Hiob 22
IV. Dritter Gesprächsgang
1. Dritte Rede des Eliphas
a) Eliphas spricht nun rückhaltlos aus, daß Hiob sein Unglück verdient habe
1Da nahm Eliphas von Theman das Wort und sagte:
2»Kann wohl ein Mensch Gott Nutzen schaffen? Nein, nur sich selbst nützt der Fromme (oder: Verständige). 3Hat der Allmächtige Vorteil davon, wenn du rechtschaffen bist? Oder bringt es ihm Gewinn, wenn du unsträflich wandelst? 4Meinst du, wegen deiner Gottesfurcht strafe er dich und gehe deshalb mit dir ins Gericht? 5Ist nicht vielmehr deine Bosheit groß, und sind nicht deine Verschuldungen ohne Ende?«
b) Hiob hat seine Strafe durch schwere Freveltaten verdient
6»Denn oftmals hast du deine Volksgenossen ohne Grund gepfändet und den Halbnackten ihre Kleider ausziehen lassen; 7dem vor Durst Lechzenden hast du keinen Trunk Wasser gereicht und dem Hungrigen ein Stück Brot versagt. 8Dem Manne der Faust – ihm gehörte das Land, und nur die Hochangesehenen durften darin wohnen. 9Witwen ließest du mit leeren Händen gehen, und alles, was den Waisen zu Gebote stand, wurde zugrunde gerichtet. 10Darum bist du jetzt rings von Schlingen umgeben, und jäher Schrecken versetzt dich in Angst; 11dein Licht ist Finsternis geworden, so daß du nicht sehen kannst, und eine Wasserflut bedeckt dich.«
c) Hiob hat sich durch gottlose Gesinnung und durch frevelhafte Reden gegen Gott schwer versündigt
12»Ist Gott nicht so hoch wie der Himmel? Und schaue den Gipfel der Sterne an, wie hoch sie ragen! 13Und da sagst du: ›Was weiß denn Gott? Kann er durch Wolkendunkel hindurch Gericht halten? 14Dichte Wolken sind ihm eine Hülle, so daß er nichts sehen kann, und nur die Räume des Himmelsgewölbes durchwandelt er.‹ 15Willst du die Bahn der Vorwelt innehalten, auf der die Männer des Frevels einst gewandelt sind? 16Sie, die vor der Zeit weggerafft wurden – der feste Boden unter ihnen zerfloß zu einem Strom –; 17die zu Gott sagten: ›Bleibe fern von uns!‹ und ›was der Allmächtige ihnen antun könne?‹ 18Und doch hatte er ihre Häuser mit Segen gefüllt. Aber die Denkweise der Frevler bleibe fern von mir! 19Die Gerechten sehen es und freuen sich, und der Schuldlose ruft ihnen spottend zu: 20›Fürwahr, unsere Widersacher sind vernichtet, und ihre Hinterlassenschaft (oder: den letzten Rest von ihnen) hat das Feuer verzehrt!‹«
d) Sicherlich wird Hiob im Falle der Bekehrung neues Heil von Gott erlangen
21»Befreunde dich doch mit Gott und halte Frieden mit ihm! Dadurch wird dein Geschick sich heilsam gestalten. 22Nimm doch Belehrung aus seinem Munde an und laß seine Worte in deinem Herzen wohnen (oder: dir zu Herzen gehen)! 23Wenn du dich zum Allmächtigen bekehrst (= wieder hinwendest), so wirst du wieder aufgebaut (= in Wohlstand versetzt) werden; wenn du die Sünde aus deinen Zelten entfernst – 24ja, wirf das Golderz von dir in den Staub und Ophirs Gold unter die Kiesel der Bäche, 25daß der Allmächtige dein Golderz ist (oder: darstellt) und Silber dir sein Gesetz –: 26ja, dann wirst du dich auf den Allmächtigen getrost verlassen und zu Gott dein Angesicht vertrauensvoll erheben. 27Flehst du zu ihm, so wird er dich erhören, und deine Gelübde wirst du bezahlen können; 28nimmst du dir etwas vor, so wird es dir gelingen, und Licht wird über deinen Wegen strahlen. 29Wenn sie abwärts führen, so rufst du: ›Empor!‹, und dem Niedergeschlagenen hilft er auf. 30Selbst den Nichtschuldlosen wird er entkommen lassen, und zwar wird er durch die Reinheit deiner Hände entkommen.«
Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe © 1949/2003 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Apokryphen aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt von Hermann Menge © 1967, Württembergischen Bibelanstalt, Stuttgart