BasisBibel (BB)
1

Die einsame Stadt

Alphabetpsalm1,0 Alphabetpsalm: Poetische Kunstform, bei der die Anfangsbuchstaben der Verse oder Abschnitte in ihrer Reihenfolge dem hebräischen Alphabet entsprechen.

א 11Ach, wie einsam ist sie geworden,

die Stadt1,1 die Stadt: Meint Jerusalem, die Hauptstadt des Königreichs Juda, die von den Babyloniern 586 v. Chr. zerstört wurde., die voller Menschen war.

Wie eine Witwe ist sie geworden,

die so mächtig unter den Völkern schien.

Sie herrschte als Fürstin über Provinzen.

Jetzt muss sie als Sklavin ihre Arbeit tun.

ב 2Sie weint bitterlich in der Nacht,

Tränen rinnen ihr über die Wangen.

Niemand ist da, der sie tröstet,

kein einziger unter ihren Freunden.

Ihre Nachbarn ließen sie im Stich,

sie wurden ihre Feinde.

ג 3Die Bewohner Judas mussten in die Verbannung1,3 Verbannung: Meint die Zeit zwischen 586 und 538 v. Chr., in der ein Teil des Volkes Israel gezwungen war, in Babylonien zu leben.,

nach all dem Elend und harter Arbeit.

Jetzt leben sie unter fremden Völkern,

doch Ruhe und Frieden finden sie nicht.

Vor ihren Verfolgern sind sie nicht sicher,

überall werden sie in die Enge getrieben.

ד 4Die Pilgerwege zum Zion1,4 Zion: Tempelberg von Jerusalem, aber auch Bezeichnung für die ganze Stadt. tragen Trauer,

denn es kommt niemand mehr zum Fest.

In den Toren der Stadt herrscht gähnende Leere,

darüber können die Priester1,4 Priester: Bringt Opfer im Heiligtum dar und deutet den Willen Gottes. nur seufzen.

Die jungen Frauen sind verzweifelt,

die Stadt ist zu Tode betrübt.

ה 5Ihre Gegner haben die Oberhand gewonnen,

ihre Feinde hatten ein leichtes Spiel.

Denn der Herr1,5 Herr: Hier steht im Hebräischen der Gottesname. Bereits in der Antike war es üblich, den Gottesnamen nicht auszusprechen, sondern ihn beim Lesen durch das hebräische Wort für »Herr« (adonaj) zu ersetzen. In deutschen Bibeln wird das in der Regel durch eine besondere Schreibweise kenntlich gemacht: HERR. selbst stürzte sie ins Unglück

als Strafe für ihre vielen Vergehen.

Ihre Kinder mussten in die Gefangenschaft,

die Feinde trieben sie vor sich her.

ו 6Die Stadt hat ihren Glanz verloren,

den ganzen Schmuck der Tochter Zion1,6 Tochter Zion: Poetische Bezeichnung für die Stadt Jerusalem..

Ihre Würdenträger sind wie Hirsche geworden,

die keinen Platz zum Weiden finden.

Mit letzter Kraft laufen sie davon

auf der Flucht vor ihren Verfolgern.

ז 7Jerusalem denkt zurück an bessere Tage,

als die Stadt noch nicht arm und verlassen war.

Sie denkt an alle ihre Schätze,

die sie in alten Zeiten besessen hat.

Dann fiel ihr Volk dem Feind in die Hände,

und niemand war da, der zu Hilfe kam.

Die Feinde sahen zu und lachten,

als es mit der Stadt zu Ende ging.

ח 8Jerusalem trägt selbst die Schuld.

Deshalb spottet man über die Stadt.

Alle, die sie bewundert haben, verachten sie.

Denn sie sahen sie nackt daliegen.

Sie aber seufzt nur vor Scham

und wendet ihr Gesicht zur Seite.

ט 9Bis zum Saum hat sie ihr Kleid befleckt

und nicht bedacht, wie schlimm das enden wird.

Unglaublich tief ist sie gesunken,

und niemand war da, der sie tröstet.

Ach Herr, sieh doch mein Elend1,9 mein Elend: Hier spricht die Stadt Jerusalem über das Leid, das sie bei ihrer Eroberung erfahren hat.!

So übermächtig ist jetzt der Feind.

י 10Der Feind hat seine Hand ausgestreckt

nach allen ihren Schätzen.

Die Stadt musste den fremden Völkern zusehen,

wie sie in ihr Heiligtum1,10 Heiligtum: Meint den Tempel in Jerusalem. eindrangen.

Dabei hast du, Gott, doch bestimmt,

dass kein Fremder1,10 kein Fremder: 5. Mose/Deuteronomium 23,4 legt fest, dass Menschen aus fremden Völkern nicht in die Versammlung Gottes kommen dürfen. Deshalb dürfen sie auch den Tempel nicht betreten. in deine Versammlung kommen darf.

