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Martin Luthers Bibelübersetzung

Mit dem Humanismus des 16. Jahrhunderts fand eine Rückbesinnung auf die hebräischen und griechischen Texte der Bibel statt. Buchausgaben der ursprachlichen Bibeltexte von Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin machten diese auch für die Reformatoren verfügbar. So konnte Martin Luther im Jahre 1522 eine deutsche Übersetzung des Neuen Testaments und 1534 dann eine Gesamtausgabe der Bibel vorlegen, die er unter Verwendung von ursprachlichen Textausgaben und der Vulgata erarbeitet hatte. Diese Ausgaben wurden für die Geschichte der Reformation von entscheidender Bedeutung.

Die Übersetzungstätigkeit Luthers hatte damit begonnen, dass er in seinen deutschen Schriften die Bibelzitate ebenfalls in Deutsch lieferte. Mit der Übersetzung größerer Stücke begann er 1517 anhand der sieben Bußpsalmen. Den Entschluss, die ganze Bibel zu übersetzen, fasste er während seines erzwungenen Aufenthaltes auf der Wartburg, wo er für die Verdeutschung des Neuen Testamentes ganze 11 Wochen brauchte. Die Übersetzung des Alten Testaments erschien in Teilen, beginnend mit dem Pentateuch 1523 bis zu den Propheten 1534.

War Luther schon seine Verdeutschung des Neuen Testamentes nach ihrem Abschluss im März 1522 gründlich mit Wittenberger Freunden durchgegangen, so hat er auch im weiteren Verlauf nicht alleine gearbeitet, sondern sich auf mehrere Mitarbeiter gestützt. Dennoch trägt die Übersetzung in allen Teilen deutlich seine Handschrift. Dies äußert sich vor allem in ihrer Sprachgewalt und ihrer theologischen Prägung. Über die Prinzipien seiner Übersetzungsarbeit hat Luther selbst Auskunft gegeben, am deutlichsten in seinem »Sendbrief vom Dolmetschen« aus dem Jahre 1530. Kennzeichnend für seine Verdeutschung sind – neben der Zugrundelegung der hebräischen und griechischen Texte:

  • der Grundsatz »Textsinn geht vor Wörtlichkeit«, was sich in einer im Vergleich zu seinen Vorläufern oftmals freieren Übersetzung niederschlägt;
  • die Orientierung an der mündlichen Volkssprache, die zu besonders kräftigen und bildhaften Formulierungen führt;
  • der direkte Niederschlag theologischer Grundentscheidungen in der Übersetzungsarbeit, was die Hinzufügung verdeutlichender Zusätze, das christologische Verständnis des Alten Testaments (insbesondere der Psalmen) und die veränderte Anordnung der biblischen Schriften (Hintanstellung der »Apokryphen« und von Hebräer- und Jakobusbrief) bedingt;
  • das Interesse an der Sprechbarkeit und Eingängigkeit der Texte und damit die starke Gewichtung von Sprachrhythmus und poetischem Klang.

Luthers Bibelübersetzung fand in Deutschland sehr schnelle Verbreitung, was nicht nur durch den aufgekommenen Buchdruck mit beweglichen Lettern, sondern auch durch seine Verwendung der Wettiner Kanzleisprache ermöglicht wurde, die die Dialektgebundenheit im engeren Sinne bereits hinter sich gelassen hatte. So konnte seine Übersetzung im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet (vom äußersten Süden abgesehen) gelesen und verstanden werden. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahre 1533 jeder 70. Deutsche bzw. jeder 10. deutsche Haushalt ein Lutherisches Neues Testament besaß. Hinzu kamen Übertragungen ins Niederdeutsche und ins Niederländische. Dieser einmalige Erfolg machte die Lutherbibel zum verbreitetsten Träger des reformatorischen Gedankengutes.

