3. Zweite Rede Elihus
a) Feststellung der Behauptung Hiobs, Gott sei ungerecht
1Elihu hob dann wieder an und sagte: 2»Vernehmt, ihr Weisen, meine Worte und, ihr Einsichtigen, schenkt mir Gehör! 3denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speisen kostet. 4Wir wollen doch prüfend das Recht finden, wollen gemeinsam erforschen, was gut ist. 5Denn Hiob hat behauptet: ›Ich bin gerecht (oder: im Recht), aber Gott hat mir mein Recht vorenthalten; 6trotz meines Rechtes soll ich ein Lügner sein! Tödlich steckt sein Pfeil in mir, ohne daß ich mich verschuldet habe!‹«
b) Durch diese Lästerung Gottes macht sich Hiob zu einem Frevler; denn Gott kann seinem ganzen Wesen nach (besonders als Weltherrscher) nicht ungerecht sein
7»Wo ist ein Mann wie Hiob, der Lästerrede trinkt wie Wasser 8und in Gemeinschaft mit Übeltätern getreten ist und mit Frevlern Umgang pflegt? 9Denn er hat behauptet: ›Der Mensch hat keinen Nutzen davon, daß er mit Gott die Freundschaft aufrecht hält.‹
10Darum hört mich an, ihr einsichtsvollen Männer! Fern bleibe der Vorwurf von Gott, daß er Frevel verübe, und vom Allmächtigen, daß er Unrecht tue! 11Nein, was der Mensch tut, das vergilt er ihm und läßt es jedem nach seinem Lebenswandel ergehen. 12Ja wahrlich, Gott handelt nicht frevelhaft, und der Allmächtige beugt das Recht nicht. 13Wer hat die Erde seiner Obhut anvertraut und wer den ganzen Erdkreis hergestellt? 14Wenn er nur an sich selbst dächte, seinen Geist und seinen Odem in sich zurückzöge, 15so müßte alles Fleisch insgesamt verscheiden und der Mensch wieder zu Staub werden.
16Wenn du also verständig bist, so höre dies und gib wohl acht, wie meine Worte lauten! 17Kann auch, wer das Recht haßt, ein Gemeinwesen leiten? Oder willst du den Allgerechten verdammen, 18ihn, der zum Könige sagt: ›Du Nichtswürdiger!‹ und zu den Hochgestellten: ›Du Bösewicht!‹, 19ihn, der die Person der Fürsten (oder: Großen) nicht ansieht und den Vornehmen nicht vor dem Geringen bevorzugt, weil sie ja alle das Werk seiner Hände sind. 20In einem Augenblick sterben sie, und mitten in der Nacht wird ein Volk erschüttert und muß dahinfahren, und Machthaber beseitigt er, ohne die Hand zu rühren. 21Denn seine Augen sind auf die Wege (= den Wandel) eines jeden Menschen gerichtet, und er sieht alle seine Schritte: 22da gibt es kein Dunkel und keine noch so dichte Finsternis, daß die Frevler sich darin verbergen könnten. 23Denn er braucht einen Menschen nicht erst lange zu beobachten, damit er vor Gott zum Gericht erscheine: 24nein, er zerschmettert Gewalthaber ohne Untersuchung und läßt andere an ihre Stelle treten. 25Somit kennt er ihre Taten wohl und stürzt sie über Nacht, so daß sie zermalmt werden. 26Als Frevler, die sie sind, geißelt er sie vor aller Augen 27zur Strafe dafür, daß sie von ihm abgefallen sind und alle seine Wege (= sein ganzes Walten) unbeachtet gelassen haben, 28so daß sie den Hilferuf des Armen zu ihm hinaufdringen ließen und er den Notschrei der Bedrückten vernehmen mußte. 29Verhält er sich aber ruhig, wer darf ihn verdammen? Und verhüllt er sein Angesicht, wer kann ihn schauen? So waltet er sowohl über Völkern als auch über einzelnen Menschen gleicherweise, 30damit nicht ruchlose Menschen die Herrschaft führen, Leute, welche Fallstricke für das Volk sein würden.«
c) Hiobs Urteil über Gott ist anmaßend, töricht und frevelhaft und verdient die schwerste Strafe
31»Denn soll etwa Gott zu dir sagen: ›Ich habe mich geirrt; will (aber) nicht wieder verkehrt handeln? 32Über das, was ich nicht sehe, belehre du mich; wenn ich unrecht gehandelt habe, will ich es nicht wieder tun.‹ 33Soll er nach deinem Sinn Vergeltung üben, weil du unzufrieden bist, und sagen: ›Du hast das Bessere zu bestimmen, nicht ich; was du also weißt, das sprich aus!‹?
34Verständige Leute werden mir zugestehen und jeder weise Mann, der mir zuhört: 35›Hiob redet ohne Einsicht, und seine Worte sind nicht wohlbedacht.‹ 36O daß doch Hiob fort und fort geprüft würde wegen seiner Widerreden nach Art der Frevler! 37Denn zu seiner Verfehlung fügt er noch den Abfall (von Gott) hinzu: er höhnt laut in unserer Mitte und macht viel Redens gegen Gott.«