BasisBibel (BB)
22

Von Gott verlassen – und gerettet

Der Leidenspsalm von Jesus22,0 Leidenspsalm von Jesus: Mit Worten aus diesem Psalm betete Jesus am Kreuz, vgl. beispielsweise Matthäus 27,46.

221FÜR DEN CHORLEITER,

NACH DER MELODIE: HIRSCHKUH DER MORGENRÖTE.

EIN PSALM, VON DAVID22,1 David: Bedeutender König in der Geschichte Israels, der etwa 1000–960 v. Chr. regierte. Er gilt als Dichter zahlreicher Lieder und Gebete..

2»Mein Gott, mein Gott,

warum hast du mich verlassen?«

Fern ist meine Rettung,

ungehört verhallt mein Hilfeschrei.

3»Mein Gott«, rufe ich am Tag,

doch Antwort gibst du mir nicht.

Und ich rufe in der Nacht,

doch Ruhe finde ich nicht.

4Du aber, du bist der Heilige!

Du thronst über den Lobgesängen Israels22,4 Lobgesänge Israels: Poetischer Ausdruck für den Gottesdienst, in dem Gott durch Lobgesänge gepriesen wird.!

5Auf dich vertrauten schon unsere Vorfahren.

Sie vertrauten darauf, dass du sie rettest.

6Sie riefen zu dir und wurden gerettet.

Auf dich haben sie sich verlassen

und wurden nicht enttäuscht.

7Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,

ein Gespött der Leute und verachtet vom Volk!

8Alle, die mich sehen, lachen nur über mich.

Sie spitzen die Lippen, sie schütteln den Kopf:

9»Soll er doch seine Last auf den Herrn22,9 Herr: Hier steht im Hebräischen der Gottesname. Bereits in der Antike war es üblich, den Gottesnamen nicht auszusprechen, sondern ihn beim Lesen durch das hebräische Wort für »Herr« (adonaj) zu ersetzen. In deutschen Bibeln wird das in der Regel durch eine besondere Schreibweise kenntlich gemacht: HERR. abwälzen!

Der soll ihn auch retten!

Der soll ihn aus dem Elend reißen.

Er ist ja sein Freund!«

10Ja, du hast mich aus dem Mutterleib gezogen.

An der Mutterbrust lehrtest du mich Vertrauen.

11Auf dich bin ich angewiesen seit meiner Geburt.

Vom ersten Atemzug an bist du allein mein Gott!

12Bleib nicht fern von mir! Denn die Not ist so nahe,

und ich habe sonst keinen, der mir hilft.

13Stiere ohne Zahl haben mich umstellt.

Baschan-Büffel22,13 Baschan-Büffel: Benannt nach dem fruchtbaren Weideland auf der Hochebene Baschan östlich des See Gennesaret. halten mich umringt.

14Da sperrt einer sein Maul auf, um mich zu packen –

es ist ein reißender und brüllender Löwe!

15Ich fühle mich wie ausgeschüttetes Wasser.

Ich habe keine Gewalt mehr über meine Glieder.

Mein Lebensmut ist weich wie Wachs,

dahingeschmolzen in meinem Innern.

16Trocken wie eine Tonscherbe22,16 Tonscherbe: Beim Brennen wird dem Tongefäß sämtliche Flüssigkeit entzogen. ist meine Kehle

und die Zunge klebt mir am Gaumen.

So legst du mich in den Staub22,16 Staub: Bild für das Totenreich, das unter der Erde liegt. zu den Toten.

17Ja, Hunde rotteten sich um mich zusammen,

eine Meute von Bösen hat mich eingekreist –

wie ein Löwe, der bereit ist zum Sprung,

um mich an Händen und Füßen zu packen.

18Schon zähle ich alle meine Knochen.

Sie aber schauen zu, sie gaffen mich an.

19Sie verteilen meine Kleider unter sich

und werfen das Los über mein Gewand.

20Doch du, Herr, bleib nicht fern von mir!

Du bist meine Stärke, hilf mir schnell!

21Bewahre mein Leben vor dem Schwert,

mein einziges Gut vor der Gewalt der Hunde!

22Rette mich aus dem Rachen des Löwen

und vor den Hörnern der Wildstiere!

– Mein Gebet22,22 Gebet: Reden des Menschen mit Gott. hast du erhört. –

23Ich will meinen Brüdern und Schwestern22,23 Brüder, Schwestern: Wörtlich »Brüder«. Das hebräische Wort bezeichnet hier männliche und weibliche Mitglieder der Gemeinde.

von deinem Namen22,23 Name Gottes: Steht für Gott selbst und seine Gegenwart, vor allem im Heiligtum. erzählen.

Im Kreis der Gemeinde will ich dich loben.

24Lobt ihn, die ihr Ehrfurcht22,24 Ehrfurcht: Eine Haltung größter Hochachtung gegenüber Gott, die sowohl Bewunderung als auch Erschrecken zum Ausdruck bringt. habt vor dem Herrn!

All ihr Nachkommen Jakobs22,24 Nachkommen Jakobs: Bezeichnung für das Volk Israel. Der Stammvater Jakob wird in 1. Mose/Genesis 32,29 in Israel umbenannt., gebt ihm die Ehre!

Erschreckt vor seiner Herrlichkeit22,24 Herrlichkeit: Bezeichnet das, was einer Person Ansehen und Macht verleiht. Gottes Herrlichkeit stellt man sich auch als strahlenden Lichtglanz vor.,

all ihr Nachkommen Israels22,24 Israel: Nachkommen der zwölf Söhne Jakobs. Gott hat mit Israel einen Bund geschlossen.!

25Denn er hat die Augen vor dem Elend nicht verschlossen

und sich nicht gescheut, dem Armen zu helfen.

Sein Angesicht22,25 Angesicht verbergen: Wenn Gott sein Gesicht verbirgt, nimmt er die Bitten des Beters nicht an. hat er nicht vor ihm verborgen.

Als er um Hilfe schrie, hat er ihn gehört.

26Von dir geht mein Lobgesang aus

und erschallt in der Festversammlung.

Meine Gelübde22,26 Gelübde: Versprechen, das ein Mensch Gott gibt. Es muss in jedem Fall eingelöst werden. will ich erfüllen vor denen,

die Ehrfurcht vor dir haben.

27Die Armen sollen essen und satt werden.

Die den Herrn suchen, sollen ihn loben.

Bekommt also neuen Lebensmut, für immer!

28Alle Länder der Erde sollen daran denken

und zu dem Herrn umkehren!

Die ganze Völkerwelt

soll vor ihm auf die Knie fallen!

29Denn dem Herrn gehört das Königtum.

Er ist der Herrscher über die Völker.

30Alle sollen vor ihm auf die Knie fallen,

die im Vollbesitz ihrer Kräfte stehen!

Alle sollen vor ihm die Knie beugen,

die in den Staub22,30 Staub: Bild für das Totenreich, das unter der Erde liegt. zu den Toten gehen.

Und wenn sie nicht mehr am Leben sind,

31werden die Nachkommen ihm dienen.

Dann kommt die nächste Generation –

auch ihr wird man vom Herrn erzählen.

32Und dem Volk, das noch geboren wird,

wird man über seine Gerechtigkeit sagen:

»Er hat es getan!«