1545, ein Jahr vor Luthers Tod, erschien der letzte Druck zu Lebzeiten des Reformators, der bis heute als »Ausgabe letzter Hand« gilt. Die letzten Änderungen, die noch auf Luthers Initiative zurückgehen, wurden allerdings erst nach seinem Tod in der Ausgabe von 1546 umgesetzt.


Die Revisionen der Lutherbibel

In ihrer Fassung von 1545 war die Lutherbibel in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Mehr und mehr setzte sich dann allerdings bei den Kirchenleitungen die Erkenntnis durch, dass durch den zeitlichen Abstand das Verständnis von Luthers Text gefährdet war und die Lutherbibel ihren Charakter als »Volksbibel« zu verlieren drohte. Deshalb beschloss die Eisenacher Kirchenkonferenz (ein damaliger Zusammenschluss evangelischer Kirchen in Deutschland) 1863 auf Anregung der Bibelgesellschaften, eine Revision der Lutherübersetzung durchzuführen. Ziele dieser Revision waren:

  • die Anpassung des Luthertextes an den aktuellen Sprachgebrauch (Ersetzung veralteter und nicht mehr verständlicher Wörter, Anpassung des Satzbaus, Einführung der modernen Orthografie);
  • Korrektur einiger von Luther fehlerhaft übersetzter Stellen und von Druckfehlern in der Ausgabe von 1545;
  • Festschreibung des Luthertextes in der neuen Form als einheitlicher Text des deutschen Protestantismus (um die Mitte des 19. Jahrhunderts kursierten ca. 11 verschieden bearbeitete Fassungen der Luther-Ausgabe letzter Hand von 1545).

In vier Hauptstufen arbeiteten mehrere Revisionskommissionen über 120 Jahre an diesen Aufgaben, bevor schließlich die revidierte Fassung der Lutherbibel 2017 von der Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in Deutschland, der EKD, verabschiedet werden konnte. Wichtige Zwischenergebnisse waren die Revisionsfassungen von 1892 und 1912, die aber auf Dauer keinen Bestand hatten, weil sie in vielen Punkten noch zu sehr am alten Luthertext hingen. Erst nach dem 2. Weltkrieg kam es zu einer stärkeren Orientierung an der Gegenwartssprache. Doch bis zum Erscheinen der dritten kirchenamtlichen Revision sollten noch einige Jahrzehnte vergehen. Zunächst erschienen mehrere Teilrevisionen: 1956 das revidierte Neue Testament, 1964 das Alte Testament und 1970 die Apokryphen. 1975 wurde eine modernisierte Fassung des Neuen Testaments veröffentlicht, das allerdings als zu modern abgelehnt wurde. Erst 1984 konnten die Arbeiten der dritten kirchenamtlichen Revision abgeschlossen werden.

Die Teilrevision des Alten Testaments (1964) lag zu diesem Zeitpunkt bereits zwanzig Jahre zurück. Seitdem hatte sich im Bereich der Bibelwissenschaften einiges getan: Die früheren Revisionsentscheidungen wurden nicht mehr in allen Punkten geteilt. So kam es Anfang des 21. Jahrhunderts erneut zu Revisionsbemühungen. In den folgenden Jahren arbeiteten 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf verschiedenen Ebenen daran, den Text der Lutherbibel gründlich zu überprüfen und zu bearbeiten. Ziel war es nicht, den Wortlaut weiter sprachlich zu modernisieren, sondern den Text inhaltlich an den aktuellen Stand der Wissenschaft anzupassen. Wo es möglich war, kehrte man sogar zurück zu Luthers ursprünglicher Übersetzung. Mit der Lutherbibel 2017 liegt nun eine Übersetzung der Bibel vor, die einerseits nah am Wortlaut Luthers bleibt, aber gleichzeitig verständlich ist und dem aktuellen Stand der Bibelwissenschaft entspricht. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) empfiehlt den Text der Lutherbibel 2017 als den maßgeblichen Text zur Verwendung in Gottesdienst, Unterricht und Seelsorge.

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