• Bergpredigt

Die Bergpredigt ist uns in zweifacher Gestalt überliefert: bei Matthäus (Mt 5-7) und bei Lukas (Lk 6,20-49). Nach Mt 5,1 fand sie auf dem Berg statt, nach Lk 6,17am Fuß des Berges (daher auch »Feldrede« genannt).
Die Fassung der Rede bei Lukas ist wesentlich kürzer als die bei Matthäus, doch tritt in ihr gerade deshalb das Gebot der Feindesliebe als Hauptthema stark hervor (Lk 6,27-36). Die Angeredeten sind mehr als bei Matthäus als materiell Notleidende gesehen (Lk 6,20-26).
Die Fassung der Rede bei Matthäus ist maßgeblich bestimmt durch die Frage nach der Geltung und rechten Auslegung des Mose-Gesetzes (Mt 5,17-20; 7,12): Jesus deckt den eigentlichen Willen Gottes auf, der hinter den Gebotsformulierungen steht, und fordert – in Auseinandersetzung mit damaligen Fehlformen der Frömmigkeit, die sich stets wiederholen können – dazu auf, diesen Gotteswillen radikal zu erfüllen (Mt 5,21-48; 7,15-23).
Feindesliebe und Verzicht auf Wiedervergeltung sind das Herzstück der Bergpredigt bei Matthäus (Mt 5,43-48) wie bei Lukas. Die Jünger und Jüngerinnen von Jesus haben im Umgang mit anderen die selbstlose, verzeihende Liebe Gottes zu bezeugen, die ihnen selbst in Jesus begegnet ist und die die Erfüllung einer solchen Forderung erst möglich macht.
(1) Mt 5,3-4: Seligpreisungen.
(2) Mt 5,43: »hasse deinen Feind«: Dies wird im Alten Testament nicht gefordert. Jesus nimmt hier Bezug auf die Art, in der zu seiner Zeit die Geltung des angeführten Gebots aus Lev 19,18 von religiös engagierten Kreisen gerne eingegrenzt wurde (Mitmensch). Die Gemeinschaft von Qumran sah es als religiöse Pflicht ihrer Mitglieder an, »alle Söhne des Lichtes (= die Mitglieder der Qumrangemeinde) zu lieben … und alle Söhne der Finsternis (= das abtrünnige Israel und die nicht jüdischen Völker) zu hassen«. Eine solche Haltung kann sich allerdings auf das Alte Testament berufen; vgl. etwa Ps 139,19-22; 149,6-9.
Auch das Gebot, die Feinde zu lieben, hat seine alttestamentliche Vorgeschichte; vgl. Ex 23,4-5; Lev 19,33-34; Ijob 31,29-30; Spr 24,17; 25,21-22. Doch hat Jesus angesichts des bevorstehenden Anbrechens der Königsherrschaft Gottes das Liebesgebot in dieser uneingeschränkten Form ganz betont in die Mitte gerückt und seine Erfüllung zum Kennzeichen der Zugehörigkeit zum Kreis seiner Jünger und Jüngerinnen erhoben.
(3) Mt 5,48: Das Wort »vollkommen« meint von seinem hebräischen Ursprung her nicht sittliche Vollkommenheit, sondern Ungeteiltsein: dass jemand etwas ganz und ungeteilt tut oder ist. Mt 5,48 will im Licht von Mt 5,20 gelesen werden und erhält seine inhaltliche Füllung vom unmittelbar Vorausgehenden her (Mt 5,43-47, besonders Mt 5,45).
(4) Mt 6,23: Das »böse Auge« ist ein in der Bibel öfter verwendetes Bild für Missgunst, Neid, Habgier. In Lk 11,34-36 erscheint die in Mt 6,22-23 vorliegende Folge von Bildworten in einem anderen Zusammenhang und einer anderen Deutung.

Quelle: Gute Nachricht Bibel, durchgesehene Neuausgabe, © 2018 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart