„Bibel persönlich“ von Michael Jahnke aus: Bibelreport 2/2017
Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?
(Matthäus 6,26)
Vor einiger Zeit war ich an einem wichtigen Gespräch in einer befreundeten Familie beteiligt. Es stand die Entscheidung an, ob die Familie für einige Jahre als Verantwortliche eines Entwicklungshilfeprojektes nach Kolumbien gehen wollte. An dem Abend des Gespräches ging es um die Frage nach der finanziellen Absicherung. Die Missionsgesellschaft, die das Projekt verantwortete, würde nur für einen Teil des benötigten Lebensunterhaltes sorgen können. Die Familie war aufgefordert, sich zusätzlich einen privaten Spenderkreis aufzubauen. Auf dem Tisch lagen viele mit Zahlen vollgeschriebene Zettel. Auf anderen Zetteln standen Namen von Freunden, Verwandten und Bekannten, die als Spender infrage kommen könnten. In der engagierten Debatte über den benötigten finanziellen Bedarf für den Lebensunterhalt und die sonstige notwendige Absicherung wurde immer wieder auch die Frage nach dem Ausmaß der Sorge laut. Schließlich sagte einer: „Wenn wir glauben können, dass der Weg nach Kolumbien ein Weg ist, den Gott mit uns gehen wird, dann brauchen wir uns nicht zu viele Sorgen um unsere Versorgung zu machen.“
Der Vers aus dem Matthäusevangelium unterstützt diesen Gedanken. Er stammt aus einer der bekanntesten Predigten, die von Jesus überliefert sind: der Bergpredigt. Im Kapitel 6 geht es in den Versen 19-34 um das Schätzesammeln und Sorgen. Die Schlüsselaussage findet sich in Vers 33: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Mit „das“ sind nach Vers 31 die Nahrung und die Kleidung gemeint, also in der Übertragung das, was zum Leben notwendig ist. Dies ist eine bemerkenswerte Aussage: Gott versorgt uns mit dem, was wir zum Leben nötig haben.
Der befreundeten Familie ist diese Aussage an diesem Abend zu einem wichtigen Zuspruch geworden. Aus der Gewissheit, dass der Weg nach Kolumbien ein Weg mit Gott ist, wuchs mehr und mehr die Bereitschaft, Gott als dem Versorger zu vertrauen. Es machte sich aufgrund dieser Aussage keine gänzliche Sorglosigkeit breit und es ging in den folgenden Überlegungen immer wieder auch um die notwendigen Versorgungsmaßnahmen. Aber die Frage, wie die Versorgung sichergestellt werden könne, rückte aus dem Mittelpunkt der Debatte und bekam einen anderen Stellenwert. „Gott ist unser Versorger“ – dieser neu zutreffende Gedanke hat für die Überlegungen in der befreundeten Familie eine neue Grundlage geschaffen. Das hat mich bewegt.
Mir ist der Bibelvers aus Matthäus 6 am besagten Abend und seitdem zu einer Anfrage geworden. Der Gedanke, dass Gott mich versorgt, ist mir zwar bekannt. Aber in meiner alltäglichen Lebenswirklichkeit wird er nur selten praktisch. Auf den ersten Blick ist dies begrüßenswert: Ich muss mir aufgrund meiner anständig situierten Lebenslage nur selten Sorgen um mein Auskommen machen. Auf den zweiten Blick ist dies trügerisch: Mein Auskommen kommt letztlich nicht aus meiner Hand. Ich wünsche mir zwar keine Situation, in der die Sorge um mein Auskommen wachsen müsste. Aber ich wünsche mir ein alltäglicheres Bewusstsein dafür, dass Gott in allem mein Versorger ist. Das fordert mich heraus, mein Vertrauen neu auf Gott zu setzen.
Der Text aus der Bergpredigt ist mir noch auf andere Weise nachgegangen. Vor wenigen Wochen war ich noch einmal bei der befreundeten Familie zu Gast. Das bislang bewohnte Haus sah wenig einladend aus: In einem größeren Teil der Zimmer befand sich ein großes Durcheinander all der Besitztümer, die die Familie angesichts der anstehenden Ausreise nach Kolumbien aussortiert hatte. „Brauchst du was davon? Wir verschenken und entsorgen alles. Wir haben keine Verwendung mehr dafür!“ – so wurde ich begrüßt. Ich habe mich eifrig darangemacht, die Dinge durchzusehen. Bei jedem Gegenstand wurde die Frage in meinem Kopf lauter: „Was brauche ich wirklich?“ Diese Frage beantwortet sich jeder Mensch auf seine Weise. Angesichts der vielen Dinge, die ich wieder aus den Händen gelegt und nicht mitgenommen habe, lautet meine Antwort: „Ich brauche weniger, als ich bereits habe.“ Das bringt mich in Bewegung, meinen Besitz meinem wirklichen Bedarf anzupassen.
Ich wünsche Ihnen Mut, Gott Ihre Sorgen anzuvertrauen. Und ich wünsche Ihnen Erlebnisse, in denen Ihr Gottvertrauen belohnt wird.
Über den Autor
Michael Jahnke, geboren 1967, hat in Köln Erziehungswissenschaften studiert.
Zunächst war er als Referent in religionspädagogischen Handlungsfeldern tätig. Im Anschluss hat er als Lektor und Publikationsleiter Medien für die gemeindepädagogische, religionspädagogische und bibelerschließende Arbeit erstellt.
Seit Juli 2018 leitet er die Abteilung Kommunikation bei der Deutschen Bibelgesellschaft.