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Deutschsprachige Bibeln vor Luther?

Deutschsprachige Bibeln vor Luther? Diese erstaunte Frage ist häufig zu hören, gilt doch der Reformator weithin als der Übersetzer der Bibel ins Deutsche. Doch bereits vor Luther wurden 18 deutsche Bibelausgaben gedruckt. Elf Jahre nach dem Erscheinen der Gutenberg-Bibel entstand 1466 mit der Mentelin-Bibel in Straßburg das Erste dieser Kleinode der frühen Buchdruckerkunst. Bis 1522 wurden Bibeln in Augsburg, Nürnberg, Köln, Straßburg, Lübeck und Halberstadt hergestellt. Sie fanden ihren Markt beim aufstrebenden Bürgertum der Städte, aber auch die große Zahl der »Leutpriester« brauchte Bibeln in der Volkssprache, denn Latein verstanden diese in der Regel nicht.


Textausgaben am Anfang

Der erste deutsche Bibeldruck des Johannes Mentelin war eine reine Textausgabe. Textgrundlage war vermutlich eine 100 Jahre zuvor angefertigte und damals schon veraltete Wort-für-Wort-Übersetzung aus dem Lateinischen ins Oberdeutsche. Die Mentelin-Bibel verstand sich als deutsche Ausgabe der Vulgata des Hieronymus. Da sich die nachfolgenden Bibeln an dieser orientierten, änderte sich wenig an der Verständlichkeit.

Die Mentelin-Bibel ist typisch für die Frühzeit des Buchdrucks. Überschriften und Initialen mussten nachträglich vom Rubrikator, einem Buchmaler, eingefügt werden. Alle vorlutherischen deutschen Bibeln wurden zweispaltig und damit gut lesbar gedruckt. Erst Luther legte 1522 eine einspaltige Bibelausgabe vor, in der Randbemerkungen beigefügt werden konnten.


Beginn der Bibelillustration

Durch ihre Schlichtheit verweist die Mentelin-Bibel auf den biblischen Text, der nun erstmals für eine größere Zahl von Menschen in der eigenen Sprache vorlag. Bald erkannte man jedoch, dass die Beifügung von Bildillustrationen das Verständnis des Textes erleichterte und den Absatz förderte. So entstanden etwa gleichzeitig 1475 in Augsburg mit der Zainer- und der Pflanzmann-Bibel zwei illustrierte Bibelausgaben.

Günther Zainers Bibel war die erste mit einem sorgfältig geplanten Illustrationskonzept. 73 Bildinitialen leiten jeweils die biblischen Bücher ein. Der Bibel lag eine verbesserte Übersetzung zugrunde, worauf die Schlussbemerkung selbstbewusst hinweist: »Dieses durchleuchtigste Werk der ganzen heiligen Schrift, genannt die Bibel, vor allen anderen vorher gedruckten Bibeln lauterer, klarer und wahrer, nach rechtem allgemeinen Deutsch dann gedruckt, hat hier ein Ende.« Martin Luther soll bei seiner Übersetzungsarbeit auch die Zainer-Bibel benutzt haben.

In Köln, Lübeck und Halberstadt erschienen Bibelausgaben in niederdeutschen Sprachfassungen. Neu war die Illustration der Kölner Bibeln: 123 große Holzschnitte bebilderten das Alte Testament und die Apokalypse. Oft werden die Namen der Hauptpersonen im Bild benannt, so dass eine Zuordnung möglich ist. Es finden sich idealisierte Darstellungen, beispielsweise von Gottvater, der als würdiger alter Mann mit langem, weißen Haar und Nimbus dargestellt wird. Moses wird aufgrund einer falschen Übersetzung von 2. Mose 34,29 als Gehörnter abgebildet. Die Kölner Illustrationen beeinflussten später auch Künstler wie Albrecht Dürer und Matthäus Merian.


Schönste vorlutherische Bibel

Anton Koberger aus Nürnberg legte 1483 die wohl schönste dieser Bibeln vor. Seine Druckwerkstatt war mit 24 Handpressen, knapp 100 Gesellen und durch internationale Beziehungen ein europäischer Großbetrieb. Mehrfach wurden von Koberger lateinische Bibeln hergestellt, die er auch in Lyon, Basel oder Venedig drucken ließ, um die Transportkosten zu Messen zu sparen. Von seiner deutschen Bibel wurden etwa 1500 Exemplare produziert, von denen heute noch 150 erhalten sind. Koberger übernahm 109 Holzschnitte der Kölner Bibel. Er ließ in seiner Werkstatt auch Exemplare vor dem Verkauf in hoher Qualität illustrieren. Kobergers Schrifttype wurde auf Grundlage von Kanzlei-Handschriften entwickelt. Anfangsbuchstaben wurden von Buchmalern mit einem roten Strich versehen, was die Lesbarkeit der Texte erhöhte und der Bibelseite einen leuchtenden Ausdruck verlieh.


Erste Hand- und Hausbibeln

Ein neues Bibelformat begründete Johann Grüninger 1485 in Straßburg. Die zehnte deutsche Bibel war der erste deutsche Bibeldruck, der so handlich war, dass er sich zur persönlichen Bibellektüre eignete. An diesem Format orientierten sich die Bibeln von Anton Schönsperger (1487 und 1490), Johann und Silvan Otmar (1507 und 1518), die in Augsburg gedruckt wurden. Neben der Handlichkeit war besonders der niedrigere Preis Garant für einen Verkaufserfolg. Bei der Papierqualität wurde gespart. Die Holzschnitte wurden vereinfacht und verkleinert von den Kölner Vorbildern nachgeschnitten.


Luthers Erfolg

 Wenige Wochen vor Erscheinen von Luthers Septembertestament 1522 wurde die letzte vorlutherische Bibel in Halberstadt verlegt. Der Erfolg des Reformators bescherte dieser wie den anderen Bibeldrucken ein schnelles Ende. Luthers Bibelübersetzung bediente zwei Zielgruppen. Da seine Übersetzungsgrundlage statt der lateinische Vulgata die Ursprachen waren, wurde sein Werk selbst von gegnerischen Theologen ernst genommen. Darüber hinaus war Luthers Bibel auch für Laien lesbar, löste er sich doch von der traditionellen Wort-für-Wort-Übersetzung des Lateinischen. Er wagte es, den Menschen »aufs Maul zu schauen« und Sinnzusammenhänge in einer verständlichen Sprache darzustellen. So waren die vorlutherischen Bibeldrucke nicht mehr verkäuflich.

[Text: Michael Landgraf]

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