Die Grundbedeutung des im Deutschen mit »Seele« wiedergegebenen hebräischen Wortes näphäsch ist der Hals mit Luft- und Speiseröhre, also die Organe, die für das Leben des Menschen unverzichtbar sind (der Mensch muss atmen und essen). Von daher umfasst der Begriff der Seele die grundlegenden Aspekte des Lebens wie Vitalität, Empfindsamkeit, Bedürftigkeit, Sehnsucht sowie die körperliche und seelische Ganzheitlichkeit des Menschen. Der biblische Begriff der Seele ist daher oft gleichbedeutend mit dem deutschen »Ich« (z.B. Psalm 42,3). Sie steht stellvertretend für das von Gott geschenkte Leben des Menschen.
Das bekannte Gebot, Gott »mit ganzer Seele« zu lieben (5. Mose/Deuteronomium 6,5; Matthäus 22,37) ist also nicht nur eine Aufforderung an den Menschen, sondern zugleich Ausdruck dafür, wie sehr er auf Gott angewiesen ist und sich nach seiner Zuwendung sehnt. In der Seele haben die menschlichen Gefühle und Gemütsbewegungen ihren Ort: Es ist die Seele, die Angst hat und gerettet werden möchte (Psalm 6,4). Sie freut sich und jubelt (Psalm 16,9), sie lobt Gott (Psalm 103,1) und wartet darauf, dass er ihr hilft (Psalm 33,20). Die Seele erleidet aber auch die biologischen Realitäten wie Hunger und Durst (Psalm 107,9).
Im Gegensatz zur griechischen Philosophie kennt die Bibel keine Trennung von (unsterblicher) Seele und (unvergänglichem) Körper. Die Seele steht für den ganzen von Gott geschaffenen Menschen, und als Geschöpf Gottes ist sie sterblich. Sie gehört zu dem Vergänglichen, das nach Paulus als solches prinzipiell nicht unvergänglich werden kann. Aber in dem Neubeginn am Ende der Zeit, dem alle Geschöpfe entgegen gehen, wird sie verwandelt werden und »die Unvergänglichkeit anziehen – wie ein neues Kleid«. Dann wird – durch JesusChristus – der Tod endgültig besiegt und damit jede Unterscheidung von Sterblichem und Unsterblichem grundsätzlich hinfällig (1. Korinther 15,50-57).