Fall bringen. Wer seinen Gott verehrt, den überhäuft er mit Ehren und gibt ihm Land und Herrschaft über viele Menschen.

40 Dann aber, wenn das Ende kommt, wird der König des Südens ihn angreifen und der König des Nordens wird zurückschlagen mit Streitwagen* und Reitern und zahlreichen Schiffen. Er wird nach Süden vordringen, unaufhaltsam wie die Flut.

41 Das Heilige Land bringt er in seine Gewalt und von dessen Bewohnern werden Zehntausende umkommen; aber die Edomiter* und Moabiter* und der Großteil der Ammoniter* werden verschont.

42-43 Auch Ägypten kann sich nicht vor seinem Zugriff retten; sein Gold und Silber und alle seine Schätze fallen ihm in die Hand. Selbst Libyen und Äthiopien* werden sich ihm unterwerfen.

44 Dann aber hört er, dass Feinde von Osten und Norden in sein Land eingefallen sind, und er wird wutentbrannt umkehren, um sie zu vernichten.

45 Aber wenn er gerade seine prächtigen Zelte zwischen dem Meer und dem Berg Zion aufgeschlagen hat, wird ihn das Ende ereilen und niemand kann ihn retten.«