Die besondere Lebensweise und die Glaubensgrundsätze der Juden formierten sich in der Zeit des babylonischenExils. Weil die deportierten Israeliten in Babylon damals unter Leuten leben mussten, die eine völlig andere Religion hatten, waren für sie der Sabbat, die Beschneidung und die Reinheitsgebote als Kennzeichen ihrer eigenen Religion von entscheidender Bedeutung. Auch die Heiligen Schriften und ihre Verlesung im Gottesdienst wurden immer wichtiger.
Nach der Rückkehr der Verbannten in ihre Heimat (im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.) fassten die im Exil gewachsenen Traditionen auch bei den im Land Israel Gebliebenen Fuß – sie prägen das Judentum bis heute.
Im Johannes-Evangelium ist immer wieder von »den« Juden die Rede. Diese stark verallgemeinernde Redeweise ist auffallend, denn aus dem Zusammenhang geht meist klar genug hervor, wer genau jeweils gemeint ist: Es sind insbesondere die führenden Kreise, die mitverantwortlich sind für die Hinrichtung von Jesus, oder der Teil der Bevölkerung, der Jesus nach der Darstellung von Johannes kritisch, ja feindlich gegenübersteht; offensichtlich gab es aber ebenso Juden, die sich positiv zu Jesus stellen (Johannes 10,19-21; Johannes 11,45; Johannes 12,11). Wenn hier vielfach pauschal von »den« Juden gesprochen wird und ein negativer und feindseliger Ton dabei überwiegt, so spiegelt sich darin die Tatsache, dass die christlichen Gemeinden, aus denen das Johannes-Evangelium stammt und für die es geschrieben ist, inzwischen ihren Ausschluss aus der Synagoge erfahren mussten (vgl. schon Johannes 9,22; Johannes 12,42; Johannes 16,2-3). »Die Juden« repräsentierten für diese frühchristlichen Gemeinden seitdem eine gegnerische Haltung, die sich dem Angebot Gottes in JesusChristus widersetzt.