כ 11Alle Bewohner der Stadt seufzen,

verzweifelt suchen sie etwas zu essen.

Für ein Stück Brot gaben sie ihre Schätze weg,

nur um am Leben zu bleiben.

Nun sieh, Herr, und schau es dir an:

So verachtet bin ich jetzt.

ל 12Ihr alle, die ihr auf dem Weg vorbeikommt,

seht her und schaut es euch an:

Gibt es einen größeren Schmerz als meinen,

den Schmerz, den ich erleiden musste?

Der Herr selbst hat ihn mir zugefügt

am Tag seines unbändigen Zorns.

מ 13Aus der Höhe1,13 aus der Höhe: Vom Wohnsitz Gottes im Himmel geht das Gericht über Jerusalem aus. schickte er Feuer herab,

der Schmerz brannte mir in den Gliedern.

Er legte ein Netz aus für meine Füße,

rückwärts stieß er mich in die Falle hinein.

Entsetzlich hat er mich zugerichtet,

für alle Zeit blutet mir das Herz.

נ 14Schwer ist das Joch1,14 Joch: Holzbalken, der Tieren über den Nacken gelegt wird, um einen Wagen oder Pflug zu ziehen. meiner Vergehen.

Seine Hand hat es mit Stricken festgebunden.

Das Joch drückt mich im Nacken,

es raubt mir die letzte Kraft.

Der Herr gab mich in die Gewalt von Menschen,

gegen die ich nichts ausrichten konnte.

ס 15Alle meine Kriegshelden warf er zu Boden,

in meiner Mitte erschien der Herr zum Kampf.

Wie zu einem Fest rief er die Feinde zusammen,

um die Gegenwehr meiner jungen Männer zu brechen.

Der Herr selbst trat die Trauben in der Kelter1,15 Kelter: Eine aus dem Fels gehauene Grube, die zum Auspressen von reifen Trauben diente. Die Trauben wurden dazu mit den bloßen Füßen zertreten.,

er zertrat die Tochter Juda1,15 Tochter Juda: Poetische Bezeichnung für das Land Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem., die junge Frau.

ע 16Über ihr Unglück muss ich weinen,

Tränen stürzen mir aus den Augen.

Ich habe niemand, der mich tröstet.

Keiner bringt mir den Lebensmut zurück.

Meine Kinder wurden entsetzlich zugerichtet.

So übermächtig war der Feind.

פ 17Die Tochter Zion erhebt flehend die Hände empor1,17 Hände emporheben: Eine in der Antike übliche Gebetshaltung..

Doch niemand ist da, der sie tröstet.

Der Herr rief zum Kampf gegen Jakob1,17 Jakob: Steht für Israel und meint hier das Gottesvolk in und um Jerusalem..

Er versammelte seine Feinde um ihn herum.

So weit war es mit Jerusalem gekommen,

voller Abscheu blickte man auf die Stadt.

צ 18Der Herr ist gerecht.

Ja, ich habe mich seinem Wort widersetzt.

Hört doch, all ihr Völker!

Seht, welchen Schmerz ich ertrage!

Meine jungen Frauen und Männer,

die mussten in die Gefangenschaft.

ק 19Ich rief nach denen, die mich liebten.

Doch sie ließen mich im Stich.

Meine Priester1,19 Priester: Bringt Opfer im Heiligtum dar und deutet den Willen Gottes. und meine Ältesten1,19 Älteste: Bezeichnung für ein leitendes Amt in der Gemeinschaft, das von älteren Männern ausgeübt wurde.,

die kamen ums Leben in der Stadt.

Vergebens suchten sie etwas zu essen.

Sie wollten doch nur am Leben bleiben.

ר 20Sieh, Herr, wie angst mir ist!

Ich bin bis zum Äußersten angespannt.

Es zerreißt mir das Herz im Leib,

weil ich so aufsässig gewesen bin.

Draußen raubt mir das Schwert die Kinder,

im Haus kommen sie um vor Hunger.

ש 21Man konnte hören, wie ich seufze.

Doch niemand ist da, der mich tröstet.

Alle meine Feinde erfuhren von meinem Unglück.

Sie freuten sich, dass du es herbeigeführt hast.

Der Tag, den du angekündigt hast, ist gekommen.

Nun soll es den Völkern genauso ergehen wie mir.

ת 22Bring alle ihre bösen Taten vor dein Gericht

und ziehe sie dafür zur Rechenschaft!

Bestrafe sie, wie du mich bestraft hast

für alle meine Vergehen!

Ach, ich muss immer nur seufzen,

und mir blutet das Herz.