Das erste Gespräch mit den Freunden
Hiob 3,1–11,20
3Ausgelöscht soll er sein:
der Tag, an dem ich geboren wurde!
Ausgelöscht die Nacht, die verkündete:
Die Eltern haben ein Kind gezeugt.
4Dieser Tag soll in der Finsternis verschwinden.
Nicht einmal Gott in der Höhe soll nach ihm suchen.
Nie mehr soll es hell werden über ihm.
5Dunkelheit und Schatten sollen ihn zurückfordern
und unter einer dichten Wolkendecke verstecken.
Finsternis am Tag soll Schrecken verbreiten.
6Diese Nacht soll im Stockdunkeln versinken.
Man soll sie nicht zu den Tagen des Jahres rechnen.
Sie soll fehlen, wenn man die Monate zählt.
7Ja, diese Nacht soll unfruchtbar sein.
Keinen Freudenjubel soll man in ihr hören.
8Die es können, sollen den Tag verfluchen.
Sie sollen nicht davor zurückschrecken,
den Leviatan3,8 Leviatan: Chaoswesen, das im Meer lebt. Im Alten Testament ist es Sinnbild für die tobenden Wasserfluten, die die Welt bedrohen. Mehr … zu wecken.
9Die Sterne am Morgen sollen dunkel bleiben.
Der Tag soll darauf warten, dass es hell wird.
Doch kein Schimmer lässt sich blicken,
nicht einmal für einen Wimpernschlag.
10Denn er hat den Mutterleib nicht verschlossen
und mir das Leid nicht erspart.
11Warum bin ich nicht gleich bei der Geburt gestorben?
Warum kam ich nicht tot aus dem Mutterleib?
12Warum hat man mich auf den Schoß genommen?
Warum trank ich an der Mutterbrust?
13Wäre ich gestorben, dann könnte ich ruhig schlafen.
Ich läge still und hätte meinen Frieden.
14Ich könnte bei Königen und Landesherren liegen,
die Grabkammern3,14 Grabkammer: Ein in den Felsen geschlagener Raum mit mehreren Nischen zur Ablage von Toten, dessen Eingang nach der Bestattung verschlossen wurde. Mehr … für sich bauen ließen.
15Oder ich läge bei reichen Fürsten,
die ihre Häuser mit Schätzen füllten.
16Ach, wäre ich doch verscharrt wie eine Fehlgeburt,
wie ein Neugeborenes, das die Sonne nie sah.
17Dort3,17 dort: Im Grab bzw. im Totenreich, dem Aufenthaltsort aller Verstorbenen, der unter der Erde liegt. ist es aus mit dem Wüten der Frevler3,17 Frevler: Menschen, die Gottes Gebote missachten und ihre eigenen Interessen gewaltsam durchsetzen. Mehr ….
Dort ruhen sich aus, die keine Kraft mehr haben.
18Auch die Gefangenen sind frei von Sorgen,
die Stimme des Aufsehers hören sie nicht mehr.
19Große oder Kleine, sie sind dort gleich,
und der Sklave hat keinen Herrn mehr.
20Warum lässt er die Sonne scheinen
für den, der vom Leid geplagt ist?
Warum schenkt er Leben den Menschen,
die im Herzen völlig verzweifelt sind?
21Sie wünschen sich den Tod, der nicht kommt.
Sie sehnen sich nach ihm mehr als nach Schätzen.
22Sie jubeln, wenn sie an ihren Grabstein denken.
Sie freuen sich auf ihr eigenes Grab.
23Was ist mit dem Mann, der nicht mehr weiterweiß,
weil Gott ihm seinen Weg versperrt?
24Ich muss seufzen, das ist mein tägliches Brot.
Wie Wasser brechen meine Hilfeschreie hervor.
25Was mir Schrecken einjagt, ist über mich gekommen.
Was mir Angst macht, hat mich getroffen.
26Ich finde keinen Frieden mehr und keine Ruhe.
Bevor ich aufatmen kann, kommt meine Qual zurück.
2Ich will versuchen, mit dir zu reden,
ohne dir lästig zu werden.
Niemand darf doch seinen Mund halten,
wenn etwas gesagt werden muss.
3Du selbst hast vielen Mut zugesprochen.
Manche müden Hände hast du stark gemacht.
4Wer ins Stolpern kam,
den hat dein Wort aufgerichtet.
Wer in die Knie sank,
dem hast du wieder Kraft gegeben.
5Jetzt aber, wo es dich selbst trifft,
verlässt dich der Mut.
Jetzt, wo du mit dem Leid in Berührung kommst,
packt dich die Angst.
6Du begegnest Gott doch mit Ehrfurcht!
Warum fehlt dir auf einmal das Vertrauen?
Du führst doch ein vorbildliches Leben.
Gibt dir das keine Hoffnung?
7Denk zurück und sage mir:
Ist jemals ein Mensch zugrunde gegangen,
der keine Schuld hatte und gerecht gewesen ist?
8Ich habe jedenfalls die Erfahrung4,8 Erfahrung: Elifas beruft sich hier auf die allgemeine Erfahrung, dass jedes Tun eine bestimmte Folge hat. gemacht:
Wer Unheil in den Ackerboden pflügt
und die Saat des Unrechts aufgehen lässt,
der wird es ernten!
9Solche Leute werden von Gottes Atem4,9 Atem Gottes: Gott vernichtet die Übeltäter so wie ein heißer Ostwind, der über das Feld bläst und die Ernte verbrennt. erfasst,
der Sturm seines Zorns fegt sie hinweg.
10Noch brüllt der Löwe, noch brüllen seine Jungen.
Doch die Zähne sind ihnen schon ausgeschlagen.
11Der Löwe, der keine Beute mehr macht, kommt um.
Und seine Jungen werden in alle Winde zerstreut.
12Ein Wort schlich sich in meine Gedanken,
wie ein leises Flüstern drang es an mein Ohr.
13Es kam nachts durch einen beunruhigenden Traum,
wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt.
14Furcht und Schrecken rief es in mir hervor,
ich zitterte an allen meinen Gliedern.
15Ein kalter Hauch strich mir übers Gesicht,
am ganzen Leib bekam ich eine Gänsehaut:
16Es steht jemand da –
sein Aussehen kann ich nicht beschreiben.
Doch seine Gestalt steht mir vor Augen.
Es ist ganz still, doch eine Stimme höre ich:
17Kann ein Mensch im Recht sein vor Gott?
Tritt er ohne Schuld und Makel4,17 ohne Schuld und Makel: Im Hebräischen steht dafür das Wort »rein«. vor seinen Schöpfer?
18Dabei solltest du bedenken:
Gott kann nicht einmal seinen eigenen Knechten trauen.
Auch bei seinen Engeln stellt er Fehler fest.
19Um wie viel mehr gilt das bei den Menschen!
Die wohnen doch nur in Häusern aus Lehm
und bestehen selbst aus nichts als Staub4,19 nichts als Staub: Meint die menschlichen Körper, die aus dem Erdboden geformt sind; vgl. 1. Mose/Genesis 2,7..
Man kann sie zerdrücken wie eine Motte.
20Zwischen Morgen und Abend werden sie zerdrückt.
Ohne dass man es merkt, sind sie für immer fort.
21Schon werden ihre Zelte abgebrochen4,21 ihre Zelte werden abgebrochen: Ihre Zeit auf der Erde ist abgelaufen..
Dann sterben sie, ohne dass sie es verstehen.