Die heute ein wenig altertümlich klingende Bezeichnung »Knecht« steht für einen Menschen, der in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit von seinem Herrn steht, dem er jedoch in Bezug auf seine menschlichen Würde gleichgestellt ist.
Während »Knecht« im Deutschen v.a. einen in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter meint, wird der Begriff im Alten Testament auch als Ehrentitel gebraucht. In diesem Sinn kann ein »Knecht« sogar ein hoher oder höchster Beamter, Minister oder Heerführer sein, der als »Knecht des Königs« in seinem Dienst steht. Mit dem Ehrentitel des Gottesknechts werden auch einzelne Personen aus der Geschichte Israels ausgezeichnet, am häufigsten Mose, aber auch Abraham, Isaak, Jakob oder Josua. Unter den Königen ist es David, den Gott: »meinen Knecht David« nennt (2. Samuel 7,8; Psalm 89,4).
Davon zu unterscheiden ist der Sprachgebrauch in den Psalmen: Wenn der Beter Gott anspricht, nennt er sich selbst einen »Knecht« Gottes und bringt damit zum Ausdruck, dass er sein ganzes Vertrauen auf Gott als seinen Herrn setzt (Psalm 69,8 Psalm 86,2-4). Besonders häufig begegnet diese Selbstbezeichnung in Psalm 119. So betont der Beter, dass er als Knecht Gottes die Gebote seines Herrn und damit die Tora in allem genau befolgt.
Eine besondere Rolle spielt der Gottesknecht in den vier so genannten Gottesknechtsliedern des Jesajabuches (Jesaja 42,1-4 Jesaja 49,1-6 Jesaja 50,4-9 Jesaja 52,13–53,12). Hier hat der Knecht Gottes den Auftrag, das niedergedrückte Israel wieder aufzurichten und Gottes Tora in der Völkerwelt bekannt zu machen. Die Identität dieses Gottesknechts ist eher geheimnisvoll. Es könnte sich um den Propheten selbst handeln, aber auch um den Messias oder insgesamt um das Volk Israel. Alle diese Möglichkeiten werden in der Auslegungsgeschichte der Texte vertreten.
Im vierten und letzten dieser Gottesknechtslieder nimmt der Gottesknecht die Schuld »der vielen« auf sich und leidet stellvertretend für sie. Deshalb wird dieser Text im Neuen Testament als Weissagung auf JesusChristus verstanden, der am Kreuz »für die vielen Menschen« stirbt (Markus 10,45 vgl. Jesaja 53,12; siehe auch Lukas 23,